Bei der Planung für die »Regionale Antikriegskonferenz (RAKK) 2015«, die am Samstag ganztägig in den Räumen der Zionsgemeinde in Bremen stattfand, konnten die Organisatoren nicht ahnen, dass die Flüchtlingskrise sich in den letzten Tagen und Wochen davor so dramatisch zuspitzen würde. Auch deshalb stand Markus Saxinger, seit 1998 Aktivist der »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen«, mit seinem Referat im Mittelpunkt. Er kam sofort auf das zu sprechen, was im jetzigen Medienrummel so sorgfältig verschwiegen wird, nämlich auf die Hintergründe der Fluchtursache Krieg. Die »Karawane« hatte noch im August 2015 eine Tour zu den einschlägigen Rüstungsbetrieben rund um den Bodensee unternommen, dort Blockaden durchgeführt und als zentrale Botschaft immer wieder verkündet: »Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!«. Die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge seien genau die, in denen NATO-Staaten mit allen politischen, finanziellen, geheimdienstlichen und militärischen Mitteln einen »regime change« durchsetzen wollten – wie in Syrien und im Jemen – oder dies schon getan hätten, wie im Irak, in Afghanistan, Libyen, und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Auch in vielen afrikanischen Ländern wie dem Kongo, Mali, Nigeria und der Zentralafrikanischen Republik würden Kriege geführt und Flüchtlingsströme geradezu produziert.
Fotos: Hartmut Drewes
Die »Karawane« werde von hoch politisierten Menschen aus untereinander gut vernetzten Exil- und Flüchtlingsorganisationen sowie antirassistischen Initiativen getragen. Ihre Arbeit werde aber durch diverse Gesetzesänderungen im Asyl-, Aufenthalts- und Duldungsrecht und vor allem durch die Fortdauer des PKK-Verbots erschwert. In der öffentlichen Debatte in Deutschland werde zudem eine verhängnisvolle Spaltung in »gute« und »böse« Flüchtlinge betrieben, so Saxinger. Die »bösen« schützten nach dieser Logik nur politische Gründe für ihre Flucht vor. »Gute« Flüchtlinge – zur Zeit vor allem aus Syrien – seien dagegen diejenigen, die die immer teurer werdenden Schlepper bezahlen könnten, eher gut ausgebildet wären, aus der Mittelschicht stammten und in der Hoffnung kämen, ihre qualifizierte Arbeit zu niedrigen Preisen der deutschen Wirtschaft anbieten zu können. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) reibe sich schon die Hände. Den »guten« werde eine Bleibeperspektive geboten, und den »bösen« – vor allem aus den jetzt so genannten Westbalkanländern – gesonderte Sammellager zur schnellen Abschiebung angedroht.
Im Moment, so Saxinger, wären wir Zeugen eines historischen Umbruchs. Die „Festung Europa“ hätte deutlich Risse bekommen, und das Abwehrsystem Europas würde zur Zeit schlichtweg überrannt. Die voraussehbare Reaktion wäre der vermehrte und härtere Einsatz von militärischen Mitteln im Mittelmeer und an den Grenzen Europas. Noch im September wird der deutsche Bundestag über ein „robustes“ Mandat im Kampf gegen die Schlepper abstimmen. Aber wie das praktisch durchgeführt werden soll, könne man sich nicht vorstellen, ohne Albträume zu bekommen. Denn die Schlepper würden ja bekanntlich nicht mit den Flüchtlingen mitfahren.
Die über 100 Teilnehmer der Konferenz diskutierten die Flüchtlingsfrage intensiv und engagiert. Die anderen sieben Themen der Konferenz waren natürlich nicht weniger wichtig und nicht weniger brisant. Es ging um:
- Nuklearwaffen – Rüstung, Stationierung, „Modernisierung“ (Lars Pohlmeier)
- Killerdrohnen – nicht ohne Informatik (Hans-Jörg Kreowski)
- Zielscheibe DNA – Gegenwart und Zukunft militärischer Nutzung (Heike Knops)
- Frieden durch Recht – Zur Bedeutung des Völkerrechts (Steffen Kommer)
- Tötung durch Drohnen – ein Fall von informeller Todesstrafe (Johannes Feest)
- Kriegsverbrechen und Kollateralschäden (Gerhard Baisch)
- Demokratischer Friedensplan gegen Kriegspläne der Machthaber (Alexander Kud)
Die Bremer Antikriegskonferenz war mit mehr als hundert Teilnehmern bei acht Referaten und Diskussionsrunden ein gelungener Versuch, die Antikriegskonferenz von 2014 in Berlin fortzusetzen. Veranstalter waren die Initiative Antikriegskonferenz, das Bremer Friedensforum, die „Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen“ (IALANA) und die ärztliche Friedensorganisation IPPNW. Die Konferenz wurde ideel unterstützt von Organisationen aus dem gewerkschaftlichen und kirchlichen Umfeld, von Attac, der DFG/VK, dem FlfF sowie von Organisationen der Flüchtlings- und Ausländerarbeit.
Während der Antikriegskonferenz wurde immer wieder dazu aufgefordert, den Aufruf „Stopp Ramstein: Kein Drohnenkrieg!“ (www.ramstein-kampagne.eu) zu unterzeichnen und sich am 25.-27. September 2015 an den Aktivitäten und an der Demonstration in Raumstein/Kaiserlautern zu beteiligen.
In den Räumen des Gemeindezentrums Zion, wo die RAKK Bremen2015 stattgefunden hat, wird bis 4. Oktober eine Bilderausstellung von Arbeiten des Bremer Künstlers Klaus Schiesewitz gezeigt. Thema “Experimentelle Linolschnitte zu Krieg und Frieden”.
Sönke Hundt
der Artikel ist – leicht gekürzt – in der jungen Welt v. 08.09.15 erschienen.
mehr Informationen auf http://www.antikriegskonferenz.de