Arn Strohmeyer ist ein höchst belesener Kenner der deutschen Nahost-Politik. Seine jüngste Veröffentlichung nennt im Literaturverzeichnis mehr als 70 Bücher und rund 35 Aufsätze als Quellen. Es trägt den Titel „Das unheilvolle Dreieck Deutschland, Israel und die Palästinenser. Plädoyer für eine andere Nahostpolitik“ (Herne: Gabriele Schäfer Verlag 2014).
Mit diesem Titel ist auch der Inhalt des Buches weitgehend umrissen. Es handelt von einer Konstellation, die nicht zuletzt in ihrem historischen Hergang begriffen werden muss und deren heutiger Zustand eine Revision der bundesdeutschen Politik auf das dringendste erfordern würde. Gegenüber dem Staat Israel, seinen Bewohnern, der jüdischen Mehrheit seiner Bevölkerung, den Palästinensern in und außerhalb der expandierenden Grenzen Israels sowie gegenüber den bestehenden Konfliktlösungs-Ansätzen sei ein Umdenken notwendig.
Strohmeyer kommt zu dem Schluss, „dass die deutsche Politik das Unrecht beim Namen nennen und unter Wahrung des deutschen Grundgesetzes, des Völkerrechts und der UNO-Beschlüsse Druck auf Israel ausüben muss, um ein Ende der Gewalt und die Schaffung eines lebensfähigen, souveränen palästinensischen Staates zu erreichen“ (S. 179). Geschrieben wurden diese Zeilen noch bevor Gaza unlängst erneut kriegerisch zerbombt worden ist. Ob dadurch die Chancen einer Konfliktlösung mit deutscher und europäischer Hilfe, so sie denn auf diplomatischem Weg geleistet wird, steigen werden oder weiter gesunken sind, lässt das Buch offen.
„Das unheilvolle Dreieck“ ist in neun Kapitel unterteilt. In den ersten beiden Kapiteln wird das deutsch-jüdische Verhältnis angesprochen, das sich zwischen den Extremen einer rassistischen Vernichtungsorgie in der Nazizeit einerseits und eines militant-affirmativen, bis in die Gegenwart reichenden Philosemitismus andererseits bewege. Den ideologischen Vorurteils-Kitt beider Erscheinungen bilde der Antisemitismus, der einerseits als Nährboden der Judenmassenvernichtung gilt und andererseits als Schandetikett, das seither den Kritikern der israelischen Regierungspolitik zuteil wird.
Im dritten Kapitel wird nachgezeichnet, auf welche Weise sich das westdeutsch-israelische Verhältnis als eines von Waffenlieferung und Rüstungskooperation entwickelt hat, flankiert von der „Waffe des Schweigens“ auf beiden Seiten: indem zum einen das Revirement Alter Nazis in der Adenauer-Ära gedeckt wurde und zum anderen die israelische Politik der Vertreibung palästinensischer Einwohner keinen Widerspruch auslöste. Hieran anschließend schreibt Arn Strohmeyer im folgenden Kapitel über die Rüstungsindustrie und das Waffenarsenal Israels, das nicht zuletzt aus US-amerikanischen Beständen aufgestockt wird. So erfuhren und erfahren eigene und „Freundes“-Waffen eine praktische Erprobung in ihrer kriegerischen Anwendung gegenüber den Palästinensern.
Das fünfte Kapitel widmet sich dem „unheilvollen Dreieck“, wobei deutlich wird, dass es sich dabei um ein völlig unausgeglichenes Verhältnis handelt. Während die Beziehung zwischen Israel und der Bundesrepublik – nicht zuletzt im Verbund mit den USA – auf beiden Seiten von höchster Relevanz ist (man denke an die „Staatsraison“-Attitüde aus der Sicht deutscher Politiker/innen), sei ihr Verhältnis zu den Palästinensern von Feindbildern und Desinteresse geprägt. Aus israelischer Sicht handle es sich um gefährliche „Araber“, aus deutscher um die „Bedroher“ der Existenz Israels.
Die beiden weiteren Kapitel VI und VII widmen sich dem „mystifizierenden“ Verhältnis der Kirchen zu Israel (S. 136) und der Nahost-Politik der DDR. Die Nahost-Politik letzterer sei in hohem Maße von der Solidarität mit Palästina bestimmt gewesen, weise aber eine widersprüchliche und paradoxe Parallele zu derjenigen der BRD auf: „Während die Gleichsetzung von Judentum, Zionismus und Israel in der DDR zu einer antizionistischen und pro-arabischen bzw. pro-palästinensischen Haltung führte, hatte diese Identifizierung in der Bundesrepublik einen Philosemitismus zur Folge, der ihre Politik bis heute bestimmt.“ (S, 152 f.).
Strohmeyer verweist hier auf das Problem der Gleichsetzung von „jüdisch“ (als Bezeichnung sowohl der Religion und ihrer Gläubigen als auch der Ethnie des Judentums sowie der Nazi-Opfer in den Konzentrationslagern), „israelisch“ (als Bezeichnung für das biblische „Erbe“, für das in Anspruch genommene, in seinen Grenzen aber nicht festgelegte Territorium Palästinas sowie für den Staat Israel und seine Bürger) und „zionistisch“ (als Bezeichnung einer radikalen Siedler- und Kolonialbewegung). Auch er selbst vermag als Autor diese Unterscheidung nicht immer streng einzuhalten. Sowohl die umgangssprachlichen Diskurse als auch die semantischen Nebelkerzen der Politiker haben ein Begriffsknäuel geschaffen, das den Interessen der herrschenden Klassen Israels (Regierung, Militär, Rüstungsunternehmen) und ihrer Verbündeten in USA und EU nützt. Eine Verhandlungs- und Friedenslösung werde dadurch erschwert, wenn nicht unmöglich.
Die Ausweg- und Aussichtslosigkeit einer Konfliktlösung ist auch Inhalt der beiden Schlusskapitel. Dennoch oder gerade trotzdem fordert der Autor eine andere deutsche (und europäische) Nahost-Politik, indem er die bestehende scharf verurteilt: „Bisher hat Deutschland durch die blinde und gehorsame Unterstützung Israels einen großen Beitrag dazu geleistet, eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu verhindern, ja das unheilvolle Beziehungsdreieck zwischen den beiden Staaten und dem land- und staatenlosen Volk der Palästinenser erst zu schaffen.“ Die Bundesrepublik in der Verantwortung – aber anders als von den Regierenden beschworen!
Rudolph Bauer
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Das unheilvolle Dreieck.
Deutschland, Israel und die Palästinenser
Plädoyer für eine andere Nahostpolitik
Arn Strohmeyer
Gabriele Schäfer Verlag Herne, ISBN 978-3-944487-14-4, 19,50 Euro
Das unheilvolle Dreieck – Rezension von Dr. Ludwig Watzal
Am 12. Mai 2015 jährt sich zum 50. Mal die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Anlässlich dieses Jahrestages ist ein publizistisches Feuerwerk gigantischen Ausmaßes seitens der politischen Institutionen und der Medien in Planung, das seinesgleichen suchen wird. Anstatt dieses Ereignis zum Anlass zu nehmen, um über das problematische Verhalten der deutschen politischen und medialen Klasse gegenüber dem israelischen Besatzerstaat kritisch zu reflektieren, werden viele Publikationen geplant, die vermutlich den politischen Stuss, der seit fünfzig Jahren unreflektiert abgesondert worden ist, neudrapiert recycelt widergekäut präsentieren werden. Die „Opfer der Opfer“ spielen in diesem neuzeitlichen kolonialistischen Spektakel nur den bemitleidenswerten Folklorepart. Arn Strohmeyer hat in seinem Buch das ganze Dilemma und die Verlogenheit der deutschen Israel- und Nahostpolitik dargelegt. Dazu gehören u. a.: die Instrumentalisierung des Holocaust, der Philosemitismus als eine Art Entlastungs-Antisemitismus, die Bewaffnung Israels wider alle Waffenexport-Verbote in Krisenregionen, das Schweigen zu Israels Menschrechts- und Kriegsverbrechen wie zum Beispiel während der beiden Massaker im Gaza-Streifen von 2008/09 und 2014, zu Israels Rolle als „imperialer Vorposten“ des Westens sowie seiner quasi-Mitgliedschaft in der NATO und der EU.
Auf dem Höhepunkt des Gaza-Massakers durch die israelische High-Tech-Armee fand in Deutschland eine der politisch groteskesten Demonstrationen in Berlin statt, an der die gesamt politische Klasse – angefangen von Bundespräsident Gauck, über Bundeskanzlerin Merkel, allen Vertretern der politisch relevanten Organisationen und der beiden Großkirchen auf „Einladung“ des Zentralrates der Juden in Deutschland – stattfand. Dort wurde, anstatt über Israels Kriegsverbrechen, über „Antisemitismus“ in Deutschland palavert, weil auf einer Demonstration in Berlin, antisemitischer Parolen gerufen worden seien. Dieser Auftrieb der politischen Klasse, obwohl vor sehr bescheidener Kulisse (4 000 aus dem ganzen Bundesgebiet herangeschaffter Demonstranten), zeigt, wie schräg in Deutschland über den Nahostkonflikt und seine vermeintlichen Nebeneffekte diskutiert wird. (…)
Arn Strohmeyer hat in journalistisch-hervorragender Weise alle diese Widersprüche und politischen Absurditäten pointiert in seinem Buch zusammengestellt. Ob die politische Klasse es zur Kenntnis nimmt, scheint, wie die Erfahrung lehrt, eher zweifelhaft, da sie sich ihren immunisierenden Kokon nicht selber zerstören will. Aber vielleicht wird eines Tages eine Protestbewegung ihr diesen Schutzpanzer vom Leibe reißen und sie als politisch „nackt“ bloßstellen, wie es weiland auf vielen anderen Politfeldern geschieht.
Strohmeyers Buch wird dafür die nötigen Argumente liefern, die nötig sind, um eine neue deutsche Nahostpolitik zu begründen, denn dafür ist die Zeit mehr als überfällig. Der bevorstehende Jahrestag wäre eine passende Gelegenheit. Vielleicht nutzen ihn die Palästinenser, um die doppelten Standards der deutschen Politikerklasse der Öffentlichkeit bewusst zu machen. Ein politisch mutiges und überaus lesenswertes Buch.
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Rezension „Das unheilvolle Dreieck. Deutschland, Israel und die Palästinenser. – Plädoyer für eine andere Nahostpolitik“ von Arn Strohmeyer – Ekkehart Drost
Der Bremer Journalist Arn Strohmeyer hat ein neues, drittes Buch vorgelegt. In „Volk ohne Hoffnung“ beschreibt er das Leben der Palästinenser hinter der Mauer. „Wer rettet Israel?“ fragte er 2012. Auf der Grundlage der Geschichte Israels, so wie sie von den Neuen Historikern geschrieben wurde, betrachtete er darin den Ist-Zustand der israelischen Politik, deren Ziel es war und ist, Erez Israel zu schaffen >>>
Texte von Arn Strohmeyer
Bücher von Arn Strohmeyer
Homepage von Arn Strohmeyer
Quelle (mit freundlicher Genehmigung): Palästina-Portal