Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) – sehr fragwürdig

Dass der Antisemitismusvorwurf auf das Schändlichste instrumentalisiert wird, ist leider nicht neu. Wie das im einzelnen läuft, hat Itay Mashiach in seiner ebenso gründlichen wie aufschlussreichen Analyse der Aktivitäten der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) aufgezeigt. Der Titel: „Biased – Antisemitismus-Monitoring in Deutschland auf dem Prüfstand“. Der vollständige Bericht kann hier nachgelesen werden. Im folgenden aus der Untersuchung die 

Zusammenfassung

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) ist die wichtigste Anlaufstelle für Antisemitismus in Deutschland. Gestartet als kleines Projekt in Berlin im Jahr 2015, hat sich die überwiegend staatlich finanzierte Organisation zu einem bundesweiten Netzwerk entwickelt und Meldestellen in elf Bundesländern eingerichtet. Zu ihren Aufgaben gehört die Erhebung von Statistiken, die Veröffentlichung von Berichten, die Beratung von Politik und Zivilgesellschaft sowie die regelmäßige Kommentierung des Ausmaßes von Antisemitismus in Deutschland in nationalen sowie internationalen Medien. Eine gründliche öffentliche Untersuchung der Arbeit von RIAS hat bislang nicht stattgefunden.

Der vorliegende, umfassende Bericht des deutsch-israelischen Journalisten Itay Mashiach ist die erste kritische Analyse von RIAS und nimmt sowohl die Grundlagen ihrer Arbeitsweise als auch ihre Öffentlichkeitsarbeit genauer unter die Lupe. Hinsichtlich des wichtigen Anliegens, Antisemitismus in Deutschland zu dokumentieren,  stellt der Bericht einen Mangel an Transparenz fest, wodurch infrage gestellt wird, ob  RIAS überhaupt klare und nachvollziehbare Daten liefern kann. RIAS’ Methodik verschleiert durchweg den Gesamtkontext der registrierten Vorfälle und klassifiziert diese pauschal als antisemitisch, auch auf Kosten anderer wahrscheinlicher Erklärungen. Dabei missbraucht RIAS Definitionen von Antisemitismus, die an sich schon umstritten sind und sich auf Äußerungen zum israelischen Staat konzentrieren.

Mit dieser Methodik ist RIAS zu verblüffenden Schlussfolgerungen gelangt. So kategorisiert RIAS etwa, Anti-Besatzungs-Demonstrationen pensionierter  riedensaktivist*innen, eine Theateraufführung über jüdisch-arabische Beziehungen und  sogar die Rede eines der bekanntesten Historiker Israels über die Lehren aus dem  Holocaust als antisemitische Vorfälle. Ein Großteil der Arbeit von RIAS konzentriert sich auf die Delegitimierung pro-palästinensischen Engagements und die Verunglimpfung von Merkmalen palästinensischer Identität. Der vorliegende Bericht zeigt auf  überzeugende Weise, dass praktisch jede öffentliche Veranstaltung von Palästinenser*innen in Deutschland Gefahr läuft, in die RIAS-Statistik aufgenommen zu  werden. Gleichzeitig verbreitet RIAS in Publikationen einseitige historische und politische Narrative, die Israels Militärbesatzung sowie die Handlungen seiner rechtsgerichteten Regierung legitimieren.

Der Bericht zeigt weiter auf, wie RIAS’ Überbetonung des „israelbezogenen Antisemitismus“ dazu führt, dass die von der extremen Rechten ausgehende Bedrohung unterschätzt wird. So führte RIAS in Thüringen nur 37 Prozent der antisemitischen Vorfälle auf einen „rechtspopulistischen/rechtsextremen Hintergrund“ zurück, wohingegen die Polizei 98 Prozent der von ihr im selben Jahr erfassten antisemitischen Straftaten der rechten Szene zuordnete. Diese Tendenz zur Unterschätzung des rechten Antisemitismus erstreckt sich auch auf die Online-Aktivitäten von RIAS, indem sie viel mehr über „israelbezogenen Antisemitismus“ tweetet, als dieser in der eigenen statistischen Aufschlüsselung der politischen Motivation für antisemitische Vorfälle eine Rolle spielt.

Dieser Bias, gepaart mit einer zugrunde liegenden eternalistischen Vorstellung von Antisemitismus als singuläres Phänomen, das unabhängig von Zeit und Raum existiert, erschwert es, antijüdische Feindseligkeit und Gewalt zu verstehen, und unterläuft damit auch die präventive Arbeit gegen Antisemitismus. Itay Mashiach hat für den vorliegenden Report Hunderte öffentliche und auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes angeforderte Dokumente ausgewertet, umfassende Datenanalysen unternommen sowie Interviews mit Dutzenden Expert*innen geführt. RIAS selbst hat es, trotz mehrfacher Anfragen, abgelehnt, mit dem Autor zu sprechen. Die Recherche und das Verfassen des Berichts wurde von Diaspora Alliance unterstützt, einer internationalen Organisation, die sich dem Kampf gegen Antisemitismus durch die Förderung pluralistischer und demokratischer Werte verschrieben hat. Diaspora Alliance sieht diesen Bericht als Teil umfassender Bemühungen, die Analyse und Bekämpfung von Antisemitismus vor politischer Instrumentalisierung zu schützen.

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