Meinungsfreiheit an Berliner Universität – Peinliche Posse bei den Politologen

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Ganz erstaunlich: in einem sehr kritischen Artikel attackiert Daniel Bax, seines Zeichens Inlandsredakteur der Taz (Berliner Redaktion) die Vorwürfe der Pro-Israel-Lobby in Berlin gegen die Dozentin Eleonora Roldán Mendivíl. Es geht um die Nicht-Erteilung eines Lehrauftrages am bekannten Otto-Suhr-Instituts an der Berliner Freien Universität. Die NachDenkSeiten brachten am 19. Januar 2017 Auszüge aus dem Taz-Artikel. Darin heißt es:

„Das Otto-Suhr-Institut scheint auf eine Schmutzkampagne rechter, proisraelischer Kreise hereingefallen zu sein. Es gibt Protest.
Die Stellungnahme hat es in sich. Man werde der Dozentin Eleonora Roldán Mendivíl vorerst keine weiteren Lehraufträge erteilen, verkündete die Geschäftsführung des renommierten Otto-Suhr-Instituts (OSI) der Freien Universität Berlin im Januar auf dessen Webseite. Weil gegen Roldán Mendivíl „schwere Vorwürfe“ erhoben worden seien, habe man sich dazu entschieden, diese erst einmal durch eine wissenschaftliche Untersuchung prüfen zu lassen. Angeblich habe Roldán Mendivíl auf ihrem privaten Internetblog den Staat Israel „verunglimpft“ und dessen Existenzrecht „de facto“ bestritten. Als Beleg bezieht sich die Geschäftsführung des Instituts auf Anschuldigungen einer studentischen Hochschulgruppe sowie der Jüdischen Rundschau. […]

Unklar ist, warum das OSI die Anschuldigungen gegen sie jetzt so ernst nimmt. Denn die anonyme Hochschulgruppe „Gegen jeden Antisemitismus an der Freien Universität“, auf die sich das OSI dabei beruft, wirkt wenig seriös. Ein Blick auf deren Facebook-Seite zeigt, dass es sich um eine kleine Politsekte handelt, die jede Kritik an Israel de facto als „Antisemitismus“ wertet. Und die Jüdische Rundschau ist ein marginales, rechtes Blatt. Ihr Herausgeber, der Berliner Unternehmer Rafael Korenzecher, hetzte dort in seiner Kolumne zuletzt gegen die deutsche Flüchtlingspolitik, gegen „öffentlich-rechtliche Pseudo-Gutmensch- und Nachrichten-Filter-Medien“ und gegen Muslime. Das Attentat auf den Weihnachtsmarkt nennt er ein „islam-generiertes Massaker“, und er schwärmt für Donald Trump. Es scheint so, als sei das OSI auf die Schmutzkampagne rechter, prosiraelischer Kreise herein gefallen.“
Quelle: taz v. 15.01.2017


Christopher Ben Kushka, der als Lehrer in Oldenburg ebenfalls sehr unliebsame Erfahrungen mit der Pro-Israel-Lobby hat machen müssen, solidarisiert sich mit Eleonora Roldán Mendívil und ruft zu ihrer Unterstützung auf. Hier seine e-mail v. 15. Januar 2017.

hallo!
es wäre zum lachen, wenn es nicht so traurig und ernst zu nehmen und ärgerlich wäre: die zionistische lobby hat ihr nächstes opfer anvisiert.

diesmal ist es eine junge akademikerin an der FU berlin, die solche unglaublichen dinge sagt, wie dass israel ein apartheidsstaat sei und die nach zionistischer logik daher antisemitin sein muss und für vogelfrei erklärt wird. ihr name ist Eleonora Roldán Mendívil.

auch hier wird von den selben playern mit den selben methoden und den selben fadenscheinigen argumenten der versuch unternommen, eine kritische stimme mundtot zu machen.

elonora ist politisch links, gewerkschafterin, nachwuchsakademikerin, trainerin gegen sexismus und rassismus, lehrbeauftragte und stipendiatin. sie soll ihre lehrtätigkeit als beauftragte aufgeben müssen und es steht zu befürchten, dass die hans-böckler-stiftung ihr das stipendium streicht. geschieht dies, ist ihre laufbahn am ende bevor sie begonnen hat und ein weiteres exempel wird statuiert. das darf nicht sein.

je früher und entschiedener wir sie in diesem kampf unterstützen, desto erfolgversprechender ist dies.

das kannst du tun:

1) folgende petition unterzeichnen. PETITION? HIER KLICKEN!
wir haben bereits 700 unterzeichner*innen in 2 tagen geworben – lasst es tausende werden! verbreitet diesen link (auch gerne diese mail) an eure verteiler! (der vollständige text der petition mit weiteren detailinformationen ist unten angehängt) (bis zum 20.01.2017 waren es 1.427)

2) wende dich persönlich (telefonisch, postalisch, mail) an die verantwortlichen und verlange die wiedereinsetzung/ fortsetzung von eleonoras kursen und eine faire auseinandersetzung mit ihr und die unabhängigkeit der akademischen entscheidungsträger*innen von dubiosen blogs und rechts-zionistischen hetzern!

3) die akademische welt war in den letzten wochen immer wieder das ziel derartiger hetzkampagnen. gerade wenn du eine akademische position, ausbildung hast/hattest, gilt es jetzt um freie lehre, meinungsfreiheit und kritischen diskurs zu kämpfen! die aktivierung entsprechender netzwerke, sowohl in deutschland als auch international, ist entscheidend. eleonora hat einen wissenschaftlichen artikel zu diesen angriffen verfasst und sucht noch eine -vorzugsweise wissenschaftliche- möglichkeit zur veröffentlichung. hast du eine idee? (das abstract dieses artikels ist zuunterst in dieser mail zu finden).

entsprechende rückmeldungen, ideen, kopien von emails/anschreiben bitte zu dokumentationszwecken und weiterleitung an das eigentlich hauptunterstützerteam zu mir bitte; betreff: eleonora.

damit kommen sie nicht durch.
mit solidarischem gruß,
christoph


Für eine offene Diskussion: Keine Vorverurteilung der Lehrbeauftragten Eleonora Roldán Mendívil durch das Otto-Suhr-Institut.

Solidaritätserklärung mit Eleonora Roldán Mendívil, Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung und Lehrbeauftragte am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.

Seit einigen Wochen muss sich Eleonora Roldán Mendívil gegen Diffamierungsversuche wehren, die ihre Berechtigung auf ein Stipendium und ihre wissenschaftliche Arbeit in Frage stellen. Ihr wird vorgeworfen, antisemitische Positionen zu vertreten. Solche Vorwürfe sind keine Bagatelle, sie gefährden die derzeitige Existenzgrundlage und berufliche Perspektive einer jungen Wissenschaftlerin.

Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. In den letzten Monaten wurden unserer Kenntnis nach verstärkt regelrechte Kampagnen gegen Personen und Organisationen geführt, die für die Rechte von Palästinenser*innen eintreten oder im öffentlichen Diskurs Kritik an der Politik der rechtskonservativen Regierung Netanjahus üben[1]. Die Diffamierungsversuche berufen sich auf ein Antisemitismus-Verständnis, das als wissenschaftlich und nicht hinterfragbar dargestellt wird. In Wirklichkeit ist keineswegs allgemein anerkannt, was als antisemitisch gilt und was nicht[2]. Unabhängig davon, welche Position man in diesem Spannungsfeld vertritt, die Methoden, mit denen gegen Eleonora Roldán Mendívil und zahlreiche andere Personen vorgegangen wird, sind für uns nicht akzeptabel. Diskussionen zum Nahostkonflikt und zu Definitionen von Antisemitismus müssen möglich sein, ohne Angst vor Diffamierungskampagnen, bei denen ein höchst komplexes Thema mittels vermeintlich einfacher Antisemitismusbeweise bearbeitet wird.

Eleonora Roldán Mendívil ist seit vielen Jahren politische Jugendbildnerin zu Themen um Rassismus, Sexismus und Kapitalismuskritik. Derzeit schreibt sie ihre Masterarbeit im Bereich Internationale Politische Theorie an der Universität Hamburg und hat seit dem Wintersemester 2016/17 einen Lehrauftrag am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, wo sie 2014 ihr Bachelor-Studium in Politikwissenschaft abgeschlossen hat. Ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen im Bereich der Geschlechterforschung, Postkolonialer Theorie, Critical Race Studies, der Migrationsforschung sowie Marxistischer Theorie. Das von ihr angebotene Seminar hat „Rassismus im Kapitalismus“ zum Thema. Sie ist Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung, aktiv in den stipendiatischen Selbstverwaltungsstrukturen und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Im Fall Eleonora Roldán Mendívils hat ein diffamierender Blogbeitrag und ein nicht veröffentlichtes Schreiben einer Hochschulgruppe mit dem Namen „Gegen jeden Antisemitismus“ dazu geführt, dass die Geschäftsführung des Otto-Suhr-Instituts öffentlich verkündet, die Vorwürfe prüfen zu lassen und vorerst keine Lehraufträge an Eleonora Roldán Mendívil zu vergeben[3]. Die Geschäftsführung bezieht sich in ihrer Stellungnahme auf einen Artikel von Timo Koch in der ‚Jüdischen Rundschau'[4]. Dieser Artikel war wortgleich zuerst anonym auf einem Blog veröffentlicht worden[5], dessen Autor, Andreas Boas, u.a. Tweets des rechten niederländischen Politikers Geert Wilders sowie von Donald Trump verbreitet. Ein dritter Artikel erschien inzwischen auf einer Seite Namens ‚MENA Watch'[6] und bezieht sich auf genau die gleichen vom Original-Artikel abgeleiteten Begründungen[7]. Keiner der Artikel versucht, die Vorwürfe anhand von Inhalten oder Aussagen der Dozentin im Seminar nachzuweisen, sondern alle beziehen sich auf Aussagen Roldán Mendívils, die sie in Posts aus 2014 und 2015 auf ihrem persönlichen Blog[8] veröffentlicht hat, auf ihre Unterzeichnung eines Offenen Briefs Kulturschaffender in Deutschland zum Krieg in Gaza 2014[9] sowie ihr Mitwirken in einem Musikvideo. Die Zitate sind aus dem Kontext gerissen. Der Vorwurf, das Musikvideo enthalte „übelste Hetze gegen Israel“, wird nicht begründet. Ebenso wenig wird erläutert, wie eine Kritik an der Regierung Israels mit Antisemitismus gleichgesetzt werden kann. Tatsächlich gibt es im Video eine klare Kampfansage gegen Antisemit*innen[10]. Die Begründung, der Offene Brief Kulturschaffender in Deutschland zum Krieg in Gaza 2014 bediene einen „Klassiker des Antisemitismus von vor 1945“ beruht darauf, den Autor*innen zu unterstellen, sie nutzten Israel als Metapher für den „kollektiven Juden“, was an keiner Stelle nachgewiesen wird. In Reaktion auf die Stellungnahme des Instituts veröffentlichte die Jerusalem Post einen Artikel von Benjamin Weinthal mit dem mindestens irreführenden Titel „German University suspends Pro-BDS Professor“[11].

Wenn politische Positionierungen gegen eine rechts-konservative israelische Regierungspolitik oder Äußerungen bezüglich kolonialer Aspekte des Zionismus und der aktuellen Siedlungspolitik automatisch als antisemitisch disqualifiziert werden, zielt dies auf einen Abbruch der Diskussion, auf eine persönliche Diffamierung der Betroffenen, auf die langfristige Schädigung der wissenschaftlichen und beruflichen Laufbahn einer jungen Dozentin und trägt in keiner Weise zu einer wissenschaftlichen und politischen Klärung bei. Mit diesem Ausschluss ist die Grenze von der Kritik zur Diffamierung überschritten, und das ist eine Verletzung der Freiheit von Forschung und Lehre, die gerade auch bei sensiblen Themen gewährleistet werden muss.

Wir begrüßen die Ankündigung des Otto-Suhr-Instituts eine Podiumsdiskussion noch im laufenden Semester zu veranstalten, um „die Grenze zwischen einer wissenschaftlich relevanten Kritik und einer Verunglimpfung Israels und seiner Politik“ zu diskutieren. Wir fordern das Otto-Suhr-Institut auf, so schnell wie möglich in einem transparenten Prozess mit der Organisation dieser Veranstaltung zu beginnen. Wir verurteilen, dass die Stellungnahme veröffentlicht wurde, ohne vorher das Gespräch mit der Betroffenen zu suchen und fordern, dass dies umgehend nachgeholt wird und Eleonora Roldán Mendívil in die Planung der kommenden Veranstaltung einbezogen wird.

Die bisherige Reaktion, „eine wissenschaftliche Untersuchung der Vorwürfe einer israelfeindlichen, oder gar antisemitischen Publikationspraxis der Lehrbeauftragten Roldán Mendevil [sic] vorzunehmen, und ihr zumindest bis zur Klärung der Vorwürfe“ am Otto-Suhr-Institut keinen weiteren Lehrauftrag zu erteilen, droht den Vorwürfen eine Legitimation zuzusprechen, die in keiner Weise angemessen ist. Roldán Mendívil leistet durch ihren Lehrauftrag einen von vielen Studierenden geschätzten, wichtigen Beitrag zur kritischen Lehre am Institut. Wir fordern das Institut auf die öffentliche Stellungnahme zurück zu nehmen und Eleonora Roldán Mendívil nicht aufgrund von diffamierenden Vorwürfen Lehraufträge vorzuenthalten.

[1] http://www.taz.de/!5334845/;http://www.sueddeutsche.de/muenchen/schwabing-benefizkonzert-zwischen-israelkritik-und-antisemitischer  hetze-1.3184940; http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/arn-strohmeyer-ueber-anti-und-philosemitismus-11939924.html;http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/report/dbri0077.html;
[2] http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Analysen/Analyse_Linke-u-Nahostkonflikt.pdf
[3] http://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/_elemente_startseite/4spalten_links/Material/Stellungnahme-zum-Vorwurf-Antisemitismus_09_01_17.pdf
[4] http://juedischerundschau.de/israelhetze-mit-lehrauftrag-an-der-berliner-uni-135910694/
[5] https://boasinfo.wordpress.com/2016/12/25/israelhetze-mit-lehrauftrag-an-berliner-uni/
[6] http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/berlin-antiisraelische-aktivistin-als-politik-dozentin/
 
[8] https://cosasquenoserompen.noblogs.org/about/
[9] http://www.gazaopenletter.de/
[10] https://www.youtube.com/watch?v=LpWzpLepDjo (ab Minute 03:03)
[11] http://www.jpost.com/Diaspora/German-university-suspends-pro-boycott-Israel-academic-478024

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