Rezension über zwei neue Bücher von Karin Leukefeld

  • Karin Leukefeld, Syrien zwischen Schatten und Licht, Menschen erzählen von ihrem zerrissenen Land, 2016, Rotpunktverlag, Zürich
  • Karin Leukefeld, Flächenbrand, Syrien, Irak, die arabische Welt und der islamische Staat, 2015, papyrossa, Köln

Karin Leukefeld ist eine ruhige Erzählerin, nicht sensationsheischend, authentisch. Sie beschreibt, was sie selbst gesehen, gehört und erfahren hat. Sie stellt dar, was sie gründlich recherchiert hat, aus allen Perspektiven aller Beteiligten abgewogen hat.

Daher fällt es vielen LeserInnen nicht leicht, ihr Buch „Flächenbrand, …“ zu lesen. Die diffizilen Zusammenhänge, die Geschichte der verschiedenen beteiligten Nationen am Krieg in Syrien, von den Nachbarn über die anderen regionalen Mächte bis hin zu den Großmächten der Welt, fügt Leukefeld zu einem Bild zusammen, das Erklärungen gibt, jedoch nie ohne alle möglichen Aspekte dabei einbezogen zu haben. Beginnend mit der Lage in Syrien und der Entwicklung dorthin, folgt ein Kapitel, das den Nachbarnationen (die der Reihe nach in eigenen Abschnitten behandelt werden) gewidmet ist und endet mit dem Erklärungszusammenhang, der die Bezeichnung „Flächenbrand“ beweist.

Wer keine Ahnung vom Thema hat oder nur die aktuelle Medienberichterstattung kennt, ist überwältigt, fühlt sich schnell überfordert und gibt möglicherweise auf, weil sich zu bestätigen scheint, was man vorher schon an Eindruck hatte: „Das ist alles viel zu kompliziert und das hört nie auf.“ Oder weil es erhöhter Konzentration bedürfte, sich durch dieses Buch durchzuarbeiten.

„Syrien zwischen Schatten und Licht“ ist für solche LeserInnen geschrieben. In 7 Zeitabschnitten stellt Karin Leukefeld die Geschichte Syriens von 1916 bis 2016 dar, die ganze Komplexität, aber das Ordnungsschema ist nicht horizontal (die verschiedenen beteiligten Länder) sondern vertikal. Die Geschehnisse ergeben einen Kausalzusammenhang. Eine Zeittafel am Ende hilft notfalls den roten Faden nicht zu verlieren, ebenso Begriffserklärungen.

Wem auch diese sachliche Darstellung – aufgrund der Dichte von verarbeiteten Fakten vielleicht – immer noch zu kompliziert ist, kann sie schlicht auslassen, gar nicht lesen. Jedem Zeitabschnitt wird eine Darstellung von Personen nachgestellt, deren Lebenserfahrung diese Zeit in Person wiederspiegelt. Es sind Menschen, die Karin Leukefeld persönlich kennengelernt hat und liebevoll porträtiert. Deren Leben verwebt sie mit Informationen aus den historischen Vorgängen zu der jeweiligen Zeit. Es tut gut wahrzunehmen, wie historische Geschehnisse das Leben einzelner prägt, wie diese Menschen sich aber dennoch ihre Entscheidungsfreiheit nicht nehmen lassen und ihr Leben gemäß ihren Haltungen und Wertevorstellungen sowie persönlichen Lebensträumen selbst bestimmen und gestalten.

Ich persönlich fand die fünf jungen Menschen (etwa 26 bis 32 Jahre alt), denen Karin Leukefeld vor und während des Krieges immer wieder begegnet, am eindrucksvollsten. Der eine zieht konsequent Hilfe für Inlandsflüchtlinge durch, ein Palästinenser muss sich mit Hunderttausenden aus dem Flüchtlingslager Yarmuk an einem einzigen Tag retten und wagt schließlich die Flucht nach Europa. Eine weitere feiert eine fröhliche Hochzeit inmitten des Kriegsgeschehens.

Alle diese Menschen eint der Glaube daran, dass Syrien eins bleiben muss und dass Syrien nicht von Religion und verschieden nationalen Zugehörigkeiten gespalten wird. Die SyrerInnen führen keinen Bürgerkrieg. Syrien wird zerrissen.
Helga Merkelbach

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