Über 7000 Menschen versammelten sich am Sonnabend, 26. Juli 2014, auf dem zentralen Rabin Square in Tel-Aviv zur bisher größten Friedensdemonstration. Sie war organisiert von der linken Partei Hadash und wurde unterstützt von den Organisationen „Combatants for Peace“ und „The Parents Circle Families Forum“. Nur wenige Stunden vor Beginn der Kundgebung hatte die Polizei noch angekündigt, dass die Veranstaltung wegen Raketenbeschuss verboten werden müsste. Aber als gestern die Verlängerung des Waffenstillstands bekannt wurde, wurde grünes Licht gegeben.
Wie „Ha’aretz“ heute (27.07.2014) berichtet, forderten die Demonstranten eine sofortige Beendigung der Kämpfe und den sofortigen Beginn von Friedensverhandlungen. In einer Ecke des Rabin Sqare wurden Bilder von den gefallenen IDF-Soldaten und den getöteten Bewohnern von Gaza aufgestellt und Kerzen entzündet.
Auf der Kundgebung sprachen der Reservist Capt. Assaf Ya’akobovich und Salim Tabib von Ramallah. Beide sind aktiv in einer Organisation, die nach Wegen für eine friedliche Lösung des Israel-Palästina-Konflikts sucht. Sie forderten für beide Seiten einen sofortigen Waffenstillstand. Dov Khenin, als Abgeordneter für Hadash in der Knesset, forderte die Netanjahu-Regierung auf, die Einheitsregierung von Präsident Mahmoud Abbas sofort anzuerkennen und zu unterstützen.
Es gab auch eine kleine Gruppe von Gegendemonstranten. Der Polizei war zunächst darin erfolgreich, die Gruppen zu trennen. Am späten Abend gelang es aber den rechten Demonstranten, die Absperrung der Polizei zu durchbrechen und die Ibn Gevirol Street, eine der Hauptstraßen Tel-Avivs, zu blockieren. Vier der Gegendemonstranten wurden verhaftet.
Von Gush Shalom erhielt die Redaktion weitere Informationen von der Internet-Plattorm „The Leftern Wall“ („Leftist Politics, Poetry, Prattle and Praxis from Israel-Palstine“). Die Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten wären nach der Kundgebung im Norden von Tel-Aviv weitergegangen. Eine Gruppe von rechten Demonstranten hatte sich schon während der Reden auf dem Platz aufs Höchste erregt und gebrüllt: „Verräter!“ und „Tod den Arabern und den Linken“ („Death to Arabs and Leftists“) Und: „You all get fucked in the ass!“. „Eben das übliche“, so ein Augenzeuge. Auf dem Weg nach Hause sei eine Gruppe plötzlich von rechten Gegendemonstranten unter Gebrüll und Geschrei und mit Fahnenstangen, Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen worden. Ob es Demonstranten oder Polizisten in Zivil war, wäre unklar geblieben. Später sei die Gruppe ein weiteres Mal von ungefähr sechs Jugendlichen angegriffen worden, die Kippahs trugen und offenbar Mizrahi-Juden, die aus dem mittleren Osten stammen, waren. Hier wäre ein Konflikt mit einem durchaus rassistischem Hintergrund aufgebrochen. Viele der Linken stammten nämlich eher aus dem (weißen) Ashkenasi-Milieu, und viele der Rechten aus dem Mizrahi-Milieu.
Wie weit der alltägliche Rassismus in der israelischen Gesellschaft, nicht nur von Juden gegenüber Arabern, sondern auch innerhalb der jüdischen Israelis, inzwischen gediehen ist, wird weiter in dem Bericht geschildert. Eine Linke, als solche deutlich erkennbar, aber marokkanischer Abstammung, hätte zunächst für große Verwirrung auf beiden Seiten gesorgt. Aber schon nach kurzer Zeit wäre das Geschrei und Gebrüll bei den Rechten losgegangen: “You all get fucked in the ass!” “Fuck you all!” “We should kill you, traitors.”
Wir, die Linken und die LINKEN in Deutschland, sollten uns mehr um die immer härter werdenden Auseinandersetzungen und die zunehmende Radikalisierung der Rechten innerhalb der israelischen Gesellschaft kümmern, und uns hier eindeutig auf die Seite der israelischen Linken schlagen. Diese Demonstration in Tel-Aviv ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Linke und die Friedensbewegung in Israel wieder stärker werden.
Sönke Hundt