28 Tage Hungerstreik der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen
Sonntag, der 14. Mai war der 28. Tag des Hungerstreik der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Der Streik hat am 17. April, dem palästinensischen „Tag der Gefangenen“ mit 1.500 der rund 6.500 Gefangenen (darunter 300 Kinder) begonnen, seither sind etwa 200 weitere Häftlinge hinzu gekommen. Angeführt wird der Streik von Marwan Barghouthi, der zur al-Fatah gehört und seit 2002 wegen Beteiligung am bewaffneten Widerstand im Gefängnis sitzt. Mitglieder aller palästinensischen politischen Organisationen beteiligen sich an diesem „Hungerstreik der Freiheit und Würde,“ in dem sie nur Wasser und Salz zu sich nehmen. […]
Israel reagiert auf den Hungerstreik so, wie es immer auf Kämpfe der Palästinenser reagiert: mit Repression. Gefangenen werden fortlaufend verlegt oder in Isolationshaft gesteckt, um die Kommunikation zu verhindern. Familienangehörige und Anwälte werden in vielen Fällen nicht mehr zu ihnen gelassen. Es gibt regelmäßige nächtliche Zellenrazzien, in denen persönlicher Besitz der Gefangenen wie Radios, der Koran, Kleidung und Decken beschlagnahmt werden. Teilweise fordern die Soldaten während dieser Razzien von den körperlich überaus geschwächten Gefangenen, denen jede Bewegung großen Schmerz verursacht, aufzustehen, um „gezählt zu werden.“ Gefangene, die das nicht tun, werden bestraft, unter anderem mit hohen Bußgeldern. Teilweise wird den Gefangenen auch das Salz entzogen oder der Zugang zu Trinkwasser verwehrt.
Bis jetzt weigert sich Israel, mit den hungerstreikenden Gefangenen zu verhandeln. Verteidigungsminister Avigdor Liebermann, der bereits in der Vergangenheit dazu aufgerufen hatte, Gefangene zu ertränken, erklärte auf Facebook: „Was den Hungerstreik von Terroristen in israelischen Gefängnissen angeht, vertrete ich den Ansatz von Margret Thatcher.“ Damit bezog sich Lieberman auf den Hungerstreik irischer politischer Gefangener 1981, bei dem mehrere Gefangene starben. „Es gibt keine wirkliche Rechtfertigung für diesen Streik,“ erklärte Gilad Erdan, der Minister für öffentliche Sicherheit, der für die Gefängnisse verantwortlich ist. „Terroristen sind nicht im Gefängnis, um gute Bedingungen zu bekommen. Sie sind dort, um bestraft zu werden. Ein Hungerstreik sollte unser Verhalten als Staat gegenüber den Gefangenen nicht verändern. “
Israel droht nun mit Zwangsernährung. Gilad Erdan hatte bereits vor dem Beginn des Streiks die Errichtung von Militärhospitälern vorgeschlagen, da zivile Krankenhäuser bis jetzt die Durchführung der Zwangsernährung verweigern. Zwangsernährung gilt im internationalen Kodex der Mediziner als unethisch und wird mit Folter gleichgesetzt. Der Vorsitzenden des Netzwerks Samidoun zur Unterstützung der Gefangenen äußerte die Befürchtung, dass dieser Vorschlag Erdans auf die massenweise Zwangsernährung von palästinensischen Gefangenen außerhalb des zivilen Gesundheitssystems hinauslaufen könnte. Der Vorsitzende des Palästinensischen Komitees für die Angelegenheiten der Gefangenen Issa Qaraqe kündigte bereits an, dass jeder Arzt, ganz gleich welcher Nationalität, der sich an der Zwangsernährung beteiligt, rechtlich belangt werden wird. […]
Internationale Solidarität ist entscheidend, um den Druck aufzubauen, der die israelische Regierung zwingt, die Forderungen der Gefangenen zu erfüllen.
Petra Wild
Petra Wild ist Islamwissenschaftlerin mit den Arbeitsschwerpunkten Palästina-Frage sowie Widerstand und Revolution in der arabischen Welt. Sie ist Autorin der Bücher „Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina. Der zionistische Siedlerkolonialismus in Wort und Tat“ (Wien, 2013) und „Die Krise des Zionismus und die Ein-Staat-Lösung. Zur Zukunft eines demokratischen Palästinas“ (Wien, 2015)