Die Veranstaltung am 26. Januar 2016 mit Arn Strohmeyer fand trotzdem statt – vor den Weserterrassen

Die Veranstaltung mit dem Titel „Antisemitismus – Philosemitismus und der Palästina-Konflikt. Hitlers langer verhängnisvoller Schatten“ stand seit langem auf dem Programm vom Bürgerhaus „Weserterrassen“ an Bremens Osterdeich. Arn Strohmeyer wollte sein neues Buch (mit dem gleichen Titel) vorstellen und darüber diskutieren. Als Unterstützer der Veranstaltung fungierten die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft (DPG), das Nahost-Forum Bremen, der AK Nahost und das Israelisches Komitee gegen Häuserzerstörungen – deutsche Sektion (ICAHD).

Am Abend vor der Veranstaltung kam dann die Absage. In der „Jerusalem Post“ (online-Ausgabe v. 25.01.16, 17:18 Uhr) konnte man die Begründung für diesen unglaublichen Vorgang lesen. Stephan Pleyn, Geschäftsführer der „Weserterrassen“, bedauerte es, dass der Eindruck habe entstehen können, dass hier ein „anti-Israel event“ stattfinden solle. „Das ist“, so fuhr er fort, „in keiner Weise unsere Absicht und entspricht nicht unserer Position. Wir haben den Termin am 26. Januar sofort abgesagt.“

Am Abend bildete sich vor den verschlossenen Räumen der „Weserterrassen“ eine kleine Protestversammlung. Arn Strohmeyer verlas eine von ihm verfasste Protesterklärung. Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn seien einfach absurd. Wie könne die Berufung auf das Völkerrecht und die Menschenrechte, und das wäre die Basis der Kritik an der Politik der israelischen Regierung, antisemitisch sein?

Ein Bericht im Bremer Weser-Kurier am nächsten Tag (27.01.16) enthielt einige weitere Informationen. Stephan Pleyn erklärte, er habe auf den ersten Blick „keine bösen Absichten“ bei der jetzt abgesagten Veranstaltung erkennen können. Schließlich hätte die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft hier schon viele Vorträge organisiert. Und er könne als Außenseiter auch nicht beurteilen, ob die Vorwürfe nun begründet seien. Deswegen sei er dafür gewesen, „erst einmal Luft aus der Situation zu lassen“. Und: man könne ja mal zu einer Podiumsdiskussion über den Nahost-Konflikt einladen.

Wer und was steckte hinter dieser Aktion? Benjamin Weinthal, der Deutschland-Korrespondent der „Jerusalem Post“ hatte mal wieder (leider dieses Mal mit Erfolg) versucht, eine Kampagne gegen eine seiner Meinung nach antisemitische Veranstaltung loszutreten. Er fand auch Unterstützer in der Stadt. André Städler, Sprecher des Bremer Senats erklärte umgehend gegenüber der „Jerusalem Post“, dass er die Absage begrüße. Grigori Pantijelew, der „Mann fürs Grobe“ bei der jüdischen Gemeinde Bremen und ihr stellvertretender Vorsitzender, fand die Absage der Veranstaltung „großartig“ und war auch sofort bereit, die Vorwürfe noch etwas zu verallgemeinern. Strohmeyer wäre ein „hardcore anti-Israel activist“. Detlef Griesche und andere Mitglieder dieser Gruppierungen, die jeden Samstag vor den Domtreppen ihre Palästina-Mahnwache abhielten, seien – ja was wohl? – antsemitisch. Sie hätten seit Jahren zum Boykott von israelischen Produkten aufgerufen.

Man muss dazu wissen, dass Benjamin Weinthal eng mit Hendryk M. Broder und seiner „Achse des Guten“ zusammenarbeitet, und dass Differenzierungen absolut nicht ihre Sache sind. Wobei ihnen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu als Vorbild dient. Die Muster ihrer Kampagnen gleichen sich. Jegliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung, seien es die Grausamkeiten der Besatzungspolitik, die Hauszerstörungen, der illegale Siedlungsbau, die nach europäischem Recht unzulässige Kennzeichnung von Produkten aus den besetzten palästinensischen Gebieten usw. wird umstandslos als antisemitisch klassifiziert. Dass die israelische Botschaft die Regierungspolitik vertritt und rechtfertigt, ist verständlich. Dass die jüdischen Gemeinden sich diese Linie zu eigen und von ihrer Seite aus kaum noch kritische Töne zu vernehmen sind, ist schon viel weniger selbstverständlich und bedauerlich.

Israel ist kein homogenes Gebilde sondern stellt eine differenzierte und in Bezug auf die Zukunftsfragen tief gespaltene Gesellschaft dar. Ihr liberaler Teil, der den Frieden will und die Besatzung verurteilt, ist leider unter dem Ansturm der rechts-nationalistisch-religiösen Kräfte schwächer geworden. Aber die Kritik an der Netanyahu-Regierung wird in Israel schärfer und die Kritiker immer zahlreicher. Sie wären nach der Logik der unbedingten Israelverteidiger in Deutschland à la Benjamin Weinthal und Henryk M. Broder alles Antisemiten. Was ein etwas absurdes Ergebnis wäre, weil, wie gesagt, die schärfsten Kritiker der israelischen Politik ja selber Israelis sind.
Sönke Hundt

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