Israels Versuche, aktiv die politische Meinung in anderen Ländern zu beeinflussen, sind nicht neu. Dass dieser Einfluss auch online ausgeübt werden soll, war für viele plausibel. Ein Video von Bildungsminister Naftali Bennett zeigt nun, dass diese Vermutung korrekt war.
Am 25. Januar 2018 fand in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv eine Veranstaltung statt, in der Bildungsminister Naftali Bennett eine Präsentation zeigte. Der ehemalige Elitesoldat und Major der israelischen Streitkräfte stellte an diesem Tag ein neues Kommandozentrum mit Sitz in Tel Aviv vor, welches – bereits rund um die Uhr aktiv – ein neues „Antisemitismus Cyber-Überwachungssystem“ (ACMS) betreut. Dieses System durchforstet laut Bennett täglich 200.000 Posts und Tweets bei Facebook und Twitter, und filtert rund 10.000 Einträge mit angeblich antisemitischem Inhalt heraus. Und um diese 10.000 Einträge sollen sich die Soldatinnen und Soldaten dann an vorderster digitaler Front kümmern.
Wie solche Einträge aussehen und nach welchen Kriterien das ACMS die Filter setzt, ist nicht bekannt. Allerdings ist bekannt, dass die israelische Regierung die Definition von Antisemitismus extrem weit gefasst hat. Jegliche Kritik an der Politik Israels – oder auch nur die Forderung nach Einhaltung von Menschenrechten durch Israel – wird als „neue Form“ von Antisemitismus verstanden und müsse deshalb bekämpft werden. Auf jeden Fall haben sich über 40 jüdische Organisationen weltweit zusammengeschlossen, um gerade gegen diese Praxis zu protestieren. Ob bei den genannten 10.000 Einträgen auch solche mit kritischen Inhalten lediglich zur israelischen Politik dabei sind, ließ der Bildungsminister unbeantwortet.
In dem aufgezeichneten Video der Veranstaltung am 25. Januar beschreibt Naftali Bennett allerdings, wie das „Antisemitismus Cyber-Überwachungssystem“ im Zusammenspiel mit dem Kommandozentrum funktioniert. Die herausgefilterten Posts und Tweets werden analysiert, deren Verfasser werden identifiziert und diese Informationen am Ende den Geheimdiensten und Staatsanwaltschaften der entsprechenden Länder in Europa übergeben. Ob diese dann auch tatsächlich aufgrund dieser Hinweise aus Israel aktiv werden, ist nicht bekannt. Es werden so aber zumindest Daten gesammelt und Vorgänge über Personen angelegt, die sich möglicherweise nichts weiter haben „zu Schulde kommen lassen“, als ihre persönliche, aus ihrer Sicht berechtige Kritik an der israelischen Regierungspolitik zu äußern.
Damit sich diese Personen nicht weiter in den sozialen Netzwerken austauschen können, ermahnte Bennett insbesondere die Unternehmen Facebook und Twitter, deren Vorsitzenden er zurief: „Start acting!“ Er forderte, dass diese Unternehmen derartige Inhalte nicht einfach auf ihren Plattformen stehen lassen dürften, da sie nichts weiter als „Gewalt und Antisemitismus“ verbreiten würden. Damit ist dieses neue Kommandozentrum nebst dem „IDF New Media Desk“ ein weiteres Instrument der israelischen Regierung, Meinungsfreiheit und Kritik im Rahmen des Cyberkrieges auszuschalten. Natürlich gibt es solche Projekte auch im zivilen Bereich. So bot die nationale Gewerkschaft der israelischen Studenten (NUIS) ihren Studenten 7.500 Schekel (ca. 1.800 Euro) an, wenn sie als Trolle im Internet 240 Stunden Dienst täten:
„Das Internet wird als wichtiges Werkzeug zur Verbreitung von Antisemitismus, Hass gegenüber Israel und gegen Juden benutzt, und deshalb ist das Internet auch der Ort, wo solche Seiten bekämpft werden müssen, der Boden unter ihnen wegzuziehen und zuverlässige und ausgewogene Informationen anzubieten (sind). … Nach dem Training beginnen die Studenten mit ihrer Tätigkeit. Der Student wird diese Aktivitäten gemütlich von Zuhause aus leisten, wo er jede Woche mindestens fünf Stunden in einem Zeitraum eines Kalenderjahres aktiv sein muss. Dafür werden die Studenten mit NIS 7.500 entlohnt, um die Arbeit dieses Projekts zu erledigen, mindestens fünf Stunden wöchentlich für insgesamt 240 Stunden unter dem Schirm des Projekts.“
Was in diesem Projekt vollkommen untergeht und somit den Studenten auch nicht weiter übermittelt oder beigebracht wird, ist die Tatsache, dass Kritik an der israelischen Politik ihre Berechtigung haben könnte. Stattdessen wird kurzum alles als „Hass auf Israel“ oder Antisemitismus bezeichnet, den es zu bekämpfen gilt.
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Quelle: RT Deutsch v. 28.10.2018