„Bei Israel geht es immer um entweder oder“

Man kann nur staunen, dass es so etwas Abgewogenes und Differenziertes angesichts der aufgeladenen und zum Teil hysterischen Antisemitismusdebatte in
Teilen der Öffentlichkeit und den Verfolgungen von engagierten Nahostengagierten und Auswüchsen der Verbots- und Diffamierungskampagnen bei Veranstaltungen durch selbsternannte „Israelfreunde“ noch gibt. Freunde, auf die,  wie jüngst der israelische Bestsellerautor in seinem neuen weltweit auflagenstarkem Buch formulierte, ein demokratisches Israel gern verzichten sollte. Dieses Buch wie dieser Artikel in der Frankfurter Rundschau sollten Pflichtlektüre für alle sog. Antideutschen und sonstige selbsternannte „Antisemitismus“-jäger sein.
Mit besten Grüssen
Detlef Griesche

https://www.fr.de/politik/bei-israel-geht-es-immer-um-entweder-oder-90036351.html
Frankfurter Rundschau online, 03.09.2020

Hier ein Auszug aus dem Interview:

von Inge Günther und Bascha Mika

Warum schwanken die Deutschen zwischen Unterwürfigkeit und überzogener Kritik, wenn es um Israel geht? Und gibt es ein Zaubermittel gegen Antisemitismus? Ein Gespräch mit Cilly Kugelmann und Wolf Iro.

Anders als im modernen Fußball fehlt beim Thema Antisemitismus die Technik, um über Abseits-oder-nicht entscheiden zu können. Sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann. Besonders beim Israel-bezogenen Antisemitismus sei das Abseits unklar. Frau Kugelmann, Herr Iro, können Sie uns aufklären, wo das Abseits beginnt?

Cilly Kugelmann: Ich verstehe gar nichts von Fußball und weiß auch nicht, was Abseits ist. Aber tatsächlich ist auch mir ein Fußballvergleich eingefallen, als wir im Jüdischen Museum über Antisemitismus diskutierten: Alle reden darüber, alle scheinen etwas darüber zu wissen und unterschätzen dabei, wie komplex die Sache ist.

Wolf Iro: Moshe Zimmermann ist ein großer Fußballfan und er hat recht. Oft fällt es schwer zu entscheiden, ob es sich um Kritik an Israel handelt oder um antisemitische Ressentiments. Hinzu kommt, dass die Kritik an Israel ja an vielen Punkten berechtigt ist. Wem Israel am Herzen liegt – und das sollte es uns allen – der muss bestimmte gesellschaftliche Zustände in dem Land kritisieren.

Das müssen Sie erklären…

Iro: Die israelische Gesellschaft hat in den letzten Jahren eine sehr bedenkliche Entwicklung genommen, zivilgesellschaftliche und demokratische Errungenschaften wurden abgebaut, die Besatzung verfestigt. Dies zu kritisieren hat nichts mit einer antisemitischen Haltung zu tun, sondern mit der Sorge um das Land.

Kugelmann: Antisemitismus ist immer kontextabhängig. Deswegen ist er so schwer zu definieren. Diese Kontextabhängigkeit hat auch etwas mit Sprache zu tun. Bereits die Sprachformel Israel-Kritik oder Israel-kritisch ist ein Problem. Im Duden ist es das einzige Land, bei dem es diesen Zusatz gibt. Es geht aber nicht darum, Staaten zu kritisieren, sondern Regierungen, politische Maßnahmen und gesellschaftliche Verhältnisse. Wenn man präzise bleibt, gerät man doch gar nicht in den Verdacht, ressentimentgeladen zu sein. Je pauschaler die Sprache, desto mehr muss man sich fragen, ob die Kritik angemessen ist.

Verschärft der BDS-Beschluss des Bundestages dieses Problem nicht noch, in dem er Kritik an Israel und Antisemitismus zusammenrührt?

Iro: In ultrarechten Kreisen in Israel gibt es ein hohes Interesse daran, Antisemitismus und Kritik an Israel gleichzusetzen und diese Agenda massiv zu puschen. Ein Ergebnis davon ist die Bundestagsresolution zum BDS. Das Problem ist: Deutschland will damit Verantwortung ausdrücken, aber in Wahrheit hat man keine Kenntnis von den gesellschaftlichen Realitäten vor Ort.

Kugelmann: Es gibt inzwischen in Deutschland eine anti-antisemitische Strömung, die für mich Analogien zu dem aufweist, was sie bekämpft. So wie Antisemiten überall Juden sehen, sehen Anti-Anti-Semiten überall Antisemiten. Wir werden überflutet mit absurden Definitionen…

Das vollständige Interview hier:
https://www.fr.de/politik/bei-israel-geht-es-immer-um-entweder-oder-90036351.html

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