Antisemitismus-Kampagne gegen links: ein politischer Rufmord

von Ludwig Watzal

Die Partei DIE LINKE hat kein Antisemitismus-Problem, was die Denunzianten aus Wissenschaft, Politik und öffentlichen Meinungsmachern auch wissen, die bestimmen, wer “Antisemit” ist. Um den vermeintlichen Antisemitismus in der Linkspartei geht es den Verleumdern auch gar nicht. Gleichwohl befindet sich die Linkspartei seit diesen grundlosen Behauptungen in der Defensive.

Um es gleich vorweg zu sagen, der “Antisemitismus”-Vorwurf wird von den politischen Gegner allein deshalb gegen die Linkspartei erhoben, um ihre Kritik am Kapitalismus, Faschismus und Neonazismus in Deutschland zu diskreditieren und die Partei auf Nato-Kriegskurs zu bringen, damit sie von ihrer berechtigten Kritik an den Verbrechen des US-Imperiums und Israels ablässt. Dieser Kriegsbazillus hat sich schon tief in die Linkspartei hineingefressen. Bei der augenblicklichen rechtsextremen Politik der Netanyahu-Regierung ist Israelkritik mehr als berechtigt, dass Antizionismus als Antisemitismus diskreditiert wird, zeigt, wie verzweifelt die zionistische Lobby und ihrer deutschen Helfershelfer (Sayanim) sind.

Gegen den Vorwurf des “Antisemitismus” kann man sich schwerlich verteidigen, wie das – trotz redlichen Bemühens – die Ausführungen von Wolfgang Gehrcke zeigen, weil es sich um irregeleitete Meinungsäußerungen handelt, die in diesem Fall ausschließlich parteipolitisch und taktisch motiviert sind. Je vehementer man meint, sich dagegen verteidigen zum müssen, desto “glaubhafter” erscheinen diese Vorwürfe. Folglich hätten die Abgeordneten der Linkspartei nicht zu dem als öffentlichen “Schauprozess” initiierten Schmierentheater, der Autor nennt es “Ketzergericht”, im Deutschen Bundestag erscheinen sollen, als die Hirnis der anderen Parteien in einer “aktuellen Stunde” meinten, ihren Linksparteikollegen “Antisemitismus” vorwerfen zu müssen. Leere Bänke hätten am besten demonstriert, dass diese Gespensterdebatte mit der Linkspartei nichts zu tun hat.

Die Grundlage dieser Vorwürfe bildete ein Pamphlet von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, die mit Hilfe des Kampangenjournalisten Jan-Philipp Hein von der “Frankfurter Rundschau” diese Kampagne gegen die Linkspartei losgetreten haben. Der “Antisemitismus”-Vorwurf, der dort zelebriert worden ist, scheint eher ein Problem der Philosemiten zu sein.

In sechs Kapitel taucht Gehrcke tief in die Geschichte des Antisemitismus (=Rassismus) ein, eigentlich handelt es sich um Antijudaismus, der vereinzelt auch in der linken Bewegung auftaucht. Dies wird auch gar nicht vom Autor geleugnet. Dieser zitiert eine Untersuchung des “Zentrums für Antisemitismusforschung” in Berlin, die links eingestellten Personen die niedrigsten Werte für antisemitische Vorurteile attestiert. Völlig zu Recht weist Gehrcke auf die zahlreichen Nazis hin, die nach dem Krieg unter dem Dach von CDU und FDP Unterschlupf gefunden haben. Heute gerieren sich deren Parteienvertreter als politische “Saubermänner”. Gehrcke zeigt auch, dass sich die Vertreter von linken Bewegungen historisch immer schon gegen den Antisemitismus ausgesprochen und diesen politisch bekämpft haben.

Besonders aufschlussreich ist die Beschreibung der exzellenten Vernetzung der politischen Klasse, wenn es darum geht, “Antisemitismus”-Kampagnen gegen Linke oder so genannte Israelkritiker loszutreten. Dabei tun sich besonders einige Mitglieder der Linkspartei hervor, die aus Karrieregründen ihre “Parteifreunde” ans politische Messer liefern, was von den Medien besonders goutiert wird. In großen Teilen ist die Linkspartei von Sayanims unterwandert.

Was ist zum Beispiel “antisemitisch” an der Tatsache, dass sich einige linke Abgeordnete an der Gaza-Flottille beteiligt haben, die die völkerrechtswidrige Blockade des besetzten Gaza-Streifens durch Israel durchbrechen wollte und die von der israelischen Armee in einem Akt von Piraterie in internationalen Gewässern überfallen worden ist, wobei neun türkische Teilnehmer erschossen worden sind? Was ist “antisemitisch”, wenn sich einige linke Abgeordnete für einen Dialog mit Hamas einsetzen, den Israel bereits insgeheim selber führt? Wo ist der “Antisemitismus”, wenn man der MdB-Abgeordneten Inge Höger auf einer “Palästina-Konferenz” einen Schal umhängt, auf dem das historische Palästina abgebildet ist? Dass die israelische Besatzungsmacht seit über 40 Jahren auf ihren Straßenkarten oder Schulbüchern nur Israel, inklusive der Besetzten Gebieten zeigen, scheint für die Sayanims (IMs des Mossad) kein Problem darzustellen. Was hat die Befürwortung der BDS-Kampagne mit “Antisemitismus” zu tun? Wo ist der “Antisemitismus” bei dem Protest von drei MdBs (Wagenknecht, Buchholz und Dagdelen) versteckt, die sich geweigert haben, bei der Rede des ehemaligen israelischen Präsidenten Shimon Peres im Deutschen Bundestag zum Applaus zu erheben? Diese wenigen Beispiele zeigen, dass der “Antisemitismus”-Vorwurf gegen die Linkspartei konstruiert und politisch motiviert ist.

Die zahlreichen Beispiele, die der Autor nennt, stellen der politischen Klasse in Deutschland ein Armutszeugnis aus, da sie vorbehaltlos Partei für die israelischen Unterdrücker ergreift, und diejenigen, die für die Rechte der unterdrückten Palästinenser kämpfen, mit dem Todschlagargument “Antisemitismus” verleumdet. Was ebenfalls wieder zunehmend zu gelingen scheint, ist die Gleichsetzung von “Antizionismus” mit “Antisemitismus”. Bei ersterem handelt es sich die Kritik an einer rassistischen und nationalistischen Ideologie, und zwar des Zionismus, bei letzterem um das Vorurteil gegenüber Juden. “Die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus hatte im Kalten Krieg auch den Vorteil, die realsozialistischen Staaten der Seite der Holocaust-Verbrecher zuschlagen zu können.”

Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke hat ein sehr mutiges und aufklärerisches Buch über die Machenschaften der etablierten politischen Klasse in Deutschland geschrieben, das zeigt, wie der Linkspartei anhand eines konstruierten “Antisemitismus”-Vorwurfs der politische Todesstoß verpasst und die Partei auf Nato-Kriegskurs gebracht werden soll.. Das Buch ist überaus lesens- und empfehlenswert.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): der Semit v. 28.08.15 (http://der-semit.de/antisemitismus-kampagne-gegen-links-ein-politischer-rufmord/#more-846)

Ergänzung

Schon am 03.08.15 war in der „jungen Welt“ v. 03.08.15 (http://www.jungewelt.de/2015/08-03/015.php?sstr=wolfgang|gehrcke) eine ziemlich hässliche Rezension von Daniel Bratanovic erschienen. Der Autor hält Gehrckes Versuch einer Auseinandersetzung für „gescheitert“. Was Watzal besonders lobt („Besonders aufschlussreich ist die Beschreibung der exzellenten Vernetzung der politischen Klasse, wenn es darum geht, “Antisemitismus”-Kampagnen gegen Linke oder so genannte Israelkritiker loszutreten.“) wird in der Besprechung der „jungen Welt“ gerade angeprangert: Gehrcke unterstelle die Existenz einer „zentral geplanten und gesteuerten Kampagne“, bei „noch der letzte antideutsche Fußtrupp seine Order erhalten haben soll, um Rufmord an der Linken (…) zu begehen.“ Daran, so die „jW“, wäre empirisch nichts beweisbar, es zeige „allemal“ ein unterkomplexes Verständnis bestimmter Vorgänge und wäre außerdem ein Klischee. Dabei hat sich Gehrcke in seinem 5. Kapitel besondere Mühe gegeben, darauf hinzuweisen, dass er Zusammenhänge in verschiedenen Netzwerken beschreibt, wie sie gewesen sein könnten, wie sie plausibel sind und wie sie beispielsweise in den „NachDenkseiten“, in der Untersuchung von Uwe Krüger (Der Einfluss der Eliten auf deutsche Journalisten und Medien) und häufig auch in der „jungen Welt“ analysiert wurden.

Wolfgang Gehrcke hat in einem Leserbrief, abgedruckt am 03.08.15 (http://www.jungewelt.de/2015/08-03/015.php?sstr=wolfgang%7Cgehrcke), seiner Enttäuschung über diese Art von Buchbesprechung Ausdruck gegeben.

Unverdienter Verriss
Zu jW vom 3.8., »Aus der Defensive«
Dank, dass die jW eine Rezension zu meinem Buch »Rufmord« veröffentlicht hat. Ich kenne den Autor leider nicht, aber die Art, wie er mit dem Buch umgeht, ist eigentlich empörend. Statt sich mit meinen Texten wirklich auseinanderzusetzen, werden mir Zitate vorgehalten, die – so wird behauptet – von Diether Dehm und Ken Jebsen stammen sollen. (…) Der einzige Punkt direkt aus meinem Buch, über den dann der Autor sehr abfällig schreibt, ist die Wirkungsweise und der Zusammenhang von Medien, Politik und Stiftungen – eben über die Netzwerke. Gerade eine Zeitung, die nicht zu Unrecht mit der Losung wirbt »Sie lügen wie gedruckt, wir drucken, wie sie lügen« und die immer wieder den Zusammenhang von Medien, Politik, Stiftungen und Thinktanks aufdeckt, müsste doch froh sein, wenn das auch in meinem Buch eine Rolle spielt. (…)
Wolfgang Gehrcke, per E-Mail
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