Korrespondenz zwischen Prof. Rudolph Bauer und der Bank für Sozialwirtschaft
„Infolge des Drucks einer rechtsnationalistischen Schmutzkampagne“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ – kündigte die Bank für Sozialwirtschaft BfS das Konto des Vereins, der für die Verwirklichung der universellen Menschenrechte in Israel und Palästina sowie für eine gerechte Friedenslösung zwischen beiden Völkern wirkt. Trotz Protests zahlreicher Persönlichkeiten und Organisationen wurde die Kontokündigung von Seiten der Bank bekräftigt. Als ein Beispiel des Protests dokumentiert die NRhZ die Korrespondenz zwischen Prof. Rudolph Bauer und der Bank für Sozialwirtschaft, die bislang mit der Aussage endet: „Die Geschichtsvergessenheit der Wohlfahrtsverbände-Bank ist beschämend.“
Prof. Rudolph Bauer an die BfS, 7. Dezember 2016
Sehr geehrte Frau Rüth,
mit Befremden habe ich erfahren, dass die Bank für Sozialwirtschaft das Konto des eingetragenen Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost gekündigt hat.
Die BfS wurde 1923 als Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands gegründet. Daraus erwächst der Bank die Verpflichtung, sich in besonderer Weise für die Belange zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bereich der Wohlfahrt und des Sozialen zu engagieren. Die Konto-Kündigung für den genannten Verein widerspricht dieser Verpflichtung und verletzt aufs Gröbste die friedenspolitische Verantwortung, die nicht zuletzt auch bundesrepublikanische Institutionen wie Ihre Bank mit Blick auf den Nahen Osten haben.
Es ist mir gänzlich unverständlich, dass die Bank für Sozialwirtschaft eine Vereinigung von Jüdinnen und Juden ausgrenzt, die in unserem Land leben – ich brauche Sie bestimmt nicht an die deutschen Verbrechen im Nationalsozialismus zu erinnern – und die sich im Interesse der in Nahost lebenden Menschen, Israeli und Palästinenser, für einen gerechter Frieden dort einsetzen. Ich protestiere dagegen, dass eine Bank der Wohlfahrtspflege sich indirekt für kriegerische Mittel stark macht, indem sie eine pazifistische Organisation behindert.
Bitte leiten Sie meinen Protest und seine Begründung weiter an diejenigen Verantwortlichen der Bank, welche die Kündigung zu verantworten haben. Ich erwarte, auch im Namen von Freiheit und Gleichheit, die Kündigung unverzüglich rückgängig zu machen und es künftig zu unterlassen, eine „Jüdische Stimme“ zu unterdrücken.
Stephanie Rüth für die BfS an Prof. Rudolph Bauer, 8. Dezember 2016
Sehr geehrter Herr Professor Bauer,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Kündigung des Kontos des Jüdische Stimme e.V. Am 1. Dezember 2016 hat die Bank für Sozialwirtschaft dem Vorstand der Jüdischen Stimme e.V. die Beweggründe für die Kündigung in einem persönlichen Gespräch erläutert. Wie Sie eventuell zwischenzeitlich von unseren Gesprächspartnern selbst erfahren haben, richtet sich die Konto-Kündigung nicht gegen den Verein Jüdische Stimme an sich.
Maßgeblich für die Kündigung ist, dass die Jüdische Stimme die Kampagne „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BDS)“ unterstützt. Diese hat eine Destabilisierung des Staates Israel zum Ziel, die mit den Grundsätzen der BFS unvereinbar ist. Sicher ist Ihnen bekannt, dass der Spitzenverband der jüdischen Wohlfahrtspflege in Deutschland zu den Gründungsgesellschaftern der 1923 gegründeten Bank für Sozialwirtschaft gehört. Wir fühlen uns seit dem Ende der Nazi-Gewaltherrschaft der Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel verpflichtet und unterstützen das Existenzrecht des jüdischen Staates. Demgegenüber gehen die Positionen der Kampagne BDS in Inhalt und Stil nach unserer Einschätzung weit über den Rahmen des üblichen demokratischen Diskurses hinaus. Wir sehen uns daher nicht mehr als der geeignete Geschäftspartner eines Vereins, der die BDS-Kampagne unterstützt.
Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht und sie erst nach der Auswertung verschiedener Untersuchungen zur BDS-Kampagne getroffen.
So kommt die Friedrich Naumann Stiftung („Boykott des Friedens: Die BDS-Bewegung und der Westen, 6.10.2015) zu folgendem Fazit: „BDS richtet sich geographisch gegen ganz Israel und kulturell gegen alles Israelische. Die moderne Boykott-Bewegung verfolgt nur oberflächlich das Ziel, Israel durch Kooperationsverweigerung wirtschaftlich zu schädigen. Die ökonomischen Folgen des Boykotts gegen Israel hat der jüdische Staat zu jeder Zeit verkraftet. Vielmehr liegt die Motivation darin, das Außenbild Israels in der unbeteiligten Weltgemeinschaft durch eine minutiös geplante und mittlerweile reflexartig eingespielte Kampagne zu schwärzen: BDS möchte Köpfe, nicht Kassen erreichen. (…) Mit dem finalen Ziel, dem Staat Israel den Boden unter den Füßen wegzuziehen, will das BDS Movement den Stein ins Rollen bringen.“ https://www.freiheit.org/sites/default/files/uploads/2015/10/07/15106hintergrundisraelpalaestinensischeautonomiegebiete.pdf
Der deutsche Soziologe Prof. Dr. Samuel Salzborn (Universität Göttingen) beschreibt BDS und ihre Forderungen als „eine moralisch imprägnierte palästinensische Interessenartikulation, mit der international der politische Druck auf Israel erhöht und die palästinensische Politik flankiert werden soll“ („Israelkritik oder Antisemitismus? Kriterien für eine Unterscheidung“, in Kirche und Israel. Neukirchener Theologische Zeitschrift, Heft 1/2013). Die Kampagne beziehe sich dabei zu Unrecht auf den Kampf gegen das südafrikanische Apartheidregime und sei „nicht um Kritik bemüht […], sondern ihrer Intention nach antisemitisch“. http://www.salzborn.de/txt/2013_Kirche-und-Israel.pdf
Wir hoffen, Sie können unsere Entscheidung nachvollziehen. Die BFS hat sich seit jeher stärker als andere Banken über ethische Grundsätze definiert. Selbstverständlich akzeptieren wir, dass es stark divergierende Meinungen zum Nahost-Konflikt und dem Verhältnis zwischen den Palästinensern und dem Staat Israel gibt. Die Positionen der BDS-Kampagne jedoch gehören nicht dazu.
Prof. Rudolph Bauer an die BfS, 12. Dezember 2016
Sehr geehrte Frau Rüth,
sind wir in Deutschland wieder so weit, dass unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ungestraft zu Opfern von Verleumdungen gemacht werden dürfen? Wie aus Ihrer Antwortmail hervorgeht, macht sich die Bank für Sozialwirtschaft ungeprüfte Anschuldigungen zueigen. Sie stützt sich auf einseitige Quellen, statt andere Stimmen zu berücksichtigen und/oder den Sachverhalt durch eine Rückfrage bei der beschuldigten Organisation aufzuklären.
Selbst dann freilich, wenn einer Organisation in der Bundesrepublik die Destabilisierung eines anderen Staates zuzuschreiben wäre, wäre es Sache der Justiz, die Vorwürfe an Hand von Fakten zu prüfen sowie über das rechtmäßige Handeln der betreffenden Organisation und ihrer Intention zu urteilen. Alles andere ist Willkür.
Aus Ihrer Antwortmail geht leider nicht hervor, ob Sie meinem Wunsch entsprochen haben, meinen Protest an diejenigen Verantwortlichen der Bank weiterzuleiten, welche die Kündigung zu verantworten haben. Ich hoffe, dass die Entscheidung revidiert wird.
Stephanie Rüth für die BfS an Prof. Rudolph Bauer, 19. Dezember 2016
Sehr geehrter Herr Professor Bauer,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung zu unserer Erläuterung der Kündigung des Kontos des Jüdische Stimme e.V. Wir respektieren selbstverständlich, dass Sie eine andere Position vertreten als wir.
Wir bitten jedoch auch zu respektieren, dass wir nach reiflicher Überlegung zu dem Ergebnis gekommen sind, dass eine Organisation, die die hochumstrittene BDS-Kampagne unterstützt, kein passender Geschäftspartner mehr für uns ist. Der nachstehende FAZ-Artikel vom 28.6.2016 bringt aus unserer Sicht sehr treffend auf den Punkt, warum sich der BDS-Ansatz außerhalb des üblichen demokratischen Diskurses bewegt:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/israel-boykott-einladung-zum-hass-14295344.html
Die Bank für Sozialwirtschaft fühlt sich der Aussöhnung zwischen Deutschland und Menschen jüdischen Glaubens verpflichtet. Dazu gehört die Anerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel. Da Sie die BFS gut kennen, werden Sie wissen, dass wir auch einen jüdischen Gesellschafter haben. Kampagnen, die auf eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Destabilisierung Israels zielen, sind daher mit unseren Unternehmensgrundsätzen unvereinbar. Wir bitten um Ihr Verständnis.
Das von Ihnen geforderte Gespräch mit der Organisation hat der Vorstandsvorsitzender der Bank am 1. Dezember geführt. Im Vorfeld der Kündigung wurde von einer bankinternen Abteilung eine Prüfung durchgeführt, die nicht allein die beiden Quellen, die in der Mail genannt wurden, umfasste. Einige Tage später hat der Vorstand der BFS die Kündigung bestätigt. Die Vielzahl von Anfragen, die nun kommen, werden von mir im Auftrag des Vorstandes beantwortet.
Prof. Rudolph Bauer an die BfS, 19. Dezember 2016
Ihre heutige Mail, sehr geehrte Frau Rüth, lässt nach wie vor Fragen offen. Es reicht nicht aus, dass Sie bzw. die Bank für Sozialwirtschaft meine Position als eine „andere“ respektieren. Es geht mir um mehr als um das Respektieren meiner Meinung. Es geht mir um eine Revision der Entscheidung, das Konto von „Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V.“ aufzulösen.
Die Berufung auf die ZWSt als Gesellschafter bescheinigt, dass die Bank für Sozialwirtschaft die Grenzen zum Politischen überschritten hat und sich politisch massiv einmischt, statt sich um die ordentliche Abwicklung der Bankgeschäfte im sozialen Bereich zu kümmern. Nennen Sie mir bitte eine Bank, die einem ihrer Kunden gekündigt hat, weil er angeblich (!) das Existenzrecht eines Staates nicht anerkennt. Lächerlich, einen hochgerüsteten Staat wie Israel durch die BDS-Kampagne destabilisieren zu wollen. Das Existenzrecht- bzw. Destabilisierungs-Argument ist eine Unterstellung. Selbst wenn derlei von einem Meinungsartikel im Feuilleton der FAZ vom 28.06.16 verbreitet wurde, entbindet es Sie nicht der objektiven Recherche. Auch nicht im sogenannten postfaktischen Zeitalter!
Mich erinnert das Vorgehen Ihrer Bank an jene Zeiten, als die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland aus der Liga der Freien Wohlfahrtspflege ausgeschlossen worden ist. Auch damals hat eine bestimmte Organisation den Ausschluss betrieben, und die anderen Gesellschafter der Bank – nicht zuletzt die christlichen – hüllten sich, wie heute auch, in Schweigen. Sie, Frau Rüth, berufen sich auf Vorgänge in der deutschen Geschichte während der Nazizeit. Sie merken aber nicht, dass Sie mit der gleichen Elle messen – dieses Mal nur anders herum. Auch scheinen Caritas und Diakonisches Werk in den Entscheidungsgremien Ihrer Bank der Kontokündigung zugestimmt bzw. ihr nicht widersprochen zu haben.
Die Geschichtsvergessenheit der Wohlfahrtsverbände-Bank ist beschämend.
Quelle (mit freundlicher Genehmigung): NRhZ-Online – Neue Rheinische Zeitung v. 21.12.2016
Leider hat man uns das selbstständige Denken abgewöhnt. Medial werden wir bearbeitet sich so wie alle andren zu verhalten oder zu denken. Für anders denken ist da kein Platz und wenn es heißt wieder gegen Juden zu ziehen ist es legitim. Die Antwort der Bank wäre nicht anders Formuliert wie zu Zeiten des dritten Reiches oder in der DDR . Und es heißt Geschichte wieder holt sich nicht. Medien sei Dank!! Und ich bin in der DDR aufgewachsen, ich weis wovon ich schreibe.