Wegen Francesca Albanese: Razzia bei der „jungen Welt“

Wie die junge Welt heute morgen meldete, war die Polizei gestern (18.02.2025) mit großem Aufgebot  aus Anlass einer Veranstaltung mit der UN-Sonderberichterstatterin in die Verlagsräume der Zeitung eingedrungen. Die Veranstaltung mit dem Titel »Reclaiming the Discourse: Palestine, Justice and the Power of Truth« hatte ursprünglich im »Kühlhaus« in Berlin-Kreuzberg stattfinden sollen. Am Dienstag morgen sagten die Vermieter nach behördlichem Druck aber die Räume ab. An die Wände dort hatte jemand auf englisch die Sätze »Albanese, du bist eine Antisemitin« und »UNRWA unterstützt Terror« (UN-Palästina-Hilfswerk) gesprüht. Daraufhin erklärte sich der Verlag 8. Mai bereit, Räume zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der kurzfristigen Verlegung konnten jedoch deutlich weniger Menschen teilnehmen als ursprünglich geplant.

Organisiert hatten die Veranstaltung die Initiativen »Eye for Palestine«, »Gaza Komitee« und »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«. Neben Albanese war u. a. die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International geladen. Auch die palästinensische Journalistin Hebh Jamal, der britisch-israelische Architekt Eyal Weizmann von der Rechercheplattform »Forensic Architecture« sowie der Musiker Michael Barenboim sollten sprechen. Wieland Hoban, Vorsitzender der Organisation »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«, machte zu Beginn die Tragweite des Vorgangs klar: »Wir sind in Deutschland. Eine Veranstaltung wie diese zu organisieren ist – leider – ein Akt des Widerstands.« Außerdem wurden Dokumentationen gezeigt. Der Violinist Barenboim spielte Mozart und traditionelle palästinensische Musik mit dem »Nasmé Ensemble«.

Hier Auszüge aus dem Bericht der jungen Welt: 
„Diese martialische Kulisse bot sich am Dienstag Teilnehmern der Veranstaltung zum Krieg im Gazastreifen in der Maigalerie der jungen Welt. Die Polizisten waren gegen den Willen der jW-Geschäftsführung in den Veranstaltungsraum in der Berliner Torstraße eingedrungen – der »Gefahrenabwehr« wegen.
[…] 
In ihrer Rede sprach Albanese die historische Verantwortung Deutschlands für das internationale Recht an, da von deutschem Boden bereits mehrere Völkermorde ausgegangen seien. Die »Unterdrückung der Palästinenser« durch den »israelischen Siedlerkolonialismus« und den »Genozid in Gaza« nannte sie »eines der drängendsten Probleme unserer Zeit«. Darüber hinaus kritisierte die Juristin das repressive Klima in Deutschland. Nicht Politiker und Journalisten entschieden darüber, was ein Völkermord sei. »Warum kann man hier darüber nicht sprechen«, warf sie fragend in den Raum.

Das Vorgehen der Polizei erinnerte an den Palästina-Kongress im April 2024, der von Bereitschaftspolizisten gestürmt und im Anschluss verboten worden war. Die Veranstalter befinden sich aktuell im Rechtstreit darüber, ob das damalige polizeiliche Vorgehen rechtmäßig war. Wie beim Palästina-Kongress erklärten die Behörden die Veranstaltung auch am Dienstag kurzerhand zu einer »Versammlung in geschlossenen Räumen«. Das ermöglicht deutlich erweiterte Befugnisse, wie Zutritt zu Räumen gegen den Willen des Hausrechtsinhabers.

Im Gespräch mit den Veranstaltern hatten die Beamten zuvor erklärt, die Einsatzschwelle sei bei der Veranstaltung »niedrig«. »Im Sinne der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit« müsse die UN-Sonderberichterstatterin auftreten können, damit sich Zuschauer selbst ein Bild machen können, erklärte Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer des die jW herausgebenden Verlags 8. Mai.“

Der vollständige Bericht mit Fotos der jW hier: https://www.jungewelt.de/artikel/494289.html

Hier der Bericht der Taz v. 12.02.2025 über die Absage des Vortrages von Albanese an der Freien Universität Berlin
https://taz.de/UN-Berichterstatterin-Francesca-Albanese/!6069186/

Eine Ergänzung von Karin Wetterau (19.92.2025) per Rundmail: „Derweil hat die Berlinale ihren nächsten Antisemitismuskandal. Erst Tilda Swinton, dann der Schauspieler Erfan Shekarritz („Queerpanorama“), weil er in seiner Rede gegen den „Völkermord gegen die Palästinenser“ protestiert hat. Die Berliner Polizei und der Staatsschutz ermitteln. Inzwischen gibt es in Deutschland kein kulturelles Event von nationaler oder internationaler Bedeutung, das nicht mit juristisch, moralisch und politisch völlig unhaltbaren Antisemitismusvorwürfen bis hin zur Kriminalisierung überzogen würde. Wo leben wir? Dort, wo man aus der Geschichte gelernt hat???Karin Wetterau“

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