Stellungnahme der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V. (DPG) zur Schmierenkampagne der israelischen Botschaft gegen Frau Dr. Muriel Asseburg

Erneut wird eine Persönlichkeit in Deutschland, die sich kritisch mit der israelischen Besatzungspolitik auseinandersetzt, durch eine von der israelischen Botschaft initiierten medialen Kampagne als „Antisemitin“ diffamiert und beleidigt. Aber diesmal trifft es keine Aktivist*in, die zu BDS oder zu Nakba-Demonstrationen aufruft, keine Menschenrechtsaktivist*in, die die Besatzungpraxis – zu Recht – als Apartheid bezeichnet, sondern eine renommierte Politologin und Nahostexpertin: Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einem deutschen Thinktank, der auch das Kanzleramt und die Bundesregierung politisch berät. Hintergrund der Kampagne ist ein zweieinhalbstündiges Interview, in dem Frau Asseburg dem Sender Jung&Naiv die Situation der Palästinenser unter dem Besatzungregime sowie mögliche Folgen der Neuausrichtung der israelischen Politik unter der neuen rechtsradikalen Regierung analysiert.

In den in einer respektlosen Weise formulierten Tweets der israelischen Botschaften werden die Aussagen von Frau Asseburg bewusst verdreht, falsch zitiert und ihr werden Worte in den Mund gelegt, die sie nicht gesagt hat. So wird Frau Asseburg seitens der israelischen Botschaft unterstellt, Terrorismus zu rechtfertigen, obwohl sie explizit Selbstmordanschläge auf Zivilisten und die Raketenangriffe der Hamas auf israelische Städte verurteilt, zugleich aber darauf hinweist, dass das Recht auf Widerstand gegen ein Besatzungsregime ein international verbrieftes Recht sei. Ihr wird unterstellt, die israelische Besatzungspolitik mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gleichzusetzen, dabei weist sie lediglich darauf hin, dass Palästinenser sich wundern würden, warum in deutschen Medien gegen die russischen Besatzer Widerstand leistende Ukrainer*innen als Helden gefeiert werden, während Palästinenser*innen, die gegen die Besatzung Widerstand leisten als Terrorist*innen bezeichnet werden. Die israelische Botschaft wirft ihr vor, sie wolle Israel vor den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) bringen. Dabei verweist sie in dem Interview lediglich darauf, dass der ICC auf Basis eines Beschlusses der UN-Vollversammlung Völkerrechts- und Menschenrechtsvergehen Israels – wie auch seitens der Hamas – untersucht.

Frau Asseburg, eine auch unter israelischen und palästinensischen Wissenschaftlern anerkannte Expertin, hat in dem Interview mit großer Professionalität Fakten und Analysen präsentiert, sich aber bewusst eigener Wertungen enthalten. Warum also der Aufschrei seitens der israelischen
Botschaft?

In den letzten Jahren wurden immer wieder Kritiker Israels diffamiert, pro-palästinensischen Gruppen Räumlichkeiten verweigert und versucht, Unterstützer der BDS-Kampagne zu kriminalisieren. Frau Asseburg formuliert keine politischen BDS-Forderungen, organisiert keine Kampagnen. Aber sie analysiert überaus faktenreich die israelischen Besatzungspraktiken, die Gründe für das Scheitern des Oslo-Prozesses und die Intentionen des Führers der rechten HaTzionut HaDatit und heutigen Finanzministers, die Palästinenser zu unterwerfen, auszuweisen oder zu bekriegen.

Aber genau diese Benennung der Fakten ist ein Dorn im Auge der israelischen Rechtsregierung, die sich durch den Bau immer neuer Siedlungen und Enteignung palästinensischen Bodens die besetzte Westbank faktisch einverleibt. Durch die gezielte Änderung politischer Diskurse soll eine neue Realität konstruiert werden und unangenehme Vorfälle und Verbrechen gegenüber den Palästinensern ungesehen gemacht werden, in der Hoffnung, dass Falschinformationen – werden sie nur oft genug wiederholt – irgendwann zur gesellschaftlich anerkannten „Wahrheit“ werden. Expert*innen, die den Konflikt seit Jahrzehnten in all seinen Details und Implikationen verfolgen, sind dabei ein Störfaktor.

Die DPG verurteilt auf Schärfste die mediale Kampagne gegen Frau Asseburg. Sie stellt einen Angriff auf die Meinungs- Informations- und Forschungsfreiheit in Deutschland dar. Und sie soll schon jetzt den Boden dafür bereiten zukünftige Kritik an weiteren Schritten der Annektion, der schleichenden Vertreibung der Palästinenser und Menschenrechtsverletzungen unter dem
Vorwurf des „Antisemitismus“ im Keim zu ersticken. Ivesa Lübben, DPG-Vizepräsidentin

Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V.
Präsident Nazih Musharbash
Vizepräsidenten Dr. Detlef Griesche, Ivesa Lübben, Ursula Mindermann, Dr. Ribhi Yousef
Stellungnahme Kontakt
Nazih Musharbash
Hagenberg 58
D-49186 Bad Iburg
musharbash@dpg-netz.de

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