Kein Strom, kein sauberes Wasser – Israel blockiert Leben in palästinensischem Küstenstreifen.
Von Karin Leukefeld

»Wir haben fast keinen Strom«, mit diesen knappen Worten beschreibt Professor Abed Schokry in seinem Bericht aus Gaza, den er regelmäßig an Freunde und Bekannte in Deutschland schickt, die Situation in dem abgeriegelten Gebiet. 17 Jahre lebte Schokry in Deutschland, promovierte an der TU Berlin und kehrte 2007 mit seiner Familie zurück, um an der Universität Gaza Wirtschaftsingenieurswesen zu unterrichten.

Seit mehr als zehn Jahren lebe die Bevölkerung unter »unmenschlichen Bedingungen«, schreibt Schokry. »Sind wir Versuchskaninchen in einem Experiment, werden wir beobachtet, um unsere Schmerzgrenzen zu ermitteln?«

Es mangele nicht nur an Elektrizität, sondern es gebe auch »kein sauberes Trinkwasser«. Leitungswasser fließe an vielen Orten »seit Wochen nicht mehr, da es keinen Strom gibt«. Deswegen funktioniere auch kein Internet, kein Telefon und – Schokry erwähnt es nicht – kein Kühlschrank und keine Waschmaschine.

Die Krankenhäuser haben nicht genügend Strom, auch die Abwasseraufbereitung ist außer Betrieb, so dass das Abwasser direkt ins Mittelmeer fließt, wo schon weite Teile des Strandes von Gaza verseucht seien, erklärt Schokry. Die israelische Gesundheitsbehörde habe das Schwimmen in der Umgebung der nahe gelegenen Hafenstadt Aschkelon verboten und die Strände geschlossen.
SODI Serbien

Der »armselige Stromgenerator« habe den Geist aufgegeben, doch »die einzige Demokratie im Nahen Osten war so gnädig und großzügig« und genehmigte die Einfuhr eines neuen Stromgenerators »in den Gazastreifen. Danke sehr«, so Schokrys zynischer Verweis auf die israelische Besatzungsmacht.

Seit mehr als zehn Jahren hat Israel über den Küstenstreifen eine Blockade zu Luft, Land und zur See verhängt. Auslöser der Maßnahme war der Wahlsieg der palästinensischen Hamas 2006. Ein Jahr später riegelte Israel das Gebiet ab. Die Hamas wurde isoliert, wirtschaftliche Entwicklung wurde unterbunden. Die Menschen wurden für ihre demokratische Entscheidung bestraft, indem ihnen das in Artikel 3 der UN-Menschenrechtscharta garantierte Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit genommen wurde. Nur humanitäre Hilfe sollte sie erreichen, damit sie nicht verhungerten.

Wohin das führt, ist in einem Bericht der UN-Koordination für humanitäre Hilfe und Entwicklung nachzulesen, der am 11. Juli 2017 veröffentlicht wurde. In dem abgeriegelten Küstenstreifen herrsche »zunehmende Verelendung«, heißt es darin. Die »Talfahrt« verlaufe schneller als vorausgesehen. Im Jahr 2020 werde der Gazastreifen »unbewohnbar« sein. Denn dann wird voraussichtlich der Grundwasserleiter an der Küste – die einzige Wasserquelle – verseucht und unbrauchbar sein.

Das Bruttosozialprodukt habe sich verringert, die Gesundheitsversorgung werde immer schlechter, heißt es weiter in dem UN-Bericht. Wenn nicht in »nachhaltige Entwicklung« investiert werde, wenn die Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren verweigert, wenn Menschenrechte und das Völkerrecht missachtet würden, werde »Isolation und Verzweiflung« zu einer »vernichtenden Eskalation« führen, warnen die Autoren des UN-Berichts.

Schokry kritisiert den innerpalästinensischen Machtkonflikt ebenso wie das Schweigen der Welt angesichts des Elends im Gazastreifen. Es sei nicht »immer einfach« für ihn, seine Meldungen zu schicken. Doch er müsse »über diese unmenschlichen Umstände informieren. Damit Sie nicht sagen: Wir haben es nicht gewusst«.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 19.07.2017

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