Das US-Außenministerium hat am Donnerstag den Austritt des Landes aus der UNESCO bekanntgegeben. Wenige Stunden später folgte Israel mit dem gleichen Schritt. Der Zusammenhang ist offensichtlich: Die Trump-Administration rechtfertigte ihren Schritt mit der »ständigen israelfeindlichen Voreingenommenheit« der Weltkulturorganisation. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu applaudierte begeistert: »Das ist eine tapfere und moralische Entscheidung, weil die UNESCO zum absurden Theater geworden ist. Statt die Geschichte zu bewahren, entstellt sie diese.«
Sieht man hin, worum es tatsächlich geht, ist eher die künstliche Aufgeregtheit der Regierungen in Washington und Jerusalem absurd. Alles dreht sich darum, dass die UNESCO die rechtliche Lage im palästinensischen Westjordanland so beurteilt, wie das mit Ausnahme Israels alle Staaten der internationalen Gemeinschaft, sogar die USA – immer noch! – tun: Das Gebiet, einschließlich des arabischen Ostteils von Jerusalem, ist seit 1967 von Israel widerrechtlich besetzt. Ebenso stellt die Ansiedlung von mehreren hunderttausend jüdischen Israelis im Westjordanland nach allgemeiner Auffassung einen schweren Verstoß gegen anerkanntes internationales Recht und insbesondere die Charta der Vereinten Nationen dar.
Die von der Trump-Administration beklagte »antiisraelische Voreingenommenheit« kommt nach Ansicht der Regierungen in Washington und Jerusalem darin zum Ausdruck, dass die UNESCO mehrere historische Komplexe in den besetzten Gebieten juristisch völlig korrekt als »palästinensisch« bezeichnet, darunter den Tempelberg in Ostjerusalem, den Muslime auf Arabisch Haram Al-Scharif nennen, und die »Patriarchengräber« in Hebron. Die UNESCO folgt damit aber nur ihrer allgemein üblichen Praxis. So hat sie beispielsweise die arabische Altstadt von Akko und die weltweit bedeutendsten Heiligtümer der Bahai-Religion als »israelisches Weltkulturerbe« registriert. Nach demselben Prinzip gelten römische Ruinen und Ausgrabungen in Trier ebenso als »deutsches Kulturerbe« wie die Reste der altrömischen Grenzbefestigung Limes.
Die zionistische Propaganda tut aber so, als wäre die rein staatsrechtliche Zuordnung solcher Stätten durch die UNESCO eine kultur- und religionsgeschichtliche Bewertung. Und Trump scheint jetzt einen Trost dafür spenden zu wollen, dass er die im Wahlkampf versprochene Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem auf die lange Bank geschoben hat.
Knut Mellenthin
Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 14./15.102017