Zusammenfassung: Das israelische Militär setzt mehr als je zuvor Täuschung als Teil seiner Strategie ein und belügt internationale Medien. Die Bombardierung des Al-Jalaa-Gebäudes mit den Büros mehrerer internationaler Medien hat die Kluft zwischen der Berichterstattung israelischer Medien und den internationalen Medien über die Bombardierung des Gazastreifens vergrößert. Mit tödlicher Gewalt versuchen israelische Soldaten, die Stimmen der Überlebenden in Gaza zum Schweigen zu bringen.
Ein nicht zu erwartender Akt der Täuschung wurde vom israelischen Militär am Freitag, den 14. Mai, inszeniert. Der Pressesprecher des Militärs teilte ausländischen Medien mit, dass die israelischen Bodentruppen ihren Einmarsch in den Gazastreifen begonnen haben, während die lokalen israelischen Zeitungen diese Nachricht nicht erhielten. Israelische Offiziere gaben später zu, dass sie die Lüge in der ausländischen Presse bewusst platzierten, um Hamas-Kämpfer dazu zu bringen, in Erwartung einer israelischen Bodeninvasion in unterirdischen Tunneln Schutz zu suchen. Die israelische Luftwaffe bombardierte die Tunnel, um hunderte Hamas-Kämpfer zu töten, aber die Hamas-Offiziere bemerkten die Täuschung und suchten die Tunnel nicht auf. Der israelische Politiker Nahman Shay (selbst ehemaliger Sprecher des Militärs) warnte daraufhin, dass die großen Medienorganisationen dem israelischen Militärsprecher keinen Glauben mehr schenken werden (auf Hebräisch).
Das israelische Militär hat nicht nur die internationalen Medien belogen, sondern auch wissentlich und absichtlich ein Gebäude in Gaza bombardiert, in dem sich Büros mehrerer internationaler Medienorganisationen befanden, darunter AP (Associated Press), Al-Jazeera und Middle East Eye. Das israelische Militär behauptete, dass sich in dem Al-Jalaa-Gebäude die Hamas befand. Die Vereinigten Staaten verlangten vergeblich, Beweise dafür zu sehen, es wurden jedoch keine vorgelegt. Das 11-stöckige Gebäude enthielt Computer, Kameras und Archive mit Fotos und Videos, die die israelische Belagerung und das Bombardement ziviler Ziele dokumentierten. Bereits im April dieses Jahres hatte die Organisation Reporter ohne Grenzen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aufgefordert, gegen den Staat Israel wegen der gezielten Tötung von Journalisten, einem Kriegsverbrechen, zu ermitteln (siehe BIP-Aktuell #168).
Die Zerstörung eines Gebäudes mit den Büros internationaler Medienkanäle mag wie eine irrationale Entscheidung des israelischen Militärs erscheinen. Die Folgen des Bombardements sind nicht nur Kritik an der veränderten, moderaten Haltung der USA, sondern auch eine Veränderung, wie die internationalen Medien über den israelischen Angriff berichten. Es ist möglich, dass die Entscheidung, das Gebäude zu zerstören, nicht von der israelischen Regierung oder dem Oberkommando des Militärs getroffen wurde, sondern von rangniedrigen Offizieren, denen es einfach nicht gefällt, wie AP, Al-Jazeera und Middle East Eye über die Kämpfe berichten. Diese Offiziere wissen möglicherweise, dass in den letzten zehn Jahren nur ein einziger israelischer Soldat zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt wurde, weil er exzessive Gewalt gegen Zivilisten verübt hat. Daher konnten sie sich ihre eigenen Ziele aussuchen, ohne Konsequenzen zu befürchten.
Inzwischen unterhält das israelische Militär eine Propagandaeinheit, die Nachrichten an Medienorganisationen und an soziale Medien sendet, um den israelischen Angriff zu rechtfertigen. Das israelische Militär verbreitete ein Video, das angeblich beweist, dass die Hamas Kinder als menschliche Schutzschilde benutzt, um Bombardierungen abzuwenden, aber Electronic Intifada bewies, dass das Video zwei Jahre alt ist und in Syrien und nicht in Gaza gefilmt wurde. Nachdem Electronic Intifada die israelische Lüge entlarvt hatte, veröffentlichte die israelische Einheit ein weiteres gefälschtes Video auf Twitter, in dem ein Raketenwerfer eingebettet in einer zivilen Nachbarschaft zu sehen ist. Aric Toller von der Denkfabrik Bellingcatfand heraus, dass es sich dabei um ein Video handelte, das israelische Soldaten beim Training in einer Stadt im nordwestlichen Teil Israels im Jahr 2018 zeigt. Dieser Raketenwerfer war eine Requisite, die die Soldaten bei ihrem Training verwendeten. Daraufhin löschte die israelische Armee den Tweet.
Die israelischen Medien in hebräischer Sprache sind fast vollständig darauf ausgerichtet, die Position der Regierung und des Militärs zu unterstützen (Quelle auf Hebräisch). Abgesehen von einigen wenigen Medien wie Haaretz und Local Call stellen die Zeitungen die Zerstörung und den Tod von Zivilisten in Gaza als ein notwendiges Vorgehen des israelischen Militärs dar, das gelobt werden muss und nicht kritisiert werden darf. Im Fernsehen erreichen Kriegshetze und Nationalismus ein nie dagewesenes Ausmaß. Einige israelische Journalisten, die den Kriegseinsatz kritisch sehen, erhalten Todesdrohungen von rechtsgerichteten Israelis und müssen von privaten Sicherheitsfirmen geschützt werden. Der gemäßigte Kommentator Amnon Abramovich, der Netanjahus Politik kritisiert, wurde aus den Nachrichten zur Hauptsendezeit entfernt (Quelle auf Hebräisch). Die einzige Kritik, die in der Sendung geäußert wird, ist die Kritik an den Medien selbst – sie würden das Militär nicht genug loben.
Palästinenser werden von den Medien nicht mehr zu Interviews eingeladen. In den seltenen Fällen, in denen ein Palästinenser eingeladen wird, wird von ihm sofort verlangt, die Gewalt gegen Juden zu verurteilen, bevor er etwas anderes sagen darf. Unnötig zu sagen, dass solche Forderungen nicht an jüdische Gäste gestellt werden.
Obwohl die deutschen Medien meist willfährig sind und die Meldungen aus israelischen Quellen unkritisch wiederholen und sogar so weit gehen, dass sie israelische Soldaten, aber keine Palästinenser interviewen, verschiebt sich der Fokus der internationalen Medien zusehends. Senator Bernie Sanders veröffentlichte in der New York Times eine scharfe Verurteilung des israelischen Angriffs. Die U.S. Daily Show und Last Week Tonight von John Oliver, sehr beliebte Sendungen in den USA, haben eine beispiellose und klare Position eingenommen und den israelischen Angriff so deutlich verurteilt wie nie zuvor.
Amira Hass berichtete, dass das israelische Militär seine Ziele im Gazastreifen bei dieser Bombardierungsrunde anders auswählte als bei früheren Bombardierungen, etwa im Jahr 2014. Sie berichtete, dass das Militär Geheimdienstinformationen nutzte, um ganze Familien ins Visier zu nehmen. Fünfzehn Familien wurden dadurch getötet (Stand: 18. Mai). Ihrer Analyse zufolge ist der Grund für die neue Politik, keine Überlebenden zu hinterlassen, die mit den Medien sprechen und dadurch dem Image des israelischen Militärs schaden könnten. Wenn es kein weinendes Waisenkind nach einem Bombardement gibt, weil alle Familienmitglieder tot sind, haben die internationalen Medienkanäle keine herzzerreißenden Bilder zu senden.
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Eine neue Folge des Podcasts BIP-Gespräch ist da. Diese Woche sprechen wir mit BIP Vorstandmitglied Ekkehart Drost.
Am 15. Juni laden wir Sie ein zu einem Online-Gespräch mit Dr. Muriel Asseburg unter dem Titel: „Die abgesagten Wahlen in Palästina: Hintergrund, Bedeutung, Ausblick“. Anmeldung und Zoom-Kontakt finden Sie hier.
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BIP-Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverstöße im besetzten Palästina
Israelische Angriffe lähmen den Gesundheitssektor in Gaza
Quelle: https://mondoweiss.net/2021/05/live-blog-gaza-health-sector-in-dire-condition-following-israeli-attacks/
Die folgende Erklärung des palästinensischen Gesundheitsministeriums zu den Auswirkungen der israelischen Angriffe auf den Gesundheitssektor in Gaza wurde in einer WhatsApp-Gruppe für Journalisten geteilt:
„Gaza: Dr. Salha durch israelische Luftangriffe schwer verletzt.
Dr. Salha wird im Shifa-Krankenhaus behandelt, nachdem er durch die israelische Bombardierung der Einrichtungen des Gesundheitsministeriums und der Al-Rimal Primary Health Care Kliniken am 17. Mai erheblich verletzt wurde. Dr. Salha behandelte Patienten im Gazastreifen mit medizinischer Grundversorgung. Die Bombardierung von medizinischen Fachkräften in Gaza, wie Dr. Salha, Dr. Ayman und Dr. Al-Aloul, hat die Versorgung der Patienten zusätzlich erschwert. Die Angriffe auf Kliniken und Einrichtungen des Gesundheitswesens in Gaza, einschließlich der Al-Rimal Primary Health Clinic, haben zur Schließung der zentralen Labordienste, der COVID-19-Impfung, der Schwangerschaftsdienste, der Telemedizin und der Coronavirus-Tests geführt.“
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.
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Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern BIP e.V. | 22. Mai 2021 um 19:51 | Kategorien: blog | URL: https://wp.me/p7svki-WE