Konferenz zu Palästina und Israel setzt sich mit deutscher Nahostpolitik auseinander. Zweistaatenlösung in weite Ferne gerückt

Von Karin Leukefeld. Auf einem Kongress des »Deutschen Koordinationskreises Palästina Israel« (Kopi) soll am Wochenende in Berlin die Israelpolitik der Bundesregierung unter der Überschrift »Behindert die deutsche ›Staatsräson‹ den Frieden in Israel/Palästina?« auf den Prüfstand gestellt werden. Die Frage ist heikel, denn der Begriff der »Staatsräson« wird von Bundeskanzleramt und Bundesregierung immer wieder angeführt, um kritische Fragen zur deutschen Nahostpolitik abzuwehren. In Politik und Medien ist er zum Schlüsselbegriff der deutschen Politik in Nahost geworden. Inzwischen gehören dazu auch Rede-, Lehr- und Schreibverbote für Kritiker der israelischen Politik.

Die Doktrin wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündet, als sie als erste deutsche Staatschefin vor der Knesset, dem israelischen Parlament, sprach. Anlass ihrer Reise im März 2008 war der 60. Gründungstag des Staates Israel. Sie sei in »historischer Mission« unterwegs, hieß es im Spiegel (16.3.2008), israelische Medien bezeichneten die Rede als »Meilenstein«. Acht Minister waren mit Merkel gereist, hinzu kamen Vertreter der deutschen Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft. Die hochkarätige Delegation sollte »die oft beschworenen besonderen Beziehungen der beiden Staaten 60 Jahre nach der Staatsgründung noch einmal stärken«, so der Spiegel damals. Dazu gehören seitdem auch jährlich stattfindende bilaterale Treffen der deutschen und der israelischen Regierung.

Eingebunden in den Begriff der »Staatsräson« formulierte Merkel damals weitergehende Ziele deutscher Außenpolitik in der Region: Nicht die Welt müsse beweisen, dass der Iran die Atombombe baue, sondern der »Iran muss die Welt überzeugen, dass er die Atombombe nicht will«. Sollte der Iran in diesem Sinne nicht »einlenken«, werde die Bundesregierung sich »entschieden für Sanktionen einsetzen«. Auch Syrien, der Libanon und die Palästinenser wurden in der Rede erwähnt. Deutschland trete »entschieden für die Vision von zwei Staaten in sicheren Grenzen und Frieden ein«, sagte Merkel. »Für das jüdische Volk in Israel und das palästinensische in Palästina.«
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Elf Jahre nach der Mission Angela Merkels hat der israelische Staat seine Besatzungs- und Repressionspolitik gegenüber den Palästinensern deutlich verschärft. Die US-Außenpolitik, 2008 noch vermittelnd für eine Zweistaatenlösung, ergreift heute ausschließlich für Israel Partei. Die USA ignorieren völkerrechtlich bindende UN-Sicherheitsratsresolutionen zu den von Israel 1967 besetzten Gebieten im Westjordanland, Jerusalem und den syrischen Golanhöhen. Israel habe das Recht, die Golanhöhen zu annektieren und seine Hauptstadt in Jerusalem zu errichten, erklärten US-Präsident Donald Trump und Außenminister Michael Pompeo.

Der von Jared Kushner ausgearbeitete »Jahrhundertplan« für Frieden in Nahost sieht vor, dass die jüdischen Siedlungen im Westjordanland dem israelischen Staat einverleibt werden sollen und Israel die Kontrolle über das Jordantal übernimmt. Am gestrigen Dienstag – nach jW-Redaktionsschluss – wollte US-Präsident Donald Trump den Plan in Washington vorstellen, dazu wurden der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu und sein möglicher Nachfolger Benjamin »Benny« Gantz ins Weiße Haus eingeladen. Nicht eingeladen wurden die Palästinenser, sagte die Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, im Interview mit dem WDR am Montag. Seit zwei Jahren gebe es keine Beziehungen mehr zwischen den USA und der Autonomiebehörde. Das PLO-Büro in Washington war im September 2018 auf Anordnung der US-Regierung geschlossen worden, der PLO-Vertreter musste ausreisen. Anlass für die Maßnahme sei gewesen, dass die Palästinenser sich – so das Weiße Haus – »nicht für den Frieden mit Israel« engagierten. Gleichzeitig stellte die US-Administration ihre Zahlungen an das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge ein. Zu viele Personen würden als Flüchtlinge anerkannt, die UNRWA sei »hoffnungslos fehlerbehaftet«. Benjamin Netanjahu hatte wiederholt die Auflösung des Hilfswerks gefordert. Deutschland kündigte schließlich eine Aufstockung der Zahlungen an die UNRWA an.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): Junge Welt v. 29.01.2020

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