Petra Wild („Israel zwischen Siedlerkolonialismus und Apartheidstaat“) in der Villa Ichon

Das Buch „Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina“ (ISBN 978-3-85371-355-6) trifft in der Bundesrepublik auf eine Wahrnehmungsblockade, die in Frage zu stellen das Verdienst seiner Verfasserin ist: Petra Wild, Arabistin und Islamwissenschaftlerin hat mit ihrer Untersuchung über den „zionistischen Siedlerkolonialismus in Wort und Tat“ (so der Untertitel der Studie) einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die dunkelsten Seiten der Entstehung und Entwicklung Israels geleistet. Eingeladen vom Nahost-Forum Bremen, der Bremer Gruppe des israelischen Komitees gegen Häuserzerstörung ICAHD sowie der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft DPG hat Petra Wild (Berlin) in der Villa Ichon zum Thema ihres Buches gesprochen.Der Vortrag begann mit einer historischen Einführung über die Entstehung des Zionismus als eines kolonialen Projekts, an dem nicht zuletzt die europäischen Staaten Frankreich und Großbritannien ein massives kolonialistisches Interesse gezeigt hätten. Nach der Darstellung der Vorgeschichte des palästinensisch-israelischen Konflikts und des ethno-religiösen Charakters von Israel als Staat erörterte Frau Wild die israelische Politik gegenüber den Palästinensern innerhalb der Grenzen Israels und in den 1967 besetzten Gebieten. Diese Politik werde sowohl von israelischen und palästinensischen als auch von internationalen Menschenrechtsorganisationen, nicht zuletzt aber auch von Organisationen der Vereinten Nationen als Apartheid angeprangert.

Die Referentin bezog sich bei ihren Ausführungen auf die jüngsten Ergebnisse der Kolonialismus- und Genozidforschung. Diese weise den Zionismus als eine Form des europäischen Siedlerkolonialismus aus, vergleichbar dem US-amerikanischen Siedlerkolonialismus gegenüber der ursprünglich indianischen Bevölkerung in Nordamerika. Dem Siedlerkolonialismus gehe es in erster Linie um die Okkupation von Land, sekundär um die Vertreibung bzw. Auslöschung der einheimischen Bevölkerung im Sinne ethnischer Säuberung und der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Dieser Prozess scheitere aber am Widerstand der Palästinenser, obgleich sich die israelischen Siedler – „mit der imperialen Macht der USA im Rücken“ – zu den eigentlichen Einheimischen erklären würden und alle Spuren der bisherigen Bewohner auszulöschen versuchten.

Petra Wild, die nach Beendigung ihres Studiums in Jerusalem, Leipzig, Damaskus und Berlin als freiberufliche Publizistin tätig ist, brachte die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Untersuchung auf den Begriff, indem sie Israel als eine nicht-säkulare Ethnokratie charakterisierte, die eine expansionistische Politik betreibe, gestützt auf Massaker, Militäreinsätze und den ständigen Terror der Siedler. Der gegen die Palästinenser gerichtete Rassismus präge sowohl die staatliche Ebene als auch weite Teile der israelischen Bevölkerung.

Zum Schluss ihres Vortrags, dem sich eine rege und teilweise kontroverse Diskussion anschloss, entwarf Frau Wild das Konzept der Ein-Staat-Lösung, wie sie von Palästinensern, Zionismus-kritischen Israelis und Aktivisten der internationalen Solidaritätsbewegung befürwortet wird. Dieser Ansatz einer Konfliktlösung beinhalte das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, eine Politik der Entkolonialisierung und den Aufbau eines wahrhaft demokratischen säkularen Staats auf dem Boden des historischen Palästina, in dem muslimische, christliche und drusische Palästinenser ebenso wie jüdische Israeli auf der Basis von gleichen Rechten zusammenleben. Jede Fortsetzung der bisherigen israelischen Politik habe den Legitimationsverlust des israelischen Staats und die schleichende Erosion der israelischen Gesellschaft zur Folge.
Rudolph Bauer

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