Israel unterstützt syrische Milizen, um eine Pufferzone vor den besetzten Golanhöhen zu schaffen. Von Knut Mellenthin

Die Frage ist scheinbar sorgenvoll: »Wird die Lage auf dem Golan Israel in den syrischen Bürgerkrieg hineinziehen?« hieß es am 25. Juni in der englischsprachigen israelischen Tageszeitung Jerusalem Post. Das Blatt ist ein Ableger der US-amerikanischen Neokonservativen. Es verwundert daher nicht, dass die Überschrift bewusst falsch formuliert war: In Wirklichkeit geht es darum, dass Israels Regierung und Militär immer umfangreicher und offensichtlicher in den Krieg einsteigen, der seit sechs Jahren in ihrem Nachbarland geführt wird.

Unmittelbarer Anlass des Artikels waren Israels Luftangriffe gegen syrische Regierungstruppen am Wochenende. Nach israelischen Angaben wurden dabei unter anderem zwei Panzer und eine Maschinengewehrstellung zerstört. Nach inoffiziellen Berichten aus Syrien wurden mehrere Soldaten getötet.

Die formale Begründung dieser Kriegshandlungen zeigt, dass Tel Aviv jeder Vorwand recht ist, um Damaskus zu schwächen – und damit das breite Spektrum seiner Gegner zu stärken. Am Sonnabend hatte im unbesetzten Westteil des Golan ein Artilleriegefecht zwischen syrischen Regierungstruppen und bewaffneten Gruppen stattgefunden. Dabei landeten angeblich zehn Granaten, anscheinend unbeabsichtigt, in dem Gebiet, das Israel seit dem Junikrieg 1967 besetzt hält und 1981 widerrechtlich annektierte. Welche Seite sie abgeschossen hatte, ist unbekannt. Es ist auch gleichgültig, da nicht einmal Israel in diesem Zusammenhang eine Angriffsabsicht unterstellt. Es gab zudem keine Verletzten und nicht einmal Sachschäden.
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Aber die erklärte israelische Politik ist, dass für alles, was aus Syrien kommt, die Regierung in Damaskus verantwortlich sei und »bestraft« werden müsse. Der zynische Akzent dieser Selbstrechtfertigung ist, dass Israel bewaffnete Gruppen unterstützt, die die syrische Regierung daran hindern, die volle Kontrolle auf ihrem Staatsterritorium auszuüben. Praktisch brauchen irgendwelche »Rebellen« nur einen Schuss über die Waffenstillstandslinie von 1967 – also nicht einmal auf international anerkanntes israelisches Gebiet – abzugeben, wenn sie in Jerusalem Luftunterstützung gegen die syrischen Regierungstruppen bestellen wollen. Israels Streitkräfte schlagen aber auch völlig ohne Vorwände zu. So im Januar 2015, als sie auf syrischem Gebiet mehrere Hisbollah-Kämpfer und einen iranischen Militärberater töteten.

Das Wall Street Journal – eine US-amerikanische Tageszeitung, die den Neocons nahesteht und große Sympathie für die israelische Politik zeigt – berichtete am 18. Juni, Israel versorge schon seit 2013 regierungsfeindliche Milizen in Südsyrien mit Geld, Benzin und Lebensmitteln. Dass verletzte »Rebellen« in israelischen Krankenhäusern behandelt werden, ist offiziell bekannt und wird als allgemeine humanitäre Dienstleistung erklärt. Das Wall Street Journal erwähnte unter Israels Schützlingen besonders eine Miliz namens Fursan Al-Dschulan, übersetzt »Ritter des Golan«. Dem Blatt zufolge subventioniert Tel Aviv diese etwa 400 Mann starke Hilfstruppe monatlich mit 5.000 US-Dollar. Weiter berichtete die Zeitung, dass Israel eine spezielle Armeeeinheit gebildet habe, die die Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppen in Syrien koordiniert.

Dass diese Informationen ausgerechnet in einem Blatt der Neocons erschienen, lässt darauf schließen, dass die politische und militärische Führung Israels an ihrer Verbreitung interessiert ist. Da die internationale Gemeinschaft bisher nicht protestiert hat, verstärkt sich anscheinend in Jerusalem die Meinung, es sei an der Zeit, sich offen zur Kooperation mit syrischen »Rebellen« zu bekennen.

Zum Ziel dieser Zusammenarbeit schrieb die Jerusalem Post am 25. Juni, Israel wolle auf syrischem Boden eine dauerhafte »Sicherheitszone« schaffen, um zu verhindern, dass »iranische und von Iran unterstützte Kräfte« in die Nähe der besetzten Golanhöhen gelangen können. Dabei zitierte das Blatt den früheren Direktor des Auslandsgeheimdienstes Mossad, Efraim Halevy.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 29.06.2017

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Ein Gedanke zu „

  1. Es ist bezeichnend, dass dieses so genannte „Nahost-Forum“ sich mit einem Krieg im Nahen Osten, der in wenigen Jahren über eine Viertel Million Araber das Leben gekostet hat, in dem ein Autokrat zum Erhalt seiner Macht etliche tausend Regimegegner zu Tode foltern ließ, die sich fotografisch dokumentiert ansehen könnte, wer denn Anteil daran nähme, erst in dem Moment beschäftigt, wo eine Nachricht auftaucht, dass die israelische Regierung möglicherweise eine 400 Mann starke regierungsfeindliche Miliz mit 5000 US-Dollar im Monat unterstützt. Was offenbar als das eigentliche Problem empfunden wird.

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