Eine jüdische Buchhandlung in Berlin muss unter dem Druck von Linken schließen. Die linke Israelverehrung verkehrt sich so in ihr Gegenteil.
Ein Kommentar von Armin Langer

(Der Verf. gründete 2013 die „Saalam-Schalom-Initiative“ im stellenweise arabisch geprägten Berlin-Neukölln)

Ein paar Dutzend Menschen, einige von ihnen schwarz gekleidet, nehmen auf winzigen, unbequemen Hockern in einer Neuköllner Buchhandlung Platz. Die uralte jüdische Schiwa-Tradition besagt, dass Trauernde niedrig sitzen sollen. Schon der Prophet Hiob trauerte auf diese Art.

Die meisten Besucher im Raum sind israelische Wahlberliner. Sie sind vor einigen Jahren in die deutsche Hauptstadt gezogen und haben ihren Frieden mit Deutschland geschlossen. Einige verließen ihre Heimat aus politischen Gründen und deshalb, weil sie ihre Hoffnung an eine offene israelische Gesellschaft verloren haben. Einige sind aus finanziellen Gründen nach Berlin gekommen: In Israel hat sich herumgesprochen, dass ein Becher Schokopudding in Berliner Discountern nur 19 Cent kostet. In Israel kosten Lebensmittel das Vielfache.

Nun starren sich diese Israelis fassungslos auf deutschem Boden an, denn ihre von zwei Israelis betriebene Lieblingsbuchhandlung muss wegen Drohungen schließen. (…)

Es ist deswegen an der Zeit, über den destruktiven Philosemitismus in der deutschen Gesellschaft und besonders innerhalb der antideutschen Linken zu reden.

Anlässe dafür gab es in der jüngsten Vergangenheit genug: Der Linken-Abgeordnete Oliver Höfinghoff griff im Sommer 2016 beim Berliner Christopher Street Day (CSD) zusammen mit einigen Genossen Mitglieder der Gruppe Berlin Against Pinkwashing an. Den Protest von israelischen Juden und einigen Arabern, die zusammen gegen den israelischen Botschafter demonstrieren wollten, konnte der Abgeordnete nicht aushalten, er musste zuschlagen. Ramin Rachel, Vorstandsmitglied der SPD Neukölln, drohte in einer Facebook-Diskussion zu diesen Protesten damit, einen jungen Israeli zu schlagen, falls er wieder gegen seine Regierung demonstrieren würde.
„Juden-Feeling“ als Accessoire

Ende 2016 unterstellte der Tagesspiegel-Journalist Johannes Bockenheimer den Teilnehmern eines palästinensischen Kulturfestivals pauschal Antisemitismus: Daraufhin verfassten mehr als hundert jüdische und israelische Kulturschaffende in Berlin einen offenen Brief, in dem sie ihre Solidarität mit dem Festival ausdrückten. Der Tagesspiegel sah den publizistischen Fehler ein und entfernte den Artikel aus dem Internet. Den Unterzeichnenden wurde aber noch wochenlang später im Netz vorgeworfen, sie seien alle lediglich Kapos. Vor wenigen Monaten wurde die Jewish Anti Fascist Action Berlin gegründet, die heute eine der größten jüdischen Bürgerinitiativen in der Bundesrepublik ist und sich bereits an zahlreichen antirassistischen Demos beteiligt hat – und von meist biodeutschen Philosemiten immer und immer wieder als eine Ansammlung von „selbsthassenden Juden“ diffamiert wird.

Wir, die Nachfahren der Opfer der Schoah, die den besagten offenen Brief unterzeichnet haben, die die Topics-Buchhandlung eröffnet oder allgemein kritische Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Rechten befördern, werden von den Nachfahren der Täter dämonisiert, diffamiert und delegitimiert – mit dem Argument, dass sie sich gegen Nazismus einsetzen würden. Der Antisemitismus wird umdefiniert, aus den Opfern werden Täter gemacht. Gleichzeitig kann man unter einigen Nachkommen der wahren Täter eine gewisse Sehnsucht nach einem Opferstatus beobachten. Das „Juden-Feeling“ ist über die Jahre zum Accessoire für viele Linke in Deutschland geworden. Sie fahren mit einer Israelfahne an ihren Autos befestigt herum – aus Solidarität mit den Juden, sagen sie, obwohl diese Fahne kein jüdisches Symbol per se ist, sondern das Zeichen des Staates Israel.

Besonders gerne tun sie das zu einer Zeit, in der der Nahostkonflikt eskaliert. Wenn sie dabei angefeindet werden, beklagen sie sich über ihre Erfahrungen mit dem Antisemitismus. Die Erfahrungen echter Juden sind nicht mehr relevant. Und wenn die bei dieser Inszenierung nicht mitspielen wollen, bekommen sie es eben mit den Punks und ihren Hunden zu tun – und werden in Deutschland im Jahr 2017 boykottiert.

Der vollständige Artikel unter zeit-online v. 25.07.2017

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