Moshe Zuckermann: „Bin kein selbsthassender Jude, ich hasse die Faschisten in Israel“

Der Abend mit Moshe Zuckermann im Bremer Überseemuseum war eine Sternstunde, ein brillanter Vortrag des vielleicht besten Kenners der Debatten sowohl in Israel als auch in Deutschland über die israelische Kriegs-, Besatzungs- und Landnahmepolitik. Die verworrene sowie ideologisch und politisch aufgeladene Antisemitismus-Diskussion, so Zuckermann, sei im Prinzip einfach zu durchschauen. Man müsse nur die Kategorien Judentum und Zionismus und den Staat Israel politisch, ideologisch und historisch sorgfältig voneinander trennen. Die Gegenseite versuche genau das Gegenteil, nämlich die Kategorien in eins zu setzen und so jede Kritik am Zionismus und erst recht jede Kritik am Staat Israel mit dem Antisemitismus-Vorwurf zu überziehen.Moshe Zuckermann begann seinen Vortrag mit zwei „Anekdoten“, die die hiesigen Medien der letzten Zeit sehr beschäftigt hätten: einmal die (angeblich) antisemitische Karrikatur in der Süddeutschen Zeitung vom 15. Mai 2018 und zum anderen die sogenannte „Gürtelattacke“ in Berlin, die zur Aktion „Berlin trägt Kippa“ geführt hatte. Beides nahm er zum Anlass, Hohn und Spott über typisch deutsche Befindlichkeiten auszugießen. Ob die deutschen Frauen, die bei der Aktion eine Kippa aufgesetzt hatten, eigentlich wüssten, dass orthodoxe jüdische Frauen dies gerade nicht tun? Oder ob Kippa-Trägerinnen und -träger wüssten, dass eine schwarze Kippa ein religiöses Symbol für gläubige (orthodoxe und streng orthodoxe) Juden seien, und für Nicht-Gläubige nicht schicklich? Und dass die gehäkelte Kippa wiederum von den national-religiösen Juden getragen würde und immer mehr zum Symbol für die rechts-radikale Siedlerszene geworden sei?!

Es wurde deutlich, dass Zuckermann, selber Sohn eines Auschwitz-Überlebenden, sich durch die in Frankfurt von Uwe Becker, dem CDU-Bürgermeister angeführte Kampagne gegen kritische Juden persönlich getroffen fühlte. Zuckermann versuchte, am Beispiel Becker etwas den sozialpsychologischen Untergrund dieser Kampagne auszuloten. Zuckermann wörtlich: „Worum geht es einem wie Becker eigentlich? Er könnte sich doch aus allem heraushalten oder schlicht die Klappe halten. Er müsste sich doch gar nicht involvieren und sagen, ich muss jetzt irgendwie die Antisemiten bekämpfen. Wenn er aber meint, den Sohn eines Auschwitzüberlebenden als Antisemiten zu apostrophieren, dann hat Uwe Becker mit mir ein Problem als dem Juden. Nicht mit mir als dem Israelkritiker, sondern mit mir als dem Juden. Und das lässt mich auf die Idee kommen, dass vielleicht Uwe Becker versucht, was in den Griff zu kriegen, was er nicht ganz im Griff hat. Nämlich ein Stück Antisemitismus, der ihn antreibt. Ich fürchte sehr, dass heute diejenigen, die die Juden als Antisemiten apostrophieren, meinen, endlich an den Juden austoben zu können, was für sie normalerweise tabuisiert ist. Und dafür haben sie zwei Wege. Der eine ist, sie können sich am Islam und an den Palästinensern austoben, das heißt islamophob statt antisemitisch zu sein. Und der andere ist, sich an dem Juden auszutoben, indem sie sagen, aber der ist ja antisemitisch. Das, meine Damen und Herren, liebe Freunde und Freundinnen, ist etwas, was erörtert gehört.“

Es lohnt, sich den Vortrag auf Weltnetz.tv vollständig anzusehen bzw. anzuhören. Hier: https://youtu.be/upeGoqpyOY8. Geht man auf direkt auf youtube, kann man sich direkt zu bestimmten inhaltlichen Punkten im Video klicken:

  • (1) Aufregung über die Karrikatur in der Süddeutschen Zeitung (Min. 8:02)
  • (2) Die Aktion „Berlin trägt Kippa“ (Min. 15:43)
  • (3) Drei ganz verschiedene Kategorien: Judentum, Zionismus, Israel (Min 27:32)
  • (4) Natalie Gutman verweigert die Annahme des „Genesis“-Preises aus politischen Gründen (Min 34:55)
  • (5) Die historische Sackgasse des Zionismus (Min 1:05:54)
  • (6) Beteiligt sich an der Diskussion: Clemens Messerschmidt, der Wasserexperte für Israel und Palästina (Min 1:22:29)
  • (7) Beteiligt sich an der Diskussion: Kerstin Cademartori von der LAG Gerechter Frieden in Nahost der LINKEN Niedersachsen (Min 1:30:46)

Aus Hannover waren Clemens Messerschmidt, der bekannte Hydrologe und der Wasserexperte für den Nahen Osten (der am 10. November 2016 hier im Überseemuseum war, wir berichteten (http://nahost-forum-bremen.de/?p=3717) und Kerstin Cademartori von der LAG Gerechter Frieden Nahost im Landesverband Niedersachsen der Linkspartei. Die AKL (Antikapitalistische Linke) hatte in einer Erklärung die von der bündnisgrünen und der linken Fraktion gemeinsam in den Bundestag eingebrachten Antrag zu „70 Jahre Israel“ heftig kritisiert.

Der Vortrag von Moshe Zuckermann ist in voller Länger und die Diskussion in Auszügen auf dem Video bei Weltnetz.tv nachzuvollziehen.
Sönke Hundt

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