Die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft haben zu den jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen in Israel / Palästina einen einstimmigen Beschluss gefasst. Es handelte sich um einen Dringlichkeitsantrag von CDU, SPD, Grünen, Linken und FDP, dem sich die Abgeordneten von AfD und Bürger in Wut anschlossen. Der Beschluss ist – obwohl von links bis extrem rechts alle zugestimmt haben, nur als sehr einseitig und gleichzeitig uninformiert zu bezeichnen.
Claus Walischewski Israelischen Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD) hat dazu einen Brief an alle Abgeordneten geschrieben.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
Mit dem Beschluss „Gewalt gegen Israel beenden – Antisemitismus in Deutschland und Bremen ächten“ (Drucksache 20/996) vom 2.6.2021 haben Sie sich einseitig auf die Seite Israels gestellt, verhärten damit die Fronten und verringern die Chancen auf eine friedliche Lösung des Konflikts. Sie unterstützen ein Besatzungsregime, das seit Jahren strukturelle Gewalt ausübt, indem es das Völkerrechtmissachtet und tagtäglich die Menschenrechte der Palästinenser*innen verletzt. Nicht ohne Grund haben deswegen die größte israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem und auch Human Rights Watch Israel einen Apartheidstaat genannt, und das gilt nicht nur für die besetzten Gebiete, sondern auch für die Diskriminierung der nicht-jüdischen Minderheiten in Israel.
Der jüngste Ausbruch der Gewalt ist auch kein Ausbruch des Hasses radikaler palästinensischer Gruppen, sondern eine Folge von und Gegenreaktion auf israelische Maßnahmen. In Ost-Jerusalem geht die Zwangsvertreibung von Palästinenser*innen kontinuierlich weiter – trotz aller Proteste der UNO. Als Israel am Ende des Ramadan den Zugang zum Tempelberg und der Al Aksa-Moschee einschränkte, kam es zur Konfrontation, während der Hunderte Palästinenser*innen durch israelische Gummigeschosse verletzt wurden und Sicherheitskräfte Tränengas- und Blendgranaten in die drittheiligste Moschee des Islam feuerten, wobei ein kostbares Fenster der Moschee zu Bruch ging. Stellen Sie sich vor, es würden Tränengasgranaten in den Petersdom oder den Bremer Dom geworfen. Wie wäre da wohl die Reaktion der Gläubigen?
Die Hamas stellte daraufhin Israel ein Ultimatum, die Sicherheitskräfte abzuziehen, und begann mit dem Raketenbeschuss, als das Ultimatum verstrich.
Natürlich sind Raketenangriffe auf zivile Ziele ein Kriegsverbrechen, doch ebenso sind das israelische Angriffe, die Ziviltote in Kauf nehmen.
Israelische Opfer: 12, darunter 1 Kind. Palästinensische Opfer: 264, darunter 66 Kinder, tausende Obdachlose.
Um die Gewaltspirale zu beenden haben viele Organisationen, z.B. auch Amnesty International gefordert, dass nach dem Waffenstillstand endlich die Ursachen des Konflikts angegangen werden müssen, nämlich Israels fortdauernde Verletzung des Völkerrechts durch Besatzung, Zwangsvertreibungen, Siedlungsausbau und die tagtäglichen Verletzung der Menschenrechte der Palästinenser durch Checkpoints, ungesühnte Siedlergewalt oder diskriminierende Gesetze in Israel selbst. Nur auf völkerrechtlicher Basis kann Frieden entstehen.
Nichts davon steht im Antrag der Bremer Parteien.
Im Antrag steht zwar:
Internationales Recht und allgemeine Menschenrechte müssen Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens in der nahöstlichen Region werden und dauerhaft zur Geltung gebracht werden.
Doch das klingt wie Hohn, wenn man den Fortschritt des Siedlungsbaus betrachtet, die geplante Annexion von Teilen der Westbank oder das Nationalstaatsgesetz.
„Gewalt gegen Israel beenden“ müsste ergänzt werden um „Gewalt gegen Palästinenser*innen beenden“.
Selbst US-Außenminister Blinken hat gesagt, dass jüdische Israelis und Palästinenser beide einen Anspruch auf ein Leben in Würde haben. Ein Leben in Würde – für Israelis selbstverständlich – wird den Palästinenser*innen von Israel seit langem vorenthalten.
Ich möchte Sie daher dazu aufrufen, die Forderung zu unterstützen, dass endlich die Ursachen der Gewalt zwischen Israel und Palästina zur Sprache gebracht werden und auch Israel dazu gebracht wird, das Völkerrecht einzuhalten. Menschenrechtsverletzungen müssen auch dann kritisiert werden, wenn der Staat Israel der Verursacher ist.
Mit freundlichen Grüßen
Claus Walischewski (Israelisches Komitee gegen Hauszerstörungen/ICAHD)