»Hierzulande wird die Propaganda geschluckt«

Am Freitag protestierten »Antideutsche« gegen die Premiere eines israelischen Filmes. Von Wladek Flakin

Am Freitag war in Berlin die Deutschlandpremiere Ihres neuen Dokumentarfilms. Doch in der Berichterstattung geht es nicht um dessen Inhalt, sondern um einen gezeigten Hitlergruß und antisemitische Sprüche. Was ist vor dem Kino passiert? Gespräch mit Dror Dayan.

Mein Film »Even Though My Land Is Burning« wurde am Freitag abend im Kino Moviemento in Kreuzberg aufgeführt. Die Premiere wollte ich mit der »Israeli Apartheid Week« verknüpfen. Bei dieser globalen Aktionswoche geht es um die Forderung nach Boykott, Deinvestition und Sanktionen, BDS, gegen den israelischen Staat, bis dieser die Besatzung beendet. Ich wollte nicht mit Sekt feiern, sondern eine politische Veranstaltung. Denn in meinem Film geht es um einen einzigen demokratischen Staat im historischen Palästina, in dem Juden und Palästinenser mit gleichen Rechten leben können.

Und dagegen gab es Protest?

Drei Wochen vorher haben antipalästinensische Gruppen, meistens aus den Kreisen der sogenannten Antideutschen, zu einer Protestaktion aufgerufen. Sie nannten uns Antisemiten und haben das Kino mit Drohungen terrorisiert. Den Betreibern haben sie vorhergesagt: Wenn der Film gezeigt wird, wird das Kino auf ewig als antisemitischer Ort gebrandmarkt. Das versuchen sie jetzt umzusetzen.

Wie lief diese Gegenkundgebung?

Rund 40 Menschen – meiner Ansicht nach in erster Linie weiße Deutsche – haben sich versammelt und mit Israel-Fahnen und lauter Musik versucht, die Nachbarn zu provozieren. Manche der Filmbesucher hatten palästinensische Fahnen dabei. Ich habe »Free Palestine!« und »Boycott Israel!« gerufen. Ich weiß nicht, wer die Demonstranten auf der zionistischen Seite genau waren. Aber definitiv kann ich sagen, dass mehr jüdische Menschen im Kino waren als der Gegenkundgebung. Mehrere schrieben später auf Facebook, dass sie vor dem Kino auf hebräisch sprachen oder Kippas trugen, und sich dabei sicher und willkommen fühlten.

Wer waren die Männer, die den Hitlergruß gezeigt haben?

Die Fotos von drei Männern unter schwarzen Kapuzen und mit Sonnenbrillen, die eine Ecke weiter den Hitlergruß zeigen, erschienen erst etwas später online. Das wurde unserer Veranstaltung zugerechnet, war aber eindeutig nicht vor dem Kino. Wer diese Menschen sind, weiß ich nicht. Klar ist nur, dass sie an der Veranstaltung selbst nicht teilgenommen haben.

Wie erleben Sie die Diskussion um Israel in Deutschland?

Hier wird die Propaganda kritiklos geschluckt, dass Zionismus und Judentum das gleiche seien. Mir wurde schon oft Antisemitismus vorgeworfen, oder ich wurde gewarnt, dass ich mich mit bösen Antisemiten bewege. Das ist Teil des deutschen Diskurses: Ich bin als Jude kein politisches Subjekt, sondern muss dann von Deutschen vor Antisemiten geschützt werden. Ich hoffe, dass die Filmpremiere endlich Menschen in diesem Land dazu bringt, kritisch darüber zu reflektieren, dass antizionistische Stimmen zum Schweigen gebracht werden.

Können Sie noch kurz von Ihrem Film erzählen?

Im Film geht es um Solidaritätsarbeit von jüdischen Antizionisten in Israel mit dem gewaltfreien Widerstand der Palästinenser. Dafür habe ich vier Jahre lang einen jungen Aktivisten aus Tel Aviv begleitet, der jede Woche an den Demos im Dorf Nabi Saleh teilnimmt. Ich wollte sehen, was diese solidarische Zusammenarbeit hervorbringen kann. Können wir einen demokratischen Staat für alle erkämpfen, unabhängig von Ethnie und Religion?

Eine weitere Protagonistin des Filmes, Manal Tamimi, wurde vorgestern nacht in ihrem Haus verhaftet. Aktuell wird sie ohne Anklage in einem israelischen Militärgefängnis festgehalten. Es ist kein Zufall, dass das in der Nacht zum Frauentag passiert ist, denn Manal ist Frauenrechtsaktivistin, und als Feministin kämpft sie gegen die Besatzung. Ich muss meine Zeit mit Diskussionen über den Hitlergruß vergeuden – die wahren Aktivisten werden nachts von Soldaten verschleppt.

Dror Dayan ist ein Filmemacher aus Jerusalem, der in Berlin lebt.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 09.03.2016

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