Große Kundgebung gegen die Todesurteile in Ägypten

Die Verhältnisse in Ägypten sind aus den hiesigen Medien fast vollständig verschwunden. Deshalb hatten die wichtigsten islamischen Organisationen in Bremen, die Schura Bremen als Dachverband der islamischen Religionsgemeinschaften, das „Netzwerk für Frieden“, die „islamische Konföderation“ und die Vereine der DITIB (die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) am 16. Mai 2014 um 16.30 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz aufgerufen. Ungefähr 800 Menschen, davon die meisten Muslime waren dem Aufruf gefolgt. Viele hatten sich im Halbkreis vor dem Rednerpult in weißen Umhängen, der Farbe der Trauer, aufgestellt. Auf Schildern waren die Namen der zum Tode verurteilten oder von der Polizei oder dem Militär schon umgebrachten Menschen in Ägypten zu lesen.

Im April waren im jüngsten Massenprozess 683 vorwiegend Anhänger der Muslimbrüderschaft zum Tode verteilt worden. Im März hatte schon ein ähnlicher Prozess mit 529 Todesurteilen stattgefunden. Nach internationalen Protesten wurden die meisten Urteile in lebenslange Haft umgewandelt. Zehntausende sind verhaftet und werden in menschenunwürdigen Gefängnissen eingesperrt.

Mehrere Redner griffen die derzeit in Ägypten herrschenden Militärs scharf an. „Der arabische Frühling“, so hieß es im Aufruf für die Bremer Kundgebung, „hat nur kurz in Ägypten innegehalten und sich schnell wieder verabschiedet.“ Auf den vielen Schildern auf der Kundgebung war zu lesen: „Militärputsch-Diktatur. Menschenrechte? Keine Spur!“, „Wir fordern vom Westen eine klare Stellungnahme und weiträumige Sanktionen gegen Sisit“, „Das Volk entscheidet selbst und nicht der Westen“!

Unter den Rednern war auch der „Bio“-Deutsche Arn Strohmeyer und sprach den Teilnehmern der Kundgebung seine Solidarität aus. Es hätte die große Hoffnung im „arabischen Frühling“ gegeben, dass sich die Zustände in dem größen und wichtigsten arabischen Land zum Besseren wenden würden. Und dass im Land am Nil eine Demokratie entstehen sollte, in der die Menschenrechte und vor allem soziale Gerechtigkeit verwirklicht werden könnte. Die ersten freien Wahlen“, so Arn Strohmeyer, hätten Mohammed Mursi von den Muslimbrüdern an die Macht gebracht. Sie wären seit langem eine starke politische Kraft. Die Regierung Mursi hätte sicher Fehler gemacht und vielleicht die Interessen aller Ägypter nicht hinlänglich berücksichtigt. „Die Hoffnung des arabischen Frühlings auf Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit wurden“, so Arn Strohmeyer, „unter Panzerketten zermalmt. Statt des arabischen Frühlings gibt es nun einen arabischen Winter.“ Die ganze Rede von Arn Strohmeyer hier.

Die stark religiöse Ausrichtung der Kundgebung und das Lob von einigen Rednern für die Muslimbrüder und ihren jetzt inhaftierten Expräsidenten Mohammed Mursi gefielen längst nicht allen Zuhörern auf dem Marktplatz. Auch wenn jetzt die Militärs eine zutiefst undemokratische Diktatur errichtet hätten, dürfe man nicht vergessen, dass es während der kurzen Regierung Mursis nicht gerade tolerant zugegangen sei, und dass andere Religionen, z.B. die islamischen Schiiten und die christlichen Kopten unter starken Ausschreitungen zu leiden hatten, ohne dass die Regierung eingegriffen hätte.
Sönke Hundt

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