Omri Boehm ist einer der bedeutendsten neueren israelischen Forscher und Philosophen. Er besitzt die deutsche und die israelische Staatsbürgerschaft, wurde in Haifa (Israel) geboren, hat in München und Berlin geforscht und lebt heute in den USA , wo er und eine Professur für Philosophie an der New School for Social Research inne hat. Eva Illouz schrieb über ihn, „sein Blick verfügt über die Schärfe des Fremden und das Mitgefühl des Zugehörigen. Dieser Doppelcharakter verleiht seiner Position ungewöhnliche moralische Kraft und gedankliche Klarheit.“
Omri Boehm plädiert dafür, angesichts der nicht nur aus seiner Sicht gescheiterten Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina über eine aktuell eher unwahrscheinliche Variante der Einstaatlichkeit nachzudenken und entwirft die Vision eines ethnisch neutralen Staates, der seinen nationalen Gründungsmythos überwindet und so eine Zukunft fände, in der die Menschenrechte für alle Bürger_innen gelten und gleiche demokratische Grundrechte realisiert werden. Allerdings formuliert Boehm seien Vision nicht ohne einen kritischen Blick auf die aktuelle Realität sowohl in Israel wie auch der deutschen gesellschaftlichen Diskurse über einen entgrenzten Antisemitismusbegriff und daraus folgenden Versuchen, kritische Dialoge zu verunglimpfen. Für ihn ist der „letztliche Sieg der Demokratie keine Frage der Natur oder der Geschichte und aus diesem Grunde nicht zwangsläufig.“ Da er nur „durch öffentliches politisches Handeln“ erreicht werden kann, sei er deshalb auch „alles andere als gesichert.“ Darum sei es in der aktuellen Debatte auch besonders wichtig, „sich der Tendenz zu widersetzen, Israel als einen gleichsam der Kritik enthobenen Staat zu behandeln.“
Da die momentane Entwicklung in Israel leider nicht der Kontext ist, in dem der Fortschritt sicher ist und ein demokratischer Humanismus nicht erkennbar wird, käme es darauf an, dass sich „politisches Handeln in einem Kontext“ abspielt, „in dem die öffentliche Diskussion über die Kraft verfügt, (sich) gegen Barbarei zu immunisieren.“ Er resümiert, dass über „Israels Gegenwart und Zukunft nachzudenken wohl oder übel zu einem unabdingbaren Teil unseren gemeinsamen Lebens“ gehört. Deutsche müssten sich schmerzhafte Fragen stellen und sich der „einzigen relevanten und bislang politisch unbeantworteten Frage“ stellen. Wie nämlich Israel unterstützt werden kann, „ohne sich auf die obsolete Zweistaatenlösung zurückzuziehen und ohne das israelische Drängen auf einen ethnischen Nationalismus gutzuheißen.“
Detlef Griesche