Die Palästinensische Regierung hat einen beachtlichen Sieg bei den Vereinten Nationen errungen. Gegen den erbitterten Widerstand der USA, Israel und Australien votierten die Mitglieder der UN-Generalversammlung am Dienstagabend dafür, Palästina den Vorsitz der mächtigen Gruppe 77 zu übertragen.
Der Antrag, den Vorsitz der „G 77“ an Palästina zu übertragen, war vom jetzigen vorsitzenden Mitglied Ägypten eingebracht worden. Dessen Mandat läuft Ende des Jahres aus. Palästina wird nun ab Januar 2019 für ein Jahr die G 77 leiten und damit erstmals weitreichende Rechte erhalten, die ihr bisher als Delegation mit Beobachterstatus verwehrt waren.Der Erfolg für die Palästinenser war überwältigend. Trotz der Proteste der USA, Israels und Australiens stimmten 146 Länder – darunter auch Deutschland – dafür, dass Palästina ab Januar 2019 für ein Jahr den Vorsitz übernimmt. 15 Länder, neben Österreich und Kanada vor allem aus Ost-Europa, enthielten sich der Stimme. Die USA, Israel und Australien lehnten den Antrag ab.
Die US-Amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, sprach nach der Abstimmung von „einem Fehler“. Die Palästinenser seien kein echtes UN-Mitglied oder überhaupt ein Staat, und die Vollversammlung hätte ihnen keinen Vorsitz übertragen dürfen. „Der heutige Fehler der UN untergräbt die Aussichten auf Frieden, indem er die Illusion mancher palästinensischer Führungspersonen unterstützt, sie könnten ihre Ziele ohne direkte Friedensverhandlungen erreichen.“
Ihr Stellvertreter, Jonathan Cohen, wurde noch um einiges deutlicher. Er warnte die UN-Vollversammlung, dass die USA „keinen Zweifel daran lassen werden, wo wir stehen“. Man werde Palästina in der neuen Rolle des UN-Vorsitzes nicht akzeptieren. „Wenn die Palästinenser als Vorsitzende der G 77 in der Generalversammlung reden, werden wir unsere Ko-Mitglieder daran erinnern, dass die Vereinigten Staaten weder akzeptieren, dass es einen Staat Palästina gibt, noch dass ein solcher Staat als Mitglied bei den Vereinten Nationen aufgenommen wurde.“
Die stellvertretende UN-Botschafterin Israels, Noa Furman, protestierte ebenfalls gegen das Votum und warf den Palästinensern „ein manipulatives Verhaltensmuster“ vor. Australien erklärte sein Nein zum Antrag damit, dass einseitige Maßnahmen der Palästinenser für das Erreichen einer Zwei-Staaten-Lösung „in zutiefster Weise nicht hilfreich“ seien. Dass es nicht die Palästinenser, sondern Ägypten war, das den Antrag eingebracht hatte, ignorierte die australische UN-Botschafterin, Gillian Bird, dabei ebenso, wie die überwältigende Zustimmung zu dem Antrag von 146 Mitgliedstaaten.
Aus der EU kamen, mit wenigen Ausnahmen, erstmals keine Enthaltungen, sondern klare Ja-Voten. Auch Deutschland, England und Frankreich stimmten dafür, Palästina den G 77 Vorsitz zu übertragen. Nach dem geäußerten Unmut aus den USA und Israel erklärten die Vertreter aus Deutschland, England und den Niederlanden in der Aussprache, dass ihr „Ja“ nicht als Anerkennung eines Palästinenserstaates zu verstehen sei. Man habe lediglich sicherstellen wollen, dass Palästina den Vorsitz der Gruppe übernehmen könne und begrüße es, dass die Amtszeit auf ein Jahr limitiert sei.
Palästinenser sprechen von „neuem Sieg“
Der Freude der Palästinensischen Vertretung bei den Vereinten Nationen taten diese Erklärungen keinen Abbruch. Riyad Mansour, der UN-Botschafter Palästinas, bedankte sich bei allen Staaten, die mit Ja gestimmt hatten und sprach von einem neuen Sieg. „Der Staat Palästina wird nichts unversucht lassen, zu beweisen, dass er das Vertrauen verdient, die Interessen der Gruppe 77 zu vertreten und zu verteidigen. Gleichzeitig werden wir mit allen Partnern in konstruktiver, umfassender und transparenter Weise zusammenarbeiten, um Kooperationen und für alle gleichermaßen vorteilhafte Übereinkünfte zu erzielen, die zum Wohle aller sein werden.“
Mit der Übernahme des Vorsitzes der G 77 – ein Zusammenschluss von einst 77 und inzwischen 134 Mitgliedsländern – erhält Palästina in der UN-Generalversammlung das Recht, für drei Viertel aller UN-Mitglieder Erklärungen abzugeben, Vorschläge und Änderungsanträge einzubringen, das Wahlverhalten der G 77 Mitgliedsstaaten zu erläutern, auf Vorträge anderer Staaten namens der G 77 zu erwidern, sowie Anträge zur Geschäftsordnung und Anträge auf Abstimmungen zu stellen. Mit dieser Position vertritt Palästina im Jahr 2019 rund 80 Prozent der Weltbevölkerung vor den Vereinten Nationen.
Wie die USA nach ihren Androhungen am Dienstagabend im kommenden Jahr auf die neue Situation in der Generalversammlungen reagieren werden, bleibt abzuwarten. Erneut hat die Politik des amerikanischen Präsidenten Trump bei einer Abstimmung zu Palästina – und erstmals auch sehr deutlich von den wichtigen EU-Partnern – eine deutliche Abfuhr erhalten, was schon in der Vergangenheit zu verärgerten Reaktionen geführt hat.
Die jetzige UN-Botschafterin Nikki Haley wird, wie immer die Konsequenzen ausfallen, allerdings nicht mehr dabei sein. Sie hatte kürzlich überraschend verkündet, ihren Posten zum Ende dieses Jahres aufzugeben.
Quelle (mit freundlicher Genehmigung): Palästina Nachrichten PN v. 18.10.2018