„Ist Kritik an den Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen des Staates Israel antisemitisch oder vielmehr notwendig?“ – Podiumsdiskussion in der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Bremen-Blumenthal

Ulrich Duchrow/Heidelberg am 3. April 2019 im Gespräch mit Dr. Widu Wittekindt und Dr. Bernd Moldenhauer, Mitglieder des Vorstands der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Bremen. In der Mitte der Moderator Arne Hilke.

Zur Vorgeschichte: Die ref. Gemeinde Blumenthal plante eine Veranstaltungsreihe zu Antisemitismus in Zusammenarbeit mit dem Ev. Bildungswerk der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) und der Landeszentrale für politische Bildung. Die Referent*innen waren eingeladen – plötzlich kam Protest: Professor Dr. theol. Ulrich Duchrow sei als Referent in der Vortragsreihe unerwünscht. Ihm sei Antisemitismus vorgeworfen worden. Das Ev. Bildungswerk zog die zugesagte Finanzierung daraufhin zurück.

Was war geschehen? Duchrows Aufsatz mit dem Titel „Palästina/Israel als Beispiel von kolonialistischem Kapitalismus“ aus dem Sammelband „Religionen für Gerechtigkeit in Palästina-Israel – jenseits von Luthers Feindbildern“ (hrsgg. von Ulrich Durchrow und Hans G. Ulrich, 2017 erschienen im Lit Verlag) hatte 2018 etwas verzögert in kirchlichen und weltlichen Medien zu einer regelrechten Verleumdungskampagne gegen den Theologen Duchrow mit dem Vorwurf des Antisemitismus geführt. (vgl. zu weiteren Informationen den Artikel bei Wikipedia)

Löblich, dass die Kirchengemeinde bei ihrer Einladung blieb, zwar außerhalb, aber in zeitlicher Nähe zur Antisemitismus-Veranstaltungsreihe. Dies wurde auch möglich, weil Duchrow auf eigene Kosten anreiste und auf Honorar verzichtete. Er sollte allerdings akzeptieren, nicht wie die anderen Referent*innen, den Abend alleine zu bestreiten, sondern er sollte Vertreter seiner Hauptkritiker, nämlich zwei Vorstandsmitgliedern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), auf dem Podium Rede und Antwort stehen. Für Duchrow kein Problem, im Gegenteil, wie er zu Beginn seines Vortrages sagte, sei es sein besonderes Anliegen, mit seinen Kritikern ins Gespräch zu kommen.

Duchrow referierte knapp, aber in klaren Worten den Inhalt des Buches und seines Aufsatzes und stellte sich dann den Fragen. Recht interessant war in diesem Zusammenhang, dass die Vertreter der DIG es explizit ablehnten, den Antisemitismus-Vorwurf gegen den Referenten zu wiederholen.

Die fast inquisitorisch vorgetragenen Fragen und Anmerkungen erfolgten allerdings entlang der sogenannten 3Ds (Definition von Antisemitismus als Dämonisierung, Doppelte Standards, Delegitimierung Israels). Duchrow legte dar, warum sich Theologen, Christen und Kirchen – wie seinerzeit gegen Apartheid – zu den Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen Israels öffentlich äußern und zum Widerstand aufrufen müssten. Israel begründe die Besatzung Palästinas und Landnahme (Kolonisierung) mit dem Alten Testament (AT) und missbrauche damit biblische Schriften für die Rechtfertigung von Unrecht. Das AT sei kein Grundbuch. Es gäbe nur eine gemeinsame Zukunft für beide, Israel und Palästina, oder keine – und die Zukunft müsse sich auf Recht und Gerechtigkeit gründen.

Die Zeit reichte nicht aus für eine wirklich tiefgehende Diskussion. Eine Antwort auf die Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen Israels blieben die Vertreter der DIG dem Referenten schuldig. Anschließend wurde durchaus kontrovers über die Sinnhaftigkeit dieser Art von Podiumsdiskussionen debattiert. Aber immerhin, der Konflikt über die Einladung und Ausgrenzung Duchrows hatte dazu geführt, dass die Kritiker des Theologen Ulrich Duchrow sich endlich einer öffentlichen Diskussion stellten. Danke an die ref. Kirchengemeinde Blumenthal!
Hildegard Lenz/ AK Nahost Bremen

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