In einem längeren Beitrag für die NachDenkSeiten v. 07.06.2025 analysiert Karin Leukefeld die Verhandlungen und Abstimmungen im Sicherheitsrat. Ihm lag ein Resolutionsentwurf vor, mit dem ein sofortiger und anhaltender Waffenstillstand für Gaza gefordert wurde. Eingebracht hatten den Entwurf die zehn nicht-ständigen Mitglieder Algerien, Dänemark, Griechenland, Guyana, Pakistan, Panama, Südkorea, Sierra Leone, Slovenien und Somalia. Vier der fünf ständigen SR-Mitglieder – China, Frankreich, Großbritannien, Russische Föderation – stimmten der Resolution zu. Die USA aber machten von ihrem Vetorecht Gebrauch und verhinderten einen Beschluss. Zum fünften Mal seit Beginn des Gaza-Krieges am 7. Oktober 2023.
Karin Leukefeld weiter:
„Verwiesen wurde mit „großer Besorgnis“ auf die „katastrophale humanitäre Situation“ in Gaza, die durch die monatelange Blockade für Hilfe entstanden war. Es wurde darauf hingewiesen, dass „alle Parteien“ an das internationale Recht gebunden seien, einschließlich des internationalen humanitären und Menschenrechts. Neben dem Waffenstillstand wurde die „sofortige und bedingungslose Aufhebung aller Blockaden“ für humanitäre Hilfe nach Gaza gefordert. UNO und humanitären Partnerorganisationen der UNO sei im gesamten Gazastreifen ungehinderte Bewegungsfreiheit zu gewähren. Notwendige Versorgung – beispielsweise mit Strom, mit Wasser, sichere Unterkünfte, Kliniken – müsse wiederhergestellt werden. Die Vermittlungsbemühungen von Ägypten, Katar und den USA wurden gelobt und sollten wieder zum Leben erweckt werden, so die Resolution. Verwiesen wurde auf die Resolution 2735 (2024), in der ein ständiges Ende der Feindseligkeiten, die Freilassung aller Geiseln, der Austausch von palästinensischen Gefangenen, die Rückgabe der Toten, der vollständige Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und der Beginn langfristiger Wiederaufbauarbeit gefordert worden waren.
USA wollen die Welt lehren
Schon vor der Abstimmung hatte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Dorothy Shea den Resolutionsentwurf als „inakzeptabel“ bezeichnet. Der Text sei nicht akzeptabel „für das, was er sagt und für das, was er nicht sagt“, so Shea. Inakzeptabel sei zudem die Art, in der der Text zustande gekommen sei. „Die Vereinigten Staaten haben sehr klar gemacht, dass wir keinen Text unterstützen, der die Hamas nicht verurteilt und der nicht die Hamas auffordert, die Waffen niederzulegen und Gaza zu verlassen.“ Hamas habe zahlreiche Vorschläge für einen Waffenstillstand zurückgewiesen, und die USA „könne es nicht zulassen, dass der Sicherheitsrat diese Kompromisslosigkeit der Hamas noch belohnt“, sagte Shea. „Hamas und andere Terroristen dürfen keine Zukunft in Gaza haben. Wie Außenminister Rubio gesagt hat: Wenn Glut in der Asche überlebt, wird wieder ein Feuer ausbrechen.“ Die Resolution habe zudem die Probleme des bisherigen, UN-geführten Versorgungsmechanismus für den Gazastreifen nicht aufgegriffen, so Shea. Was nicht gesagt, aber vermutlich gemeint war, war, dass die von den USA und Israel eingesetzte Humanitäre Gaza-Stiftung (GHF) nicht im Text erwähnt worden war. Schließlich bezeichnete sie die Resolution als „unseriös“ und „beschämend“ für den Sicherheitsrat, der sich selbst „höhere Standards setzen“ müsse. Ihr Verweis darauf, dass es bereits „ernsthafte Fragen zum Nutzen der UN, ihrer Finanzierung und Ressourcennutzung“ gebe, hörte sich wie eine Drohung an.
Die Vertreter der 14 Staaten, die für die Resolution gestimmt hatten, verurteilten die Haltung der USA. Tom Fletcher, der Leiter des UN-Büros für humanitäre Hilfe, hatte zu Beginn der Sitzung einen Bericht über die Lage in Gaza abgegeben, der die USA offensichtlich nicht beeindruckt hatte. „Die Welt sieht zu“, so Fletcher. „Tag für Tag sieht die Welt die furchtbaren Bilder von Palästinensern, auf die in Gaza geschossen wird, die verletzt oder getötet werden, nur weil sie versuchen, etwas zu essen zu finden.“
US-Administration mit „klarer Vision“
Am folgenden Tag legte der Sprecher des US-Außenministeriums Tommy Pigott nach. Die Vereinigten Staaten hätten erneut gezeigt, „dass die Führungsrolle Amerikas von Bedeutung“ sei, sagte Pigott bei der Pressekonferenz des State Department am 5. Juni 2025 in Washington. Präsident Trump und Außenminister Rubio hätten eine „klare Vision“, weswegen die USA „fest auf der Weltbühne“ stehe und „echte Ergebnisse für das amerikanische Volk“ erziele. Man habe eine „kontraproduktive Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen abgelehnt, die sich gegen Israel gerichtet und die Hamas nicht verurteilt“ habe. Es sei falsch, wie in der Resolution erfolgt, einen souveränen Staat und eine terroristische Vereinigung gleichzustellen, sagte Pigott. Das untergrabe „sinnvolle diplomatische Bemühungen“. Man werde sich weiter dafür einsetzen, dass Hilfsgüter an die Bevölkerung in Gaza verteilt werden und „dass die Hamas und andere terroristische Organisationen nicht weiter existieren können“. Die Trump-Regierung sei stolz darauf, „das erste Veto … in so einer wichtigen Frage einzulegen“, so der Pressesprecher weiter. Die UNO müsse zu ihrem Gründungszweck zurückkehren und „Frieden und Sicherheit fördern“. Symbolische Aktionen (wie die Resolution) müssten eingestellt werden. […]
Die Folgen anhaltender Straflosigkeit
Die Haltung der USA im UN-Sicherheitsrat und an der Seite Israels basiert auf dem eigenen Selbstverständnis, für eigene Vergehen in Kriegs- und Krisengebieten nicht verantwortlich gemacht werden zu können. Die USA führen und bestimmen, andere haben sich zu fügen oder werden die Folgen spüren.
Israel hat diese Haltung mit Billigung Washingtons übernommen. In der gegenwärtigen Lage, wo die internationale Weltordnung zunächst zerfällt, bevor sie möglicherweise neu zusammengefügt werden wird, zeigt sich dieses Selbstverständnis in der Region zwischen dem östlichen Mittelmeer und dem Persischen Golf besonders deutlich. Israel agiert als hochgerüsteter Wächter für die USA und europäische Partner der USA, insbesondere auch in der NATO, um diese strategisch wichtige Region zu kontrollieren. Es geht um den „Neuen Mittleren Osten“, wie der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu schon im September 2023 vor der UN-Vollversammlung erklärte. Palästina oder gar die Palästinenser hatten da schon keinen Platz mehr auf der Landkarte, die er vorzeigte. Seit dem 7. Oktober 2023 geht es Israel nicht um Selbstverteidigung, sondern um die Ausweitung seiner Macht. Verwüstung und Massaker in Gaza, im Westjordanland, im Libanon und der Vormarsch in Syrien nach dem Einmarsch der ehemaligen Al-Qaida-Vertreter in Syrien, Nusra Front und Hay’at Tahrir al Sham (Allianz zur Befreiung der Levante) in Damaskus zeigen deutlich, wie Israel alle internationalen Regeln und Gesetze überschreitet und was sich ihm entgegenstellt niederwalzt.“
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