Veranstaltungen, die sich etwa mit „Israel, Palästina und den Grenzen des Sagbaren“ – so der Titel von Andreas Zumachs Referat am kommenden Mittwoch an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) – befassen, sind immer massiveren Angriffen ausgesetzt. Diese Angriffe kommen vor allem von rechten Kräften, die sich links-liberal geben,indem sie Angst vor Antisemitismus vorschützen und sich als „Freunde Israels“ bezeichnen. Besonders aktiv sind sie derzeit in München und Umgebung, aber sie sind so gut organisiert, dass es auch den Rest der Republik betrifft.
Zum Glück sitzen momentan an entscheidenden Stellen Menschen, denen man weder Artikel 5 GG (Meinungsfreiheit) noch sonstige demokratische Grundstrukturen erklären muss und die das einzig Richtige tun: Offene Gespräche zulassen, den Diskurs und die Auseinandersetzung suchen, Zuschauer*innen die Gelegenheit geben, sich eine eigene Meinung zu bilden. Mitnichten sagen diese Menschen – diese Woche der Präsident der LMU und der evangelische Pfarrer in Grafing – Veranstaltungen ab, nur weil diese im Vorfeld mit Schmutz beworfen werden. Hier die Ankündigung des Vortrags von Andreas Zumach an der LMU, hier der Link zur Veranstaltungsreihe in Grafing bei München sowie eine Ankündigung dazu in der lokalen SZ.
Es tut Not, sich die Akteure der vermeintlichen „Beschützer vor Antisemitismus“ anzuschauen, um zu erkennen, was diese Leute motiviert. Dann kann man entscheiden, wie man sich dazu positioniert. Konkret: Die Veranstaltung am Lehrstuhl Meyen mit Andreas Zumach – taz-Korrespondent, Preisträger, BIB-Beirat – wurde attackiert u.a. vom anonymen Absender „Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass“, sowie – und das ist noch viel extremer – von sechs Organisationen, die im Namen von Israelis und Juden sprechen wollen, mit einem Erstunterzeichner namens Yonathan Shay. Shay ist als rechtsextremer Aktivist auf Facebook bekannt, wo er auf seiner Facebook-Seite vor der Islamisierung Deutschlands warnt, die 2000-jährige Besiedlung Samaras und Judäas legitimiert oder seine Solidarität mit dem Soldaten Elor Azaria bekundet und seine Freilassung fordert (Azaria hatte einen auf dem Boden liegenden verletzten Palästinenser erschossen und wurde von weiten Teilen der israelischen Bevölkerung und Regierung als Held gefeiert). Er schreibt für die rechtsextreme israelische Webseite Channel 20/Arutz Essrim, wo er in mehreren Artikeln Tausende in Berlin lebende Israelis als selbsthassende Juden verleumdet, die sogar schlimmer seien als Salafisten und Nazis.
Es ist an der Zeit, eindeutig zu zeigen, wer hier welche Absichten verfolgt und welchem Zweck sie dienen sollen. Israel driftet nicht nach rechts, Israels Regierung und mit ihr viele Israelis sind bereits am rechten Rand angekommen. Das zeigt sich nicht nur im israelischen Alltag, das zeigt sich offen an der Spitze des Staates mit einem Ministerpräsidenten, der die Nähe von rechtsextremen Rassisten sucht, indem er sich anfreundet mit Politikern wie Trump, Orban, Wilders und Strache und sogar zur Vereidigung des Faschisten Bolsonaro nach Brasilien fahren möchte: Die israelische Regierung hat nichts gegen Faschisten, solange sie die israelische Unterdrückungspolitik gegen Palästinenser rechtfertigen.
Eine intellektuelle Auseinandersetzung bei uns in Deutschland mit Israels Besatzungspolitik und ihren Folgen, mit Aufforderungen zu gewaltfreien Aktionen und mit dem Ziel, ein friedliches (Zusammen)-Leben von Israelis und Palästinensern zu ermöglichen, darf nicht von rechten Kräften verhindert werden – ganz gleich welche Motivation sie vortäuschen.
Hier lesen Sie den Offenen Brief des rechtsradikalen Yonathan Shay und anderen* an den Präsidenten der Münchner Hochschule; die herausragende Antwort darauf des emeritierten Philosophieprofessors Dr. Georg Meggle sollten Sie sich aber auch auf keinen Fall entgehen lassen.
*Rolf Verleger schrieb als Reaktion auf diesen Offenen Brief seinerseits an den Präsidenten der LMU und überführt darin Y. Shay und seine Freunde der offenen Lüge.
Quelle (mit freundlicher Genehmigung): BIB Aktuell #39