Viele Musiker waren gekommen, um im Sendesaal Bremen die „Weltmusik für den Frieden“ zu singen und zu spielen: es traten auf das Jugend-Sinfonie-Orchester Bremen-Nord der Musikschule Bremen, der Chor „Sol-la-la“ (unter der Leitung von Christian Höffling) und eine Gruppe syrischer Musiker. Das Konzert war großartig, berührend. Martin Lentz, dem Dirigenten des Orchesters und Ideenentwickler dieses Abends der „Weltmusik“, gelang es, dass Musik aus vielen Ländern, aus dem Iran, aus Israel, aus Mazedonien, Armenien, Schweden, Israel, Syrien, Deutschland, aus dem Libanon, zum Klingen gebracht wurde. Die Texte der syrischen Lieder handelten von Liebe, Heimat, Flucht, Trauer und Abschied. Für die anderen Stücke konnten die Titel („Zena zena“, „Mastom mastom“, „Sto mi e milo“, „Die Gedanken sind frei“, „Yarem Gorani“, „Vem kann segla förutan vind? u.v.a.m“) dem, der sie verstand, einige Hinweise geben.
Die Sprache der Musik wäre, so der Dirigent in seiner kurzen Ansprache, universal, weswegen er auch nicht viele Worte machen wolle. Was etwas schade war, denn man hört und versteht ja doch mehr, wenn man etwas über die Hintergründe der Lieder und Musikstücke erfahrt. Martin Lentz erzählte dann aber doch, dass er einige Jahre als Leiter des Ausbildungsprogramms für die Barenboim-Said-Foundation in Ramallah (Palästina) gearbeitet habe. Dieser Stiftung, benannt nach dem Maestro Daniel Barenboim und dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said, war es in Ramallah in einem inzwischen weltbekannten Experiment gelungen, junge arabische und jüdische Musiker zusammen zu bringen: um zu zeigen, dass ein Frieden im Nahen Osten möglich ist und Jugendliche aus unterschiedlichen Kulturen sich verstehen können. Barenboim und seine Stiftung kämpfen seit Jahren gegen die hierzulande immer stärker werdende Geringschätzung der arabischen Kulturen. Früher war das anders, weswegen Barenboim mit der Namensgebung seines Orchesters („West-östliches Divan-Orchester“) an J. W. v. Goethe und an dessen Hochachtung dem Orient gegenüber erinnern will. Und an dessen bekanntes Gebet: „Gottes ist der Orient! Gottes ist der Occident! Nord- und südliches Gelände ruht im Frieden seiner Hände.“
Das Jugendsinfonieorchester aus Bremen-Nord war für den, der es nicht schon kannte, eine wirkliche Überraschung. Wie kann es gelingen, in den nicht gerade bildungsbürgerlichen Vierteln im Norden der Stadt mit Jugendlichen ein komplettes großes Orchester mit Streichern, Bläsern (Klarinette, Oboe, Fagott, Trompete, Horn, Querflöten) und sogar mit Pauke und Triangel zu bilden und einfach wunderschöne Musik zu machen? Martin Lentz ist da ein kleines Wunder gelungen – und das Publikum dankte immer wieder mit viel Beifall.
Die syrische Gruppe erhielt wohl die meiste Zustimmung. Die Solisten Youssef Nasif (Kanoun), Mevan (Buzuq), Batoul Jazbeh (Gesang) und Jehad Jazbeh spielten und sangen in einer für europäische Ohren etwas anderen Art, mit anderen Instrumenten, einem anderen Rhythmus und einer anderen Art der Tongebung. Sie verstanden es, die Menschen im Sendesaal zu verzaubern. Hinterher war im Cafe des Sendesaals noch Gelegenheit, etwas mehr über die Gruppe, die als „internationale Gäste“ im Programm angekündigt waren, zu erfahren. Die Musiker kennen sich aus Damaskus und Aleppo, wo sie Musik studiert haben. Jetzt leben sie in Deutschland (Bremen, Göttingen, Leipzig und Thüringen) und haben sich für dieses Konzert zum ersten Mal in Deutschland getroffen haben.
War das Konzert politisch? Udo Schapals und Arno Hopp vom Nahost-Forum Bremen war es gelungen, dieses Konzert in das Rahmenprogramm – wie die anderen Veranstaltungen im Kino City 46, im Überseemuseeum und im Wallsaal der Zentralbibliothek auch – für die Nakba-Ausstellung in Bremen zu integrieren. Unter den Chormitgliedern und den Jugendlichen des Orchester bzw. auch ihren Eltern hatte es durchaus Diskussionen darüber gegeben, die Nakba-Ausstellung in dieser Art zu unterstützen. Einigen konnten sich alle schnell darauf, dass Krieg niemals eine Lösung sein kann. Der Abend im vollen Sendesaal mit seiner wunderbaren Akustik war insofern eine gelungene Verbindung von Kunst und Kultur. Als das Orchester, der Chor und die syrischen Musiker zum Schluss gemeinsam auftraten, dankte das Publikum mit „standing ovations“.
Sönke Hundt