Stellungnahme der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V. zum interfraktionellen Entschließungsantrag von CDU, SPD, Grünen und FDP

An die Bundestagsfraktionen
Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses
Vorsitzende der parteinahen Stiftungen

Stellungnahme der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V. zum interfraktionellen Entschließungsantrag von CDU, SPD, Grünen und FDP

Am 9. November, dem Jahrestag der Reichskristallnacht, wollen die Koalitionsparteien und die CDU einen interfraktionellen Antrag mit dem Titel »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« verabschieden.

Schon im November 2023 hatten die Koalitionsparteien und die CDU jeweils eigene umfassende Entwürfe vorgelegt, über deren Vereinheitlichung die Fraktionen seit mehreren Monaten hinter dem Rücken der Öffentlichkeit verhandeln. Seit dem 7. Oktober gibt es vermehrt Anschläge und Übergriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland, wie auf Muslime und Araber, die kollektiv für den Krieg der israelischen Regierung in Gaza oder für die Massaker und die Entführung israelischer Geiseln durch die Hamas verantwortlich gemacht werden. Aus diesem Grund begrüßt die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V. (DPG) prinzipiell Schritte gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – unabhängig davon, ob sie sich gegen Juden, Araber, Muslime oder andere Minderheiten richten.

Gleichzeitig kritisieren wir die Geheimnistuerei um den geplanten Antrag sowie das, was bislang über den Inhalt an die Öffentlichkeit sickerte. Dem Antrag liegt die IHRA-Definition von Antisemitismus von 2017, die weitgehend Kritik an Israels Politik mit Antisemitismus gleichsetzt, zugrunde. Damit sollen Stimmen in Deutschland, die das genozidale Vorgehen Israels gegen die Palästinenser in Gaza sowie die immer brutaleren Übergriffe von Siedlern und der israelischen Armee in der Westbank verurteilen, mundtot gemacht werden. Die Forderung von Sanktionierung Israels – ein Versuch, die israelische Regierung zur Räumung der Besetzten Gebiete und zur Anerkennung des palästinensischen Rechts auf staatliche Selbstbestimmung zu zwingen – soll kriminalisiert werden. Die staatliche Förderung zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Organisationen soll von dem Bekenntnis zur IHRA-Definition abhängig gemacht werden.

Die DPG sieht darin eine gefährliche Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Gefährdung des sozialen Friedens in Deutschland. In den letzten Monaten wurden bereits dutzende von Seminaren, Filmveranstaltungen, Vorträgen und Ausstellungen international renommierter Künstler:innen und Wissenschaftler:innen – darunter viele Juden – abgesagt, weil diese sich kritisch zu Israel geäußert haben. Wir befürchten, dass mit Verabschiedung der Resolution die Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland weiter eingeschränkt wird.

Gleichzeitig gibt der Bundestag mit dem geplanten Entschließungsantrag der extremistischen israelischen Rechts-Regierung grünes Licht, ungestraft und unter dem Vorwand der Anti-Terrorbekämpfung den Vergeltungskrieg in Gaza und die Vertreibung von Palästinensern aus ihren Dörfern in der Westbank fortzusetzen.
Aus diesem Grund lehnt die DPG den geplanten Entschließungsantrag in Form und Inhalt ab und fordert die demokratischen Parteien im Bundestag auf, die JDA – Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus von 2020 zu übernehmen. Diese JDA-Definition wird von vielen Wissenschaftler:innen als die demokratischere Definition angesehen, weil sie z.B. Kritik am Zionismus oder am Staat Israel und das Einsetzen für die Rechte der Menschen in Palästina nicht per se als Antisemitismus definiert. Unter den Antisemitismusvorwurf nach IHRA würden auch Menschen jüdischen Glaubens fallen, die sich kritisch gegenüber dem Staat Israel äußern. Durch die vorgesehene Resolution wird die Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt und der soziale Friede gefährdet!

Nazih Musharbash
Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V.
Wir erlauben uns, diese Stellungnahme der besonderen Bedeutung wegen zeitgleich zu veröffentlichen.

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