René Wildangel, Historiker und bis 2015 Leiter des Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah, hat in www.Quantara.de eine ausführliche Besprechung / Empfehlung über den Dokumentarfilm „Til Kingdom Come“ der israelischen Regisseurin Maya Zinshtein geschrieben. Über den Film wurde ausführlich am 3. November 2020 im NDR-Fernsehen berichtet (kann in der ARD-Mediathek hier angesehen werden) Ebenso aufschlussreich wie erschreckend. René Wildangel schreibt: Die letzten Stimmen werden noch ausgezählt und Donald Trump weigert sich bis zum Schluss, die Ergebnisse des demokratischen Prozesses anzuerkennen. Dabei hat eine Wählergruppe seine Niederlage nicht zu verantworten: Die evangelikalen Christen.
In einem neuen Dokumentarfilm zeigt die israelische Regisseurin Maya Zinshtein nochmal eindringlich, welchen Einfluss diese Gruppe auf Trumps Agenda, aber insbesondere auf die amerikanische Nahostpolitik nehmen konnte.
An Filmen und Büchern über das Thema mangelt es nicht – aber was diesen Film besonders sehenswert macht, ist die Tatsache, dass Zinshtein ihre Rolle als israelische Filmemacherin nutzt, um einzigartigen Zugang zu evangelikalen Akteuren zu bekommen.
Und der wird ihr bei den Dreharbeiten offensichtlich nur gewährt, weil sie als jüdische Israelin aus dem „Gelobten Land“ ihrer Gesprächspartner kommt, die nach dem biblischen Motto „Ich will segnen, die Dich [Israel] segnen“ agieren. […]
Antisemitische Klischees
Gegenüber der Dokumentarfilmerin Zinshtein legen die evangelikalen Protagonisten ihre Ansichten völlig ungeschönt dar. Ihrem Glauben nach wird Jesus erst auf die Erde zurückkehren, wenn alle Juden in Israel versammelt sind. Aber am Jüngsten Tag stehen die angeblich so verehrten Juden vor einer fatalen Wahl: Sie sollen entweder zum Christentum konvertieren oder untergehen.
Als die Israelin Zinshtein Pastor Bingham Senior (den Vater des oben genannten) im Interview fragt, was denn mit jenen Juden in Israel passieren solle, die das Christentum dann nicht anerkennen wollen, lässt er daran auch keinen Zweifel.
Das Verhältnis der Evangelikalen zu Israel als jüdischem Staat ist bestenfalls ambivalent: Einerseits wird gepredigt, Juden seien die besseren Menschen und Israel das Gelobte Land. Im selben Atemzug werden dann aber die wildesten antisemitischen Klischees bedient.
Mit Biden als neuem US-Präsident wird der einmalige, direkte Zugang der Lobbyisten zum Präsidenten ebenso schwinden wie die abstrusen Umdeutungen des Völkerrechts in Bezug auf den Konflikt in Israel und Palästina – nicht aber der Einfluss der evangelikalen Verbände.
Um hier eine Gegenreaktion zu schaffen, wäre wohl etwas anderes nötig als nur ein Machtwechsel im Weißen Haus: Die Überwindung der wachsenden sozialen und ideologischen Spaltung der USA.“