Kleine Diskussion mit Hermann Kuhn (DIG) – Fortsetzung

In der Fortsetzung des kleinen email-Wechsels (v. 6. Juni 2016) mit Hermann Kuhn, dem Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Bremen geht es um diesen meinen Satz (unten nachzulesen): „Im Sinne einer notwendigen und freien Diskussion gerade auch über die Probleme im Nahen Osten ist es völlig unverständlich, dass die DIG in der jüngsten Vergangenheit in Bremen wiederholt und massiv interveniert hat, damit dem Nahost-Forum oder dem AK Nahost Räume für ihre Veranstaltungen nicht zur Verfügung gestellt werden.“

In einer neuen mail (v. 13.06.2016) an mich erwidert Hermann Kuhn: „Die DIG hat nicht versucht, die Ausstellung in der Stadtbibliothek zu verhindern, sondern hat darauf gedrungen, dass auch der Standpunkt der DIG (auf einem Achtel der Fläche) dargestellt werden kann. Die DIG hat sich weder öffentlich noch nicht-öffentlich zur Veranstaltung am 26. Januar in den Weserterrassen geäußert, hat in keiner Weise versucht Einfluss zu nehmen. Und wenn Sie das wahrheitswidrig immer wieder behaupten, dann nennen Sie endlich Ihre Beweise. Was Sie machen, ist Verleumdung. Die DIG hat in einem Brief an das Überseemuseum darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung im März der Propagierung des Israelboykotts diene, und dass diese Bewegung das Existentrecht Israels in Frage stelle. Diesen Brief kennen Sie. Wir werden auch weiterhin dafür eintreten, dass Senat und Bürgeschaft sich klar von der BDS-Bewegung distanzieren.“

Nachdem ich mich noch einmal schlau gemacht habe, habe ich Kuhn geantwortet, dass ich uneingeschränkt dabei bleibe, dass diese Interventionen stattgefunden haben.

Beweise?

  • Im Fall der Nakba-Ausstellung wurde in einer Deputationssitzung der Bürgerschaft aus den Fragen der CDU und aus der Antwort des Bürgermeisters (damals Jens Böhrnsen) deutlich, dass die Ausstellung verhindert werden sollte. Als Kompromiss, um die Ausstellung zu retten und um unterschriebene Verträge nicht zu verletzen, erhielt dann die DIG von den Ausstellungsmachern die Möglichkeit, in der Ausstellung eigene Informationstafeln aufzustellen, ihre eigene Anti-Nakba-Broschüre auszulegen und für eine Podiumsdiskussion zwei eigene Telnehmer zu stellen. Wenn dieser Kompromiss mit der DIG gefunden wurde – wer war es dann, der interveniert hat?
  • Im Fall des Überseemuseums hat Kuhn, wie er selber schreibt, als Vorsitzender der DIG einen Brief an die Direktorin geschrieben und darauf „hingewiesen“, dass die Veranstaltung die BDS-Kampagne propagiere, die „das Existenzrecht Israels in Frage stelle“. Ist das keine Intervention?

Ich möchte den kleinen e-mail-Wechsel zum Anlass nehmen, positiv in die Zukunft zu schauen. Aus meiner Antwort-mail an Kuhn: „Sie bestreiten, dass Sie und die DIG interveniert haben, um Veranstaltungen zu verhindern. Wir wissen alle, dass über den Nahost-Konflikt seit Jahren äußerst heftig und äußerst kontrovers diskutiert wird. Übrigens auch in den Gruppierungen, die die letzten Diskussionen darüber organisiert haben! Wichtig ist doch allein, dass diese Diskussionen fortgesetzt werden!

Deshalb zum Schluss zwei Fragen:

  1. Können wir uns für die Zukunft evtl. mit der DIG darauf verständigen, dass diese Diskussionen weitergehen müssen und dass administrative Verhinderungsversuche in einer Demokratie völlig fehl am Platze sind?
  1. Und dass wir mal eine Veranstaltung versuchen zu organisieren, auf der – um nicht nur „im eigenen Saft zu schmoren“ – kontrovers diskutiert wird? Während der Nakba-Ausstellung hat es ja schon so etwas gegeben. Wie wärs mit einem zweiten (oder dritten und vierten)  Versuch?“

Übrigens: Dass die BDS-Kampagne das Existenzrecht Israels in Frage stelle und damit antisemitisch sei, ist eine Behauptung, die von Netanyahu aufgestellt und auch von der israelischen Botschaft in Deutschland wiederholt wird. Sie ist trotzdem nicht richtig. Richtig ist, dass diese Kampagne in all ihren verschiedenen Varianten immer erklärt, dass sie gewaltfrei ist. So wie es auch die Boykott-Bewegung gegen die südafrikanische Apartheid-Regierung war. Mehr darüber in einem recht guten (und ausgewogenen, beide Seiten zu Wort kommen lassenden) Überblicksartikel in der Süddeutschen vom 19. Februar 2014 dem Titel: „Angst vor der Isolierung“.
Sönke Hundt

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Hier der Beitrag „Kleine Diskussion mit Hermann Kuhn (DIG)“ vom 8. Juni 2016

In einer e-mail (v. 6. Juni 2016) bittet Hermann Kuhn, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Bremen, um die Korrektur einiger „Falschmeldungen“ in meinem Bericht über die Veranstaltung mit dem Titel „Zur Kritik Bremer Zustände. Israel-Obsessionen am Beispiel Arn Strohmeyer“. Der Bitte kommt die Redaktion gern nach, zumal dankenswerterweise Kuhn auch sein Redemanuskript (nachzulesen hier) zur Verfügung stellt.

  •  Es ist richtig, dass der Veranstalter an dem Abend die antideutsche Gruppe „Aktion Zaungast“ war. Die DIG war Gast und Kuhn entsprechend der Gastredner.
  • Es ist auch richtig, dass Kuhn in der Diskussion gesagt hat, dass es in Bremen mit dem Nahost-Forum und den BDS-Aktivitäten eine Gruppe besonders lauter und aktiver Israel-Kritiker gäbe.

Schwierig mit einer Korrektur wird es bei dem folgenden Satz. Ich hatte geschrieben: „Fehler in der Wiedergabe der historischen Fakten [bei Strohmeyer] konnte er [Kuhn] nicht entdecken“). Kuhn findet diesen Satz haarsträubend, weil er doch in seinem Referat in zehn Punkten gerade Strohmeyer viele „Fehler“ nachgewiesen habe.

Nun ist es bekanntlich nicht so einfach festzustellen, was „Fehler“ und was „Fakten“ sind. Und ob Kuhn über die „Fakten“ verfügt und Strohmeyer die „Fehler“ macht.  Ob z.B. Palästina vor dem Beginn der jüdischen Einwanderung im 19. Jahrhundert schon voll bewohnt war (wie Strohmeyer schreibt), oder ein leeres Land war mit Wüsten und Sümpfen (wie es das zionistische Narrativ behauptet), ist kein einfaches „Faktum“, sondern ein großer Streitpunkt unter Historikern. Ebenso kontrovers wird die Frage diskutiert, ob Israels Schicksal im 1948er Krieg tatsächlich „am seidenen Faden“ hing (wie Kuhn und viele andere schreiben) oder ob der Krieg zum Zweck der Landnahme und Vertreibung der Palästinenser ausgenutzt wurde (wie es von den „neuen Historikern“ behauptet wird). Schließlich der „Plan Dalet“. Hier liegt die Kontroverse offen zu Tage und kann gut nachvollzogen werden. Für Benny Morris, der von Kuhn bevorzugte israelische Historiker, dienten die Vertreibungen und Zerstörungen im Zusammenhang mit dem „Plan D“ ausschließlich militärischen Zwecken. Für Ilan Pappe war das eigentliche Ziel des „Plans D“ schlimmer, nämlich die „ethnische Säuberung“. Morris rechtfertigt die Geschehnisse („Für ein Omelett müssen Eier zerbrochen werden“), Pappe kritisiert sie als moralisch und völkerrechtlich unmöglich.

Allerdings: die Vertreibungen und Zerstörungen („Nakba“) sind für beide Autoren nicht strittig, und war es auch für Kuhn nicht. Er bezog sich vielmehr explizit in seinem Vortrag auf die Ergebnisse der „neuen Historiker“. Und das galt es festzuhalten, weil diese Sichtweise in Israel alles andere als selbstverständlich ist.

Lange Rede kurzer Sinn: die „Fakten“, die Kuhn aufzählt, sind keine einfachen „Tatsachen“, sondern Gegenstand von in der Geschichtswissenschaft teilweise sehr kontroversen Debatten. Was die Wahrheit ist, kann nur in Diskussionen herausgefunden werden, die idealerweise frei und ohne Pressionen ablaufen sollten, was im Prinzip seit dem Zeitalter der europäischen Aufklärung im 17. und 18. Jahrundert unstrittig ist.

Dieses Ideal ist aber häufig nicht die Wirklichkeit. Auch in Bremen nicht. Im Sinne einer notwendigen und freien Diskussion gerade auch über die Probleme im Nahen Osten ist es völlig unverständlich, dass die DIG in der jüngsten Vergangenheit in Bremen wiederholt und massiv interveniert hat, damit dem Nahost-Forum oder dem AK Nahost Räume für ihre Veranstaltungen nicht zur Verfügung gestellt werden.  Z. B. in den Weserterrassen (wir berichteten), im Überseemuseum oder im Wallsaal der Zentralbibliothek (wir berichteten) anlässlich der Nakba-Ausstellung. Allerdings waren die Verantwortlichen bislang nicht bereit, diesem Druck, dem sich dann meistens noch die Jüdische Gemeinde in Bremen anschloss, nachzugeben.
Sönke Hundt

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