Die Berichterstattung in den hiesigen Medien über die neuen Auseinandersetzungen in Jerusalem und in der Westbank folgen immer dem gleichen eintönigen und uninformierten Schema: der Tempelberg ist den Muslimen und den Juden heilig; die Siedler sind radikal, die Palästinenser sind gewalttätig, und die Sicherheitskräfte müssen eingreifen, um die Gewalt zu stoppen. Danach werden alle Seiten zur Mäßigung ermahnt, und alles soll gut werden. Hintergründe, Interessen, Geschichte … alles Fehlanzeige. (sh)
Hier ein sehr guter Bericht von Claudia Kühner, der gleichzeitig im Zürcher „TagesAnzeiger“ und im Berner „Der Bund“ v. 08.10.15 erschien:
„Krawall, Zusammenstösse, Schüsse, Messerstiche, Tote – ist das, was gegenwärtig in Jerusalem und den besetzten Gebieten geschieht, der Beginn eines dritten Palästinenseraufstandes nach 1987 und 2000? Das ist gegenwärtig noch nicht klar oder vorhersehbar. Was leichter zu analysieren ist, sind Gründe für diesen erneuten Gewaltausbruch. Völlige Hoffnungslosigkeit auf palästinensischer Seite trifft auf eine wachsende Radikalisierung der religiösen und nationalistischen Rechten in der israelischen Gesellschaft, die sich seit der letzten Wahl auch in der Politik der rein rechten Regierungskoalition spiegelt.
Was vor Wochen auf dem Jerusalemer Tempelberg begann, weitet sich nun aus auf die Westbank und möglicherweise auch auf Israel selber. Auf dem Tempelberg, dem drittwichtigsten islamischen Heiligtum, ist es Juden untersagt zu beten. Zu sensibel ist dieser Ort, auch wenn dort einst ihr Tempel stand (an dessen restlicher Mauer sie seit der Zerstörung beten). Erste jüdisch-muslimische Zusammenstösse gab es hier schon 1929.
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Amira Hass, die für «Haaretz» seit Jahren über die besetzten Gebiete berichtet, sagt es in einfachen Worten: «Die Palästinenser kämpfen für ihr Leben, in vollem Wortsinn. Wir israelische Juden kämpfen für unsere Privilegien als Volk der Herren, in aller Hässlichkeit dieses Begriffs.» Getötete Palästinenser erscheinen in den Medien kaum, dabei übersteigt ihre Opferzahl jene der Juden um Tausende. Ihr Leben wird immer unerträglicher angesichts des fortwährenden Siedlungsausbaus, ihre politische Führung hat mit ihrem Anpassungskurs nichts erreicht, nicht im Kleinen und schon gar nicht im Grossen. Land wird enteignet, der Zugang zu Wasser versperrt, sie landen ohne Anklage im Gefängnis, sie werden ihres Bodens verwiesen oder ausgebürgert, sie dürfen nicht bauen nach ihren Bedürfnissen, sie werden jeder Hoffnung auf einen Staat beraubt. Stattdessen dienen ihre Sicherheitstruppen als Subunternehmer Israels, finanziert von der EU und den USA…“