Statt von Deutschland aus mäßigend auf Israels Hardliner-Regierung einzuwirken, befürwortet der Weserkurier das Gegenteil: mehr Härte und mehr Unnachgiebigkeit gegenüber den Palästinensern. Statt nach Wegen für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen zu suchen, gießen Daniel Killy (Chef vom Dienst) und Ulrich W. Sahm (Kommentator) regelmäßig in Artikeln und Kommentaren Benzin ins Feuer. Und sie üben sich natürlich in den üblichen Verkehrungen: die Schuldigen werden zu Unschuldigen gemacht, und umgekehrt.
Z. B. Daniel Killy (im Weserkurier von heute, 10.07.14):
„Es ist fast immer das Gleiche: Wehrt sich Israel gegen die Hamas-Terroristen, werden Ursache und Wirkung gern verwechselt. Von ‚unangemessenen Reaktionen‘ oder von ‚Eskalation‘ ist dann die Rede. (…) Europa wäre gut beraten, endlich einmal überlegt zu reagieren und sich gegen den Propagandakreg der Hamas zu stellen. Ein richtig gutes Signal wäre es, für Gaza-Streifen und Westbank jegliche EU-Förderung so lange auszusetzen, bis der Beschuss Israels von dort aufhört (…). Das wäre dann mal eine klare Botschaft gegen den Terror.“
In Israel selber wird die Situation anders, qasi mit entgegengesetzten Vorzeichen, kommentiert, z.B. von Gideon Levy in der Tageszeitung Ha’aretz von heute (10.07.14) so:
„Dachte Israel wirklich, dass Hamas nun auch die andere Wange hinhalten würde? Wovon sollen 1,5 Millionen Menschen im Gaza-Streifen leben? Kann irgendjemand erklären, warum die Blockade weitergeht und nicht einmal partiell gelockert wird? Israel fing sofort nach dem Kidnapping der drei israelischen Teenager und während der Fahndung nach ihren Mördern an, 500 Palästinenser, darunter Parlamentsabgeordnete und Dutzende von vorher freigelassenen Gefangenen, die überhaupt keine Verbindung zu der Entführung hatten, zu verhaften. Die Armee terrorisierte die gesamte Westbank mit einer Schleppnetzfahndung und mit Massenverhaftungen, deren erklärtes Ziel es war, ‚die Hamas zu zerschmettern‘. Im Internet gab es eine rassistische Kampagne, die dazu führte, dass ein Palästinensischer Teenager bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Alles das folgte auf Israels Bestrafungskampagne gegen den Versuch der Palästinenser, eine Einheitsregierung zu bilden.“
Und: „Dachten wir wirklich, dass die Palästinenser all das demütig, gehorsam und ruhig ertragen würden? Und dass es weiterhin Ruhe und Frieden in Israels Städten geben würde? Glaubten wir wirklich, dass Gaza für immer der Willkür von Israel (und Ägypten) unterworfen bleiben kann? Mit Fesseln, die manchmal etwas loser gelassen und dann wieder fester gezogen werden? Dass das größte Gefängnis der Welt weiter ein Gefängnis bleiben würde? Dass hunderttausende weiterhin abgeschnitten von allem leben müssen? Mit einer Blockade für alle Exporte und willkürlichen Einschränkungen für die Fischerei? Was stellen wir uns eigentlich vor, wovon genau 1,5 Millionen Menschen leben sollen? Kann irgendjemand erklären, warum die Blockade von Gaza immer noch anhält? Kann irgendjemand erklären, warum es keine Diskussion darüber gibt, wie das alles weitergehen soll? Wer konnte glauben, dass Gaza weiterhin alles unterwürfig akzeptieren würde? Jeder, der so etwas annahm, war nichts als ein Opfer seiner eigenen und gefährlichen Wahnvorstellungen – und nun müssen wir alle den Preis dafür zahlen.“
Sönke Hundt