Die zweite Phase des Waffenstillstands

Die erste Phase des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hamas wird Anfang März auslaufen. Israel ist in der Frage gespalten, ob über Phase 2 des Waffenstillstands verhandelt werden soll. Der rechte Flügel will unbedingt eine Fortsetzung des Krieges, während die Familien der Geiseln und die Ökonomen ein Ende fordern. Trump erklärte, Israel solle die Waffenruhe brechen.

Die wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Auswirkungen von mehr als 500 Kriegstagen werden mit der Verlängerung des Waffenstillstands sichtbar werden, aber auch durch die Fortsetzung des Krieges drohen ökonomische Auswirkungen mit unvorhersehbaren Ergebnissen. Die Hamas hat angeboten, alle Geiseln im Gegenzug für einen dauerhaften Waffenstillstand freizulassen.

Der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, der den Austausch von Gefangenen vorsieht (siehe BIP-Aktuell #333), ist in Phasen unterteilt. Phase 1 soll 42 Tage dauern und am 2. März enden. Die Verhandlungen über Phase 2 haben bereits begonnen, obwohl Israel beschuldigt wird, Phase 1 des Waffenstillstands zu verletzen, indem es Palästinenser im Gazastreifen angreift und den Nachschub von Hilfsgütern behindert.

In Israel ist die Auffassung verbreitet, dass der Krieg zu Ende sein wird, wenn die Waffenruhe länger als eine Phase andauert – der Grund:  Israel habe dann keine andere Wahl, als seine militärische Bereitschaft zu verringern und Zehntausende von Reservisten wieder ins zivile Leben zu entlassen (Quelle auf Hebräisch). Wirtschaftswissenschaftler haben davor gewarnt, dass die Wiederaufnahme des Krieges in Gaza nach Phase 1 für die israelische Wirtschaft untragbare Kosten verursachen wird. Jeder Tag, an dem die Reservisten im Einsatz sind, kostet die israelische Staatskasse rund 100 Millionen Euro (Quelle auf Hebräisch). Am Montag, dem 17. Februar, hatten alle israelischen Zeitungen und Fernsehkanäle die gleiche Schlagzeile: „500 Tage Krieg“. Sogar rechte Zeitungen räumten ein, dass der Krieg der israelischen Wirtschaft und Gesellschaft Schaden zufügt, und plädierten für ein Ende (Quelle auf Hebräisch).

Die israelische Regierung zögert jedoch, zu Phase 2 des Waffenstillstands überzugehen. Netanjahu sprach sich gegen eine Verlängerung des Waffenstillstands aus. Die rechtsextremen Politiker in Israel, angeführt von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, drohten beide mit dem Sturz der Regierung. Netanjahus Argument gegen den Waffenstillstand ist sein Wunsch, die Hamas zu „vernichten“. Smotrich und Ben-Gvir machen keinen Hehl aus ihrem Plan, den Gazastreifen von seiner Bevölkerung zu „säubern“ und sie durch jüdische Siedlern zu ersetzen. Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Regierung Angst vor dem Waffenstillstand hat: Wenn Zehntausende von Reservisten nach Hunderten von Kampftagen ohne Unterbrechung entlassen werden, wird dies eine unvorhersehbare Krise in Israel auslösen. Zehntausende von Soldaten, die unsägliche Gräueltaten begangen haben, werden in eine veränderte Gesellschaft zurückkehren. Etliche haben keine Arbeit mehr, weil ihre Firma durch den Krieg bankrott ist. Im Jahr 2024 wurden in Israel schätzungsweise 60.000 Unternehmen geschlossen. Andere haben den Kontakt zu ihren Familien und Angehörigen verloren. Emotional traumatisiert durch den Mord an Zivilisten, den sie begangen haben, und durch den Verlust von Kameraden auf dem Schlachtfeld, stellen diese Soldaten eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft dar.

Die Eigendynamik des Gefangenenaustauschs hat starke Auswirkungen auf den politischen Diskurs in Israel. Die emotionalen Zusammenkünfte von Familien mit den freigelassenen Geiseln werden ausführlich geschildert und im Fernsehen übertragen (Quelle auf Hebräisch), während die Freilassung der palästinensischen Gefangenen nur von den Rechtsextremisten als „hoher Preis“ bezeichnet wird (Quelle auf Hebräisch). Dieser Diskurs führt dazu, dass der Druck auf die israelische Regierung wächst, zu Phase 2 des Waffenstillstandsabkommens überzugehen, um die Freilassung der verbleibenden Geiseln zu erreichen und den Krieg zu beenden.

Die Hamas hat damit gedroht, keine weiteren Geiseln freizulassen, wenn Israel die Waffenruhe bricht. Diese Drohung führte zu heftigen Auseinandersetzungen in Israel. Die Familien der israelischen Geiseln verlangten, dass die Regierung den Waffenstillstand nicht brechen darf, aber für die rechten Kräfte spielen die Geiseln keine Rolle. Im Gegensatz zu den Familien der Geiseln haben diese jedoch die Macht, die Regierung zu stürzen. Präsident Trump meinte öffentlich, Israel solle die Waffenruhe brechen, schickte aber seinen Gesandten Steve Witkoff nach Israel, um sich mit Netanjahu zu treffen. Netanjahu beschrieb das Treffen so, als habe Witkoff ihn gezwungen, zu Phase 2 des Waffenstillstands überzugehen – aber Netanjahu könnte Witkoff als Vorwand benutzt haben, um die Kritik von Ben-Gvir und Smotrich abzuwehren (Quelle auf Hebräisch).

Am 19. Februar unterbreitete die Hamas ein weiteres Angebot: Sie bot an, alle israelischen Geiseln im Gegenzug für einen dauerhaften Waffenstillstand freizulassen. Die internationalen Medien, außer den deutschen, berichteten über diesen Vorschlag der Hamas, den Krieg zu beenden. Israel hat den Vorschlag abgelehnt. Die Hamas weiß, dass Israels rechtsextreme Regierung eine friedliche Lösung nicht akzeptieren wird.
 
Kommentar: Da Israel gegen das Abkommen verstößt und sich weigert, die palästinensischen Gefangenen fristgerecht freizulassen, ist das Thema dieser Ausgabe von BIP-Aktuell in schnellem Fluss. Der Beitrag wurde redaktionell am 21. Februar abgeschlossen.

Quelle: https://bip-jetzt.de/blog/ (24.02.2025)

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