Friedliche Kundgebung in Berlin am 18. Oktober 2024 – die Rede von Nazih Musharbash

Am 18. Oktober haben mehr als 30 propalästinensische Solidaritätsgruppen zu einer friedlichen Kundgebung in Berlin aufgerufen. Wegen des Besuches von US-Präsident Joe Biden wurde die Kundgebung, die ursprünglich vor dem Bundeskanzleramt stattfinden sollte, auf den Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof verlegt. Übereinstimmend berichteten die Medien darüber, dass diese Kundgebung ohne Störungen und bis zum Ende friedlich durchgeführt werden konnte.

DPG-Präsident Nazih Musharbash hat uns auf der Kundgebung vertreten und folgende Rede dort gehalten. Die Reaktion darauf kann auf dem Videofilm ab 1:30:40 verfolgt werden https://gerechter-frieden.org/livestream/

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens in Palästina und in Israel!
Liebe Freundinnen und Freunde gegen Krieg und Gewalt!
Immer wieder werden wir von den Medien gefragt, warum es zu wenige palästinensische Stimmen gibt, die sich zu ihrer eigenen Situation und Betroffenheit in Deutschland und in der Heimat äußern. Dass diese friedlichen Stimmen verstummt sind und sich nicht mehr trauen, öffentlich ihre Trauer, Wut und ihr Misstrauen mitzuteilen, hat mehrere Gründe. Einer davon ist die in Deutschland kaum vorhandene Empathie Palästinensern, Arabern und Muslimen gegenüber.

Dass hier in Deutschland lebende Palästinenserinnen und Palästinenser, Arabischstämmige und Muslime von höchster Stelle, und ausgerechnet vom Bundespräsidenten selbst, gleich nach dem 7. Oktober 2023 aufgefordert wurden, sich von der Hamas und vom Antisemitismus zu distanzieren, zeigt doch, dass er uns in der Nähe von Hamas und Antisemitismus verortet hat. Hat er alle Deutschen, Deutschsprachigen und alle Christen aufgefordert, sich von NSU und von Diskriminierung zu distanzieren? Nein! Sein Generalverdacht ist politisch und gesellschaftlich schädlich, zutiefst beleidigend und verletzend. Er beeinträchtigt den sozialen Frieden in diesem Land, er spaltet die Menschen in gute und böse Gruppen und führt dazu, dass viele Menschen ihr Vertrauen in Politik und Demokratie verlieren. Die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Community steht nicht in der Nähe von Hamas und hegt keinen Antisemitismus. Sie kritisiert und verurteilt die Kriegsführung der israelischen Regierung, und dafür bietet Israel genug Anlass.

Israelkritik ist nicht antijüdisch und folglich nicht antisemitisch!
Palästinenserinnen und Palästinenser kritisieren Israels Politik und seine Militärherrschaft in der Westbank und seine brutale Kriegsführung, nicht weil es sich um Juden handelt, sondern, weil Israel ihr Land besetzt hält und noch viel mehr davon beansprucht, und weil sie zu viel Angst und Elend erfahren.

Palästinenser haben sich schließlich ihre Besatzer nicht selbst ausgesucht, sie sind ihnen von Europäern und infolge des Holocaust auch von Deutschland aufgezwungen worden. Wenn ihre Besatzer Türken oder Griechen gewesen wären, so würden die Palästinenser nicht gegen die jüdische Vorherrschaft, sondern gegen muslimische Türken oder christliche Griechen rebellieren und Widerstand leisten. In vielen Stellungnahmen habe ich im Namen der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft unzweideutig den Angriff der Hamas auf Israel scharf kritisiert und den 7. Oktober als einen schlimmen Tag bezeichnet, aus dem man lernen sollte, dass er nicht wiederholt wird. Der 7. Oktober ist eine katastrophale Station, jedoch niemals die Ursache für das eigentliche Problem zwischen Israel und den Palästinensern. Die Ursache des Problems liegt in der Besatzung der Westbank, in der hermetischen Abriegelung des Gazastreifens seit vielen Jahren und in der Verweigerung Israels, überhaupt einen Frieden mit den Palästinensern einleiten zu wollen, und schließlich in der Duldung und Vernachlässigung der internationalen Weltgemeinschaft und Deutschlands.

Erschwerend hinzu kommt die Instrumentalisierung und der Missbrauch der Religionen auf beiden Seiten. Die rechtsgerichtet und von fundamental-religiösen Juden geleitete israelische Regierung besteht auf Beschlagnahmung des ganzen Landes, auf die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung und bezieht sich dabei auf Gott, der so rassistisch und menschenfeindlich nicht sein kann. Er wird zum Makler degradiert. Auf der anderen Seite vertritt die islamistische Hamas nicht die friedfertige islamische Religion.

Deshalb verurteilen wir die Instrumentalisierung der Religionen, sowohl von Hamas als auch von Ben Gvir und Smotrich und übrigens auch von den amerikanischen zionistischen Christen, auf das Allerschärfste. Unsere Kundgebung soll zeigen, dass wir durchaus friedlich demonstrieren können. Wir wollen nichts mit den Trittbrettfahrern, den rechtsradikalen Deutschen, radikalen Islamisten oder Mitgliedern verbotener Organisationen zu tun haben. Ihre auffälligen Parolen und Rufe beeinträchtigen die friedfertigen propalästinensischen Kundgebungen und schaden ohnehin der palästinensischen Sache.

Unser Anliegen ist sehr klar:
Wir setzen uns ein für den Einhalt des Universalen Völkerrechts, welches wir von der Bundesregierung fordern, und für die Beendigung der erdrückenden Besatzung. Zudem gilt unsere Kritik der verheerenden deutschen Nahostpolitik, die die israelische Kriegsführung und Zerstörungswut unterstützt. Dass wir dagegen protestieren, ist weder judenfeindlich noch antisemitisch, es ist sogar unsere Pflicht als betroffene Menschen und mündige Bürger.

Heute gedenken wir aller Toten auf beiden Seiten und fordern ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzung. Ein einziger Toter ist einer zu viel. Schluss mit dem Töten. Schluss mit Gewalt und Krieg. Krieg und Gewalt, Terror und Staatsterror, Vertreibung und Zerstörung sind keine geeigneten Mittel zur Lösung von politischen Problemen. Wir sehen nur in der Beendigung der israelischen Besatzung und der Respektierung des palästinensischen Selbstbestimmungsrechts den eigentlichen Schlüssel zu einem umfassend gerechten Frieden.

Weitere Reden
• Sami Atimipour, Aktivist, Autor, Referent
• Dr. Julia Duchrow, Generalsekretärin, Amnesty International Deutschland
• Deborah Feldman, Autorin
• Dr. Alma Itzhaky, Künstlerin und Wissenschaftlerin, Israelis für Frieden
• Jules El-Khatib, Autor
• Nazih Musharbash, Präsident, Deutsch-Palästinensische Gesellschaft
• Yuli Novak, Direktorin, B’Tselem (Audio-Beitrag)
• Anja Osterhaus, Geschäftsführerin, Reporter ohne Grenzen
• Riad Othman, Nahostreferent, medico international
• Aida Touma-Suleiman, Abgeordnete der Knesset, Chadash-Partei
• Naz Al-Windi, Politikwissenschaftlerin und Aktivistin
• Dr. Bassam Zaqout, Arzt, Palestinian Medical Relief Society (Audio-Beitrag)

Aufrufende Organisationen
Amnesty International Deutschland • Arbeitskreis Palästina Brühl-Battir • Ärzte der Welt • Bielefelder Nahost-Initiative • Bundesweite Arbeitsgruppe Globalisierung und Krieg • Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern • CARE Deutschland • Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen • Deutsch-Palästinensischer Frauenverein • Deutsch-Palästinensische Gesellschaft • Forum  InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Forum Ziviler Friedensdienst • Frauen wagen Frieden • Freunde von Sabeel Deutschland • Humanistische Union • IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht • INNA  Städtepartnerschaft Nablus/Nürnberg) • Internationale Liga für Menschenrechte • Internationaler Versöhnungsbund, Deutscher Zweig • Interventionistische Linke
Berlin • IPPNW Deutschland • Israelisches Komitee gegen Hauszerstörungen • Israelis für Frieden • Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland • Komitee für Grundrechte  und Demokratie • KURVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion • medico international • Netzwerk Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel in Deutschland • NRC Flüchtlingshilfe Deutschland • Palästina Initiative Region Hannover • Partnerschaftsverein Bonn-Ramallah • pax christi, Deutsche Sektion • Sea-Watch • Solidarität International • Terre des Hommes Deutschland • Weltfriedensdienst 

Quelle: 2Rundbrief II Oktober 2024 der DPG