Günter Grass und Rupert Neudeck zur Nakba-Ausstellung in Lübeck

Foto_jiAm 5. April sprachen Günter Grass (1999 Nobelpreis für Literatur) und Rupert Neudeck im Bürgerschaftssaal des Lübecker Rathauses aus Anlass der Nakba-Ausstellung, die vom 30.03. bis 11.04.2014 im DGB-Haus gezeigt wird. Diese Wanderausstellung wurde und wird zur Zeit in vielen Städten (u.a. in München, Braunschweig, Freiburg, Schwenningen) gezeigt und sorgt überall für Diskussionen. Die Ausstellung mit dem Motto „Nakba 1948 – Israels Entstehung in palästinensicher Sicht“ zeigt auf 13 eindrucksvollen Schautafeln die Geschehnisse der Vertreibung von etwa 750.000 Palästinensern aus dem früheren brtischen Mandatsgebiet. Sie mussten Platz machen für den Staat Israel, dessen Gründung am 14. Mai 1948 verkündet wurde. Der Gründungsmythos Israels („Ein Volk ohne Land in ein Land ohne Volk“) ist zentral im israelischen Geschichtsnarrativ – und er ist über Jahrzehnte hinweg falsch erzählt worden.

Wie unangenehm der Regierung in Israel und ihrer rechtsgerichtete Mehrheit in der Knesset die immer stärker werdende Kritik an diesem Gründungsmythos ist, zeigt das „Nakba-Gesetz“, das am 23.03.2011 in dritter Lesung nach kontroverser Diskussion mit 37 gegen 25 Stimmen verabschiedet wurde. Das Gesetz, das natürlich auch in Israel sehr umstritten ist, sieht vor, Stadtverwaltungen und vom Staat finanzierten Institutionen (vor allem Schulen) die finanzielle Unterstützung zu entziehen und schon zuvor gezahlte Gelder in dreifacher Höhe zurückzufordern, wenn durch sie Gedenkveranstaltungen für die Nakba organisiert werden. Geplant waren ursprünglich noch härtere Sanktionen, nämlich dreijährige Gefängnisstrafen für die Verantwortlichen.

Eine kleine Gruppe des Nahost-Forums Bremen war am 10.04.14 nach Lübeck gefahren, einmal, um die Nakba-Ausstellung dort zu sehen, und zum anderen sich von einem der dortigen Organisatoren, Pastor (i.R.) Volker Bethge, die Rahmenbedingungen und das von ihm und seinen Mitstreitern organisierte Rahmenprogramm erläutern zu lassen. Die Ausstellung wäre, so Bethke im Gespräch, im großen und ganzen in Lübeck auf wenig Kritik und überhaupt nicht auf Widerstand gestoßen. Dass die Ausstellung im DGB-Haus gezeigt wird, und dass die zentrale Veranstaltung mit Günter Grass und Rupert Neudeck im „repräsentativsten“ Saal stattfinden konnte, beweise die aufgeschlossene Haltung der Lübecker hansestädtischen Zivilgesellschaft. Einem Initiativkreis, bestehend aus Petra Mück, Volker Bethge und Rolf Verleger, war es gelungen, die Ausstellung nach Lübeck zu holen und die Räumlichkeiten zu organisieren. An der abschließenden Podiumsdiskussion am 10. April 2014 mit dem Titel „Palästinensisches Schicksal, deutsche Staatsraison und Israel“, moderiert von Prof. Cornelius Borck (Lübeck), nahmen teil: Dr. Hans-Jürgen Abromeit (ev. Bischof, Greifswald), Michael Fürst (Vors. Jüdische Gemeinde Hannover), Petra Mück (Initiativkreis Frieden für Palästina Lübeck) und Dr. Yazid Shammoout (Vorsitzender Palästinensiche Gemeinde Hannover).

Von den politischen Parteien und der Publizistik in Lübeck und Schleswig-Holstein hätte man sich etwas mehr Wahrnehmung, Unterstützung und Berichterstattung gewünscht. Sie wäre weitgehend ausgeblieben, so Volker Bethke im Gespräch.

In anderen deutschen Städten war die politische und ideologische Aufregung über die Nakba-Ausstellung größer. Vor allem in München, wo die Ausstellung schließlich in der Montessor-Fachoberschule gezeigt werden konnte, schlugen die Wellen hoch. Die Israelitische Kultusgemeinde, die Grüne Jugend München, die Deutsch-Israelische Gesellschaft München, die Europäische Janusz Korczak Akademie sowie der Verband Jüdischer Studenten in Bayern protestierten schon im Vorfeld. Bei der Ausstellung handele es sich „um eine von antiisraelischer Ideologie indoktrinierte Propagandamaßnahme, die die israelische Staatsgründung mit zum Teil historisch falschen Fakten darstelle. Besonders exponierte sich Charlotte Knobloch (Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und bis 2013 Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses) und zog die ideologischen Boxhandschuhe an. „Mit Entsetzen“ habe sie von der Absicht der Schulleitung erfahren, diese „äußerst fragwürdige Ausstellung“ im Unterricht einsetzen zu wollen. Es handele sich um eine „absolut perfide Instrumentalisierung des Nahost-Konflikts“ und um eine „geschichtsverfälschenden Darstellung“. Und weiter in ihrem Brief an die Schulleitung: „Dem höchst komplexen und geopolitisch sehr viel vielschichtigeren Gesamtkontext wird diese Ausstellung nicht gerecht. Ich möchte eindringlich an Sie appellieren, über den Einsatz dieser Ausstellung noch mal nachzudenken…Gerade im pädagogischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen ist es entscheidend, dass ausschließlich Material eingesetzt wird, dem ein redlicher, freiheitlich-demokratischer Bildungsansatz zugrunde liegt. Antisemitische Inhalte dürfen – zumal in Deutschland – keinen Einzug in den Schulunterricht halten.”
Sönke Hundt

Mehr Informationen und die vollständige Liste der 51 prominenten Unterstützer der Wanderausstellung Nakba hier
http://www.lib-hilfe.de/fakten_ausstellung.html
und hier
http://www.themen.palaestina-heute.de/Nakba/Nakba-Ausstellung/nakba-ausstellung.html