Erfolgreiche »Nakba«-Ausstellung – eine Zwischenbilanz

Veranstaltungen zur Vertreibung der Palästinenser 1948 in Bremen wegen Überfüllung zeitweise geschlossen

In mehreren Veranstaltungen in verschiedenen großen Sälen der Stadt zeigte sich, wie groß das Interesse in Bremen für die Thematik »Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948« ist. In die Ausstellung mit diesem Titel kamen bis jetzt über 650 Besucher. Sie ist noch bis zum 17. März zu sehen. Bei der Eröffnungsveranstaltung am 18. Februar mussten die Türen des Wall-Saales der Zentralbibliothek vorzeitig und gegen lauten Protest geschlossen werden – so groß war der Andrang. Barbara Lison, die Direktorin der Zentralbibliothek, wandte sich als Gastgeberin an die Besucher. Sie erzählte von den Versuchen seitens der jüdischen Gemeinde und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), die Ausstellung zu verhindern und erhielt großen Beifall dafür, dass sie dem Druck standgehalten hatte. Die palästinensische Botschafterin, Dr. Khouloud Daibes, war aus Berlin gekommen und hielt eine bewegende Rede. Im regionalen Fernsehen von Radio Bremen kam dann ein Affront gegen die Botschafterin zur Sprache. Tatsächlich waren weder der Bürgermeister Jens Böhrnsen noch der Bürgerschaftspräsident Christian Weber zu einer Begrüßung der Botschafterin bereit gewesen, sondern hatten dringende Sitzungstermine als Ablehnungsgrund genannt. Khouloud Daibes fragte bitter: »Warum ist es so schwer, in Deutschland diese Diskussion zu führen? Gerade in Bremen, einer offenen und demokratischen Metropole, sollte das einfach sein.«

Wieder völlig überfüllt war die Veranstaltung mit dem israelischen Historiker Prof. Ilan Pappe, bekannt geworden durch sein Buch »Die ethnische Säuberung Palästinas«. In einer ungemein freundlichen und verbindlichen Weise entwickelte er seine zentrale These, die allein eine schlüssige Erklärung zum Verständnis des schon Jahrzehnte dauernden Konflikts liefern könne. Die zionistischen Führer Israels hätten von Anfang an ein Projekt verfolgt, das in der langen und längst überwunden geglaubten Tradition des europäischen Kolonialismus stünde, der in Nord- und Südamerika ebenso wie in Afrika, Australien und Neuseeland seine verheerenden Spuren hinterlassen habe. Zum Projekt des »Siedlerkolonialismus« in Israel gehöre die Vertreibung oder sogar Ausrottung (Genocide) der ursprünglichen Bewohner des Landes. In der langen Diskussion wurde der Referent des Abends gefragt, wie denn seine »Roadmap« zum Frieden im Nahen Osten aussähe. Diese Vokabel würde er ungern benutzen, so Pappe. Aber er hätte statt dessen eine »Vision« zur Lösung der Probleme anzubieten, dass nämlich Israel sich zu einem multiethnischen, multikulturellen und vor allem demokratischen Staat mit gleichen Rechten für alle seine Bürger entwickle. Aber dafür, meinte er freundlich lächelnd, wäre wohl ein »Regime change«, wie er jetzt in so manchem anderen Staat im Nahen Osten so in Mode gekommen sei, notwendig.

Am Mittwoch dieser Woche fand dann wieder im Wall-Saal der Zentralbibliothek die Podiumsdiskussion statt, auf die sich die Veranstalter der Ausstellung in der Auseinandersetzung mit der DIG eingelassen hatten. Schon weil von der DIG als Diskutanten zwei ausgesprochene Hardliner (der Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Dr. Hermann Kuhn, und der Publizist Jörg Rensmann) auf dem Podium saßen und bedingungslos die Politik Israels verteidigten bzw. verharmlosten, konnte dies nicht funktionieren. Auf die eher nachdenklichen und informativen Ausführungen der israelisch-deutschen Historikerin Dr. Tamar Amar-Dahl und des Wirtschaftsarabisten Prof. Dr. Alexander Flores gingen sie kaum ein. »Podiumsdiskussionen sind völlig sinnlos, wenn es nur zur Konfrontation von vorher bekannten Positionen kommen kann«, so der Kommentar von Arno Hopp, einem der Organisatoren der Ausstellung vom Verein »Flüchtlingskinder im Libanon«. Und das hätte man vorher wissen können.
Sönke Hundt

http://www.nahost-forum-bremen.de

Quelle: junge Welt v. 06.03.15

Korrektur: Arno Hopp ist Mitglied des Nakba-Arbeitskreises und des Nahost-Forums Bremen – und nicht des Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon“. (S.H.)

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