Gegen die israelischen Militär- und Polizeiaktionen. 2000 protestieren auf dem Domshof

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Mehr als 2000 Menschen protestierten am 13. Mai 2021 auf dem Domshof gegen das jetzt seit 55 Jahren andauernde Besatzungsregime in Israel und Palästina und gegen die jüngsten Angriffe der israelischen Armee in Gaza, das Eindringen der israelischen Polizei in die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg und die Vertreibung palästinensischer Famlien aus ihren Häusern in Ost-Jerusalem. Die Organisatoren der Kundgebung, die Palästinensische Gemeinde in Bremen, war selber völlig überrascht darüber, dass so viele ihrem Aufruf gefolgt waren. Es kamen, mit vielen Fahnen und Transparenten, ungefähr fünfmal so viel Teilnehmer als erwartet.

Das Ordnungsamt hatte – außer den jetzt üblichen Anti-Corona-Maßnahmen – strenge Auflagen erlassen. Demnach waren verboten: „jede Verherrlichung von Gewalt“, das„Beleidigen von Personen und Personenmehrheiten und zwar in Wort, Bild oder Schrift“, „Äußerungen, die das Existenzrecht eines Staates verneinen und insbesondere dazu auffordern, Israel zu bekämpfen oder ‚auszuradieren'“ und schließlich die „Werbung für Gruppen und Organisationen, die derartige Aussagen unterstützen“. (aus: Pressemitteilung des Senators für Inneres v. 12.05.2021)

Die Ordner der Palästinensischen Gemeinde versuchten, so gut es ging, Verstöße gegen diese sehr vage formulierten Anordnungen zu vermeiden und überredeten auch mit Erfolg einige Kundgebungsteilnehmer, einige Transparete nicht zu zeigen. Die Situation war zeitweise bedrohlich. Die Polizei zeigte mit starken Kräften ihre Präsenz und baute Absperrgitter rund um die Kundgebung auf. Detlef Griesche, Vorstandsmitglied der Deutsch-Palänstinensischen Gesellschaft und ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter, setzte sich mit großer Intensität bei der Polizeiführung dafür ein, dass die Dinge nicht eskalierten. „Die Kundgebung“, so Griesche, „richtet sich gegen die eskalierende Gewalt in Palästina und Israel, insbesondere die völkerrechtswidrige Unterdrückung des palästinensischen Volkes und der zunehmenden Vertreibung und geplanten Annexionen in Jerusalem.“ (Weserkurier v. 14.05.2021)

Eigentlich war geplant, dass der Mufti der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem online zugeschaltet würde und zu den Kundgebungsteilnehmern per Lautsprecher reden könnte. Aus technischen Gründen aber kam die Übertragung nicht zustande.

In den deutschen Medien wird dieser „Konflikt“, der schon wieder ein Krieg ist, als die Auseinandersetzung zwischen zwei Kontrahenten dargestellt, wovon die einen (Hamas) die Bösen und die anderen (Israel) die Guten sind. Entsprechend befindet der deutsche Außenminister, Heiko Maas (SPD); „Die jüngste Eskalation hat die Hamas willentlich und wissentlich herbeigeführt, indem sie über 1000 Raketen wahllos auf israelische Städte geschossen hat, in vollem Bewusstsein der Konsequenzen. Wer so rücksichtslos handelt, trägt Verantwortung auch für die entsetzlichen humanitären Folgen, die Hunderttausende Menschen auf beiden Seiten jetzt erleiden. Israel verteidigt sich, weil es muss.“ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung v. 13.05.2021)

Die Wirklichkeit sieht wohl etwas anders aus. Den jetzigen Kämpfen vorausgegangen waren die Vorgänge in Jerusalem.

  • Extremistische Siedler hatten in den letzten Wochen versucht, mehrere palästinensische Familien aus ihren Häusern in Ost-Jerusalem zu vertreiben.
  • Mehr als 1000 israelische Polizisten waren am Montag schwer bewaffnet auf den Tempelberg gestürmt, in die Al-Aksa-Moschee eingedrungen und hatten in der Moschee Tränengas- und Blendgranaten gezündet. Die Al-Aksa-Moschee ist das drittwichtigste Heiligtum des Islams.
  • Angedroht war außerdem ein Marsch von rund 30.000 rechtsradikalen Siedlern in die von Palästinensern bewohnten Viertel der Altstadt von Jerusalem. Der Marsch wurde verboten.
  • Die Hamas und der Islamische Dschihad hatte daraufhin ein Ultimatum gestellt und den Rückzug der israelischen Polizei vom Tempelberg gefordert.

Danach erst begann der Raketenbeschuss aus Gaza und als Reaktion die Angriffe der israelischen Armee auf Gaza. Folgt man dem israelischen Kommentator der liberalen Zeitung Ha’aretz in Tel Aviv, Gideon Levy, so hat die jetzige israelische politische Führung nur darauf gewartet, mal wieder ihr riesiges militärisches Zerstörungspotential einsetzen zu können. „Those Who Thirst for Blood“ („Sie wollen Blut sehen“) – so hat Gideon Levy seinen bitteren und pessimistischen Kommentar überschrieben. „Die blutrünstigen Krieger nehmen ihre Masken der politischen Rechtschaffenheit ab und zeigen ihr wahres Gesicht. Wohntürme in Gaza stürzen ein wie Kartenhäuser. Dass Menschen in den Häusern wohnen, kümmert sie nicht. Sie wollen zerstören und Blut fließen sehen. Hauptsache, es ist arabisches Blut.“ (All they want is to see blood. Arab blood, as much as possible – blood, the more the better – blood, the main thing is that Arab blood is spilled. Residential towers are collapsing like houses of cards in Gaza, and ruined worlds beneath them are a mild joke for them. They want to see blood, not only ruins, fear and destruction.) (Haaretz v. 13.05.2021)

Die jüngsten Meldungen von heute (14.05.2021): Israel hat seine sogenannten Vergeltungsschläge im Gazastreifen ausgeweitet. „Luft- und Bodentruppen greifen gegenwärtig im Gazastreifen an“, teilte die israelische Armee auf Twitter mit. Und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu teilte mit: „Ich habe gesagt, dass Hamas einen sehr hohen Preis zahlen wird.“ Und: „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, und diese Operation wird so lange wie nötig weitergehen.“ (Tagesschau v. 14.05.2021)
Sönke Hundt

 

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