Von Jeff Halper (Direktor des israelischen Komittees gegen Hauszerstörungen, ICAHD)
Die Judaisierung Jerusalems und der West Bank schreitet zügig weiter voran, trotz (und tatsächlich wegen) der sogenannten Kerry-Initiative. Während der vergangenen Monate hat die israelische Regierung ihre Kampagne der Zerstörungen in Jerusalem, in der strategisch wichtigen E1 Zone zwischen Jerusalem und der Siedlung Maale Adumin, in den Hügeln südlich von Hebron und im Jordantal intensiviert.
Nach Zahlenmaterial der UN wurden in den ersten zwei Monaten des Jahres 2014 231 Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben. In diesem Zeitraum wurden 132 Gebäude zerstört – eine klare Steigerung gegenüber dem Jahr 2013, in dem insgesamt 1103 Gebäude zerstört und 663 Menschen vertrieben wurden. Das war bis dahin, bezogen auf die vorangegangenen Jahre, ein Rekord. Neben Wohnhäusern bezieht sich der Begriff ‘Gebäude’ sowohl auf Ställe und eingezäunte Bereiche als auch auf Wasserspeicher und sogar auf öffentliche Gebäude, wie etwa Schulen, allesamt essentiell für das Überleben und das Gemeindeleben der Palästinenser. Insgesamt schätzt das Israelische Kommitee gegen Hauszerstörungen, dass seit 1967 ca 29000 Wohnhäuser und Nutzgebäude von Palästinensern in den Besetzten Gebieten zerstört worden sind. Dabei ist die fortwährende Zerstörung von Häusern und Unterkünften von palästinensischen Bürgern und von Beduinen innerhalb Israels selbst nicht mitgezählt.
Gleichzeitig hat die israelische Regierung natürlich den Bau von Tausenden von neuen Häusern und Projekten der Infrastruktur in den Siedlungen der West Bank und Ost-Jerusalems angekündigt. Während sie also weitere 1500 Wohneinheiten in der illegalen Siedlung Ramat Shlomo, sowie weitere 558 Wohneinheiten in anderen Siedlungen in Ost-Jerusalem und 3500 weitere in der West Bank genehmigt hat, erteilte sie Abrissbefehle für 2000 Wohneinheiten im nahegelegenen Ras al-Kharmis und im Flüchtlingslager von Shuafat.
‘Hauszerstörungen’ sind natürlich nur der sichtbare Teil des Problems. Vertreibung durch die Verweigerung des Zugangs zu Wasser oder zu landwirtschaftlicher Nutzfläche oder durch die Enteignung von Land, das für die Fortführung des palästinensischen Gemeindelebens notwendig ist, ist das eigentliche Ziel der Zerstörungspolitik. In Ost-Jerusalem errichtet die israelische Regierung einen ‘Nationalpark’ auf dem Land der Issawiya und der al Tur im Nordosten der Altstadt. Hierdurch werden ostjerusalemer Gemeinden fragmentiert, während gleichzeitig eine ‘Brücke’ entsteht zwischen dem israelischen Jerusalem und Maale Adumin. Auf diese Weise wird ein sogenanntes ‘Groß-Jerusalem’ geschaffen, das die West Bank halbiert und damit faktisch jegliche Aussicht auf einen zusammenhängenden palästinensischen Staat beendet.
Infolge eines Prozesses, den Israel offiziell als ‘Judaisierung’ bezeichnet, leben nun 40% der jüdischen Bewohner Jerusalems im palästinensischen Teil der Stadt, und zwar in ausgedehnten Siedlungen, die die Palästinenser in kleine Ghettos zusammendrängen. Der palästinensische Stadtteil Sheikh Jarrah wird entvölkert, die Bewohner durch israelische Juden ersetzt; kürzlich verkündete die Gemeindeverwaltung den Bau eines 12stöckigen Gebäudes mit Schlafsälen und Klassenräumen für jüdische Yeshiva Studenten im Herzen des Stadtteils. Silwan ist ebenfalls im Begriff, von der Landkarte gelöscht zu werden: Es ist bereits in ‘Davidstadt’ umgetauft worden, zu einem israelischen Nationalpark gemacht und von Dutzenden von Siedlerfamilien ‘judaisiert’ worden. Die Regierung plant, 88 palästinensische Häuser hier zu zerstören um Platz zu machen für Parkplätze und Parkeinrichtungen.
In anderen Stadtteilen Jerusalems, in al Tuzr z. B. oder in Jabal Mukkaber, Sur Baher und Beit Hanina, finden Zerstörungen langsamer, aber stetig statt. Das geschieht sozusagen ‘unterhalb des Radars’, um internationale Kritik zu vermeiden, aber dennoch palästinensische Familien wirksam daran zu hindern, ihren Lebensstandard zu verbessern. Hier ist die Botschaft das Gegenstück zu ‘Judaisierung’: ‘de-Arabisierung’. Die palästinensische Bevölkerung Jerusalems – immerhin ein Drittel der Einwohner – zu zwingen, unter miserablen Bedingungen zu leben (man muss nur einmal die Infrastruktur von Ost- und West-Jerusalem vergleichen) ist nur ein weiterer Teil der Strategie der Vertreibung.
Diese Strategie beinhaltet noch einen weiteren Trick: Israel praktiziert eine erklärtermaßen rassistische Politik, die darin besteht, eine 72% Mehrheit von Juden gegenüber Arabern in Jerusalem erreichen und halten zu wollen. Wie erreicht man das? Nun, es geschieht durch die duale Politik der Hauszerstörungen in Kombination mit der Vorenthaltung von Baugenehmigungen für Palästinenser. Dies hat zu einem Mangel von 25000 Wohneinheiten im palästinensischen Sektor geführt, was wiederum die Preise für das knappe Wohnungsangebot, das Palästinensern zur Verfügung steht, in die Höhe getrieben und Tausende – 70% der Palästinenser Ost-Jerusalems leben unterhalb der Armutsgrenze – dazu gezwungen hat, preiswerte Wohnungen in den arabischen Nachbarschaften jenseits der manipulierten Grenzen Jerusalems, z. B. in Bir Naballah, al-Ram, al Eizariya oder Abu Dis zu suchen.
Indem sie aber nun ihren ‘Lebensmittelpunkt’ dorthin verlegen, verlieren diese unglückseligen Palästinenser, die keine Bürger Israels, sondern nur ‘Dauerbewohner Jerusalems’ sind, ihre Wohnrechte und werden dadurch daran gehindert, Jerusalem wieder zu betreten, selbst, wenn sie dort ihre Arbeitsstelle haben. HaMoked hat das Innenministerium dazu gezwungen, offenzulegen, dass seit 1967 14309 Palästinenser ihr Wohnrecht in Jerusalem verloren haben. So wird der Prozess der ‘Judaisierung‘ der Stadt erfolgreich vorangetrieben.
Dieselbe Politik der Vertreibung, der de-Arabisierung und der Judaisierung findet in der West Bank statt. Israel hat die West Bank nahezu vollständig in ‘landwirtschaftliche Zonen’ aufgeteilt. Dies liefert die formale Begründung für die Verweigerung von Baugenehmigungen für Palästinenser und für die Zerstörung aller Arten von Gebäuden, die sie dort errichten. Im Jordantal und in den Hügeln südlich von Hebron werden die Bewohner ganzer Dörfer vertrieben. (Es versteht sich von selbst, dass Israel anschliessend eine Umwidmung des Landes vornimmt, sodass der anschließende Siedlungsbau dort legal ist). Im Jahre 1967 lebten ca. 32000 Palästinenser im Jordantal; heute sind es noch ca. 55000, von denen jedoch nur 15 000 in der C-Zone (einem Gebiet das 30% der West Bank umfasst) außerhalb von Jericho leben. Die Hälfte von ihnen sind Beduinen.
Die Gemeinden in der C-Zone stehen unter enormem Druck der Hauszerstörungen. 94% der landwirtschaftlichen Nutzfläche dürfen sie nicht betreten. Die Zerstörung palästinensischer Häuser findet jedoch nicht nur in den Besetzten Gebieten statt. Das gesamte Land wird judaisiert. Palästina wird umgeformt in das Land Israel. Innerhalb der letzten Jahre hat die israelische Regierung dreimal mehr Häuser innerhalb Israels zerstört, als in den Besetzten Gebieten.
Die beduinisch-palästinensische Gemeinde von al-Araqib, deren Bewohner israelische Staatsbürger sind, ist bereits 61 Mal vollständig zerstört worden (und jedesmal von ihren Einwohnern und Unterstützern wieder aufgebaut worden.)
Israelische Offizielle sagen:’Wir haben 1948 nie vollendet.’ Das bedeutet nicht, dass sie aufgegeben haben, es zu versuchen.
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Montag 07/04/2014, 18:29 (Jerusalem)
Analysis: Demolishing homes, demolishing peace
Published Wednesday 26/03/2014 (updated) 04/04/2014 21:47
(MaanImages/File)
Übersetzung: Doris Flack