Antisemitismus heute

Dass Juden ein traumatisches Verhältnis zum Begriff Antisemitismus haben, ist mir besonders deutlich geworden, als ich die Buchvorstellung des russisch-jüdischen Autors Dimitrij Belkin besucht habe und im Verlauf des Abends, ein Zuhörer von irgend einem jüdischen Intendanten erzählte, der gesagt haben soll, dass er als Jude alles sagen könne und dürfe. Es klang fast so, als ob er als Jude in diesem Land Narrenfreiheit hätte. Ich erlaubte mir einen Zwischenruf: „Wenn das so war, dann zeigt es nur, dass es auch dumme Juden gibt-“ Eine blonde, russische Jüdin, die vor mir saß, drehte sich um und zischte giftig: „Es gibt auch Antisemiten-“ Worauf ich überrascht und instinktiv antwortete: „Antisemiten sind nicht das Gegenteil von dumme Juden. Dann eher kluge Juden.“

Mir wurde klar, dass manche Leute so sehr traumatisiert sind, dass sie für jede Unsicherheit, für alles, was sie nicht verstehen oder nicht billigen, den Antisemitismus verantwortlich machen, ohne zu bemerken, dass es gar nichts mit Antisemitismus zu tun hat. Dumme Juden darf es nicht geben, das empfand man als persönliche Beleidigung und deshalb eine solche „dumme“ Reaktion, aus der nicht klar war, ob sie nicht am Ende mich meinte, weil ich es gewagt habe zu behaupten, dass es auch dumme Juden gibt. Wer einen Juden dumm nennt, auch wenn es objektiv stimmt, ist ein Antisemit. Das zeigt wo wir mit dem Vorwurf des Antisemitismus inzwischen gelandet sind, beim absolut Absurden. Antisemitismus heute hat mit Judenhass, mit dem Wunsch nach „Juda verrecke!“, mit dem Plan alle Juden zu vernichten, nichts mehr zu tun. Man benutzt diese ungeheure und heute fast schon existenzbedrohende Verleumdung inflationär bei Nichtigkeiten und gewöhnlichen Streitigkeiten. Antisemit ist fast schon jeder, der, wie gesagt, einen Juden dumm nennt.

Daneben kommt natürlich auch die politische Komponente, dass man jeden, der Israels Politik kritisiert, berechtigt oder unberechtigt, einen Antisemit nennt. Jede auch noch so harmlose Kritik wird als „Delegitimierung“ Israels interpretiert, und es nützt nichts. das zu dementieren. Dabei ist aber leider auch die Vertretung der Juden, der Zentralrat, mitverantwortlich, der einerseits nicht müde wird, bei jeder Kritik Israels und jeder Demonstration von protestierenden Bürger gegen israelische Aggression in Gaza von Antisemitismus zu reden und andererseits immer wieder beteuert, dass man fest und aufrecht hinter Israel stehe und die Augen vor Unrecht israelischer Politik verschließt.

Der Antisemitismus ist keine statische Größe, die seit Jahrhunderten unverändert geblieben ist. Selbst die chinesische Mauer zerbröckelt und wenn sie nicht restauriert würde, würde sie eines Tages verschwinden. Der Antisemitismus wandelt sich und verändert sich. Er passt sich der Mode und dem Zeitgeist an und natürlich den politisch herrschenden Mächten. Gleichwohl ist es heute nicht mehr vorstellbar, dass es wieder eine antisemitische Eruption geben könnte wie 1933, als die Nazis die Macht übernommen haben. Deutschland ist heute ein Teil des vereinigten Europas, der Europäischen Union, und ein totaler Schwenk der Politik nach rechts, ist kaum möglich.

Dadurch, dass man an der Bezeichnung „Zentralrat der Juden in Deutschland“ weiter festhält, unterstützt man die Haltung der Juden in den jüdischen Gemeinden und auch der von prominenten jüdischen Intellektuellen, die Dimitrij Belkin in seinem Buch wie folgt beschreibt: „Nie, nie, nie würde sich ein Jude mit diesem Land identifizieren. Denkt doch an die Nazis und ihre Kinder und Enkelkinder! Denkt doch an den latenten Antisemitismus in Deutschland.“ Und da sind wir wieder beim Antisemitismus, den es in Wirklichkeit schon lange nicht mehr so gibt, wie es Zentralrat und jüdische Intellektuelle manipulativ von sich geben.

In diesem Deutschland, das seine Juden ausgerottet hatte, wächst wieder eine neue jüdische Gemeinschaft, die auf dem Weg ist ein neues deutsches Judentum zu werden. Es ist endlich an der Zeit, dass auch der Zentralrat der Juden das zur Kenntnis nimmt und sich voll und ganz in diesem Land integriert, bevor er das von den neuen Migranten und Flüchtlingen verlangt. Es ist doch leider noch so, dass zwanzig Jahre nach der Aufnahme von mehr als 200 000 Kontingent-Juden aus der Sowjetunion, in manchen Gemeinden immer noch nur russisch gesprochen wird und alle Schilder im Gemeindehaus bis zum Hinweis auf die Toiletten nur auf Russisch sind. Das ist ein Versäumnis an Integration, scheinbar vom Zentralrat gewollt.

Man pflegt die Stimmen, die davon ausgehen, dass wir gar keine Deutschen sind und merkt nicht, dass man damit die AfD und andere rechte Stimmen im Land unterstützt. Man lebt hier und fragt sich, was man mit diesem Deutschland gemein hat, wobei man aber unter gar keinen Umständen nach Israel gehen will. Die Fleischtöpfe hier sind angenehm, riechen gut und sättigen. So bleiben die Juden in Deutschland weiterhin ein fragiles Provisorium, wie zur Zeit der Neugründung. Man will scheinbar kein neues deutsches Judentum, sondern begnügt sich damit „Juden in Deutschland“ zu sein. Deshalb wird auch die Tradition des liberalen deutschen Judentums nicht fortgesetzt. Seit Jahrzehnten wird an einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden gearbeitet, die aufgrund der Geschichte belastet ist. Die Kommunikation gestaltet sich schwierig, zumal von jüdischer Seite nichts unternommen wird, um die Diskrepanz zu beseitigen. Man hängt in den Gemeindehäusern israelische Fahnen und Portraits israelischer Präsidenten und bei jeder unpassenden Gelegenheit betont man die Loyalität zu Israel und nicht zu Deutschland. Das geht so weit, dass man in den Synagogen im Gottesdienst für das Wohl der israelischen Armee betet.

Es ist richtig, dass die meisten in Deutschland lebenden Juden keine „deutsche“ Juden oder jüdische „Deutsche“ sind. Die Mehrheit stammt aus der Sowjetunion, und es ist nicht einmal sicher, ob sie alle Juden sind. Aber wenn sie in einem Verband integriert sind, der sich „Juden in Deutschland“ nennt, dann haben sie auch keine Chance sich zu integrieren. Sie bleiben „Juden in Deutschland“, Juden im Ghetto mit einem „Judenrat“, der sich Zentralrat nennt.

Die Juden führen in Deutschland das Leben einer privilegierten Minderheit. Etwas mehr als hunderttausend Juden haben mehr Macht und Privilegien als vier Millionen Moslems und zuweilen möchte man glauben, mehr als die Mehrheit der Deutschen. Das zeigt sich, wenn jüdische Funktionäre, wie zum Beispiel Charlotte Knobloch, es mit einem einzigen Telefonanruf oder einer verleumderischen Mail, die eine Drohung und den Vorwurf des Antisemitismus enthält schafft, Bürgermeister, Kulturreferenten und sogar Bischöfe auf die Knien zu zwingen und sie dazu zu bringen Räume für Israel kritische Vorträge und Veranstaltungen zu verweigern, und dabei nicht einmal vor jüdischen Referenten halt macht. So schrieb sie an den Generalvikar von München, Dr. Peter Beer: „Speziell der Haupt-Referent Abi Melzer ist für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt.“ Anlässlich eines Vortrages über „Antisemitismus heute“, der auf Betreiben von Frau Knobloch in letzter Minute von der Stadtverwaltung untersagt wurde, schrieb Frau Knobloch: „…dass es Melzer nicht um den Kampf gegen Antisemitismus in der Gesellschaft geht, sondern darum, israelbezogenen Antisemitismus noch salonfähiger zu machen, als es ohnedies bereits der Fall ist. Der Vorwurf des Antisemitismus soll als „hysterisiert“ entkräftet und verunglimpft werden“.

Daraufhin fühlte sich der Kulturreferent der Stadt München, Dr. Hans-Georg Küppers, verpflichtet, die Benutzung des städtischen Raumes zu untersagen mit der Begründung: „Die Veranstaltungsankündigung enthält Formulierungen, die in Richtung einer Delegitimierung Israels gehen. Dies legt nahe, dass in der Veranstaltung die Grenze zwischen Israelkritik und Antisemitismus überschritten wird.“ Ein Paradebeispiel für vorauseilenden Gehorsam, ein Beweis, dass der Druck und die Erpressung ihre Wirkung haben. Aus einem sachlichen Vortrag mit dem Titel „Antisemitismus heute“ ist für die Stadt eine Agitation gegen Israel geworden. Geradezu peinlich ist die Unterwürfigkeit und der vorauseilende Gehorsam von Amtspersonen, Politikern und Kirchen Oberhäupter gegenüber der in Deutschland sehr aktiven Israellobby und ihrer wahllosen und unverantwortlichen Anwendung des Antisemitismus-Vorwurfs.
Abi Melzer

Quelle (mit freundlicher Genehmigung: Der Semit v. 10.10.2016

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