(Das youtube-video jetzt vollständig mit deutschen Untertiteln)
Am 22. Januar war der us-amerikanische und jüdische Autor Mark Braverman im Gemeindezentrum Zion in der Neustadt und referierte vor einem zahlreichen Publikum über seinen eigenen Werdegang und seine heutige Sicht auf die Lage in Israel und Palästina. Faszinierend war, mit welcher Klarheit und mit welcher Radikalität er den Staat Israel als einen Apartheid-Staat bezeichnete, dessen Politik gegenüber den Palästinensern genau so bekämpft werden müsse, wie damals die Regierung der weißen Rassisten in Südafrika. Nämlich mit entschiedenen Boykott-Maßnahmen seitens der Zivilgesellschaft und durch Druck auf die Regierungen.
Am Tag seines Vortrages war gerade der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, Mike Pence, in Jerusalem. Dieser bekräftigte die Entscheidung von Trump, die Botschaft der USA von Tel Avivf nach Jerusalem zu verlegen und damit Israels völkerrechtswidrigen Anspruch auf das ganze Jerusalem als seine Hauptstadt zu unterstützen. Für die politische Situation in seinem Land bat der Referent um Mitleid. In den USA habe jetzt ein Verrückter (ein „mad-man“) die Macht ergriffen, und man kenne ja genügend Beispiele aus der Geschichte, welche Folgen das haben könne.
Braverman verstand es, anhand seiner eigenen Geschichte und seiner eigenen Bewusstwerdung die Zuhörer zu fesseln. Er sei als Kind in eine religiöse jüdische Familie in Philadelphia hineingeboren, für die der jüdische Glaube und der politische Zionismus in den 60er Jahren eine untrennbare Einheit dargestellt hätten. Man hätte nicht Jude sein können ohne Zionist zu sein. Seine Identität in diesen Jahren sei vollständig bestimmt gewesen durch die tiefe Liebe und ein Gefühl tiefer Verbundenheit mit dem Staat Israel. Das jüdische Volk, das sei ihm beigebracht worden, hätte zwei Feinde: die Deutschen in der Vergangenheit und die Araber in der Gegenwart.
Dieses Weltbild und diese starke Identifikation mit Israel begannen zu bröckeln, als der Referent zum ersten Mal mit der Mauer, die Jerusalem heute zerschneidet, konfrontiert war. Und mit der Art und Weise, wie die jüdischen Israelis über die Araber sprachen. Nämlich mit einer Verachtung und mit einer Herablassung, wie sie ihm aus den USA nur zu bekannt war. Braverman habe realisieren müssen, dass das Verhältnis der weißen zu den schwarzen Amerikanern ganz ähnlich strukturiert war wie das der jüdischen Israelis zu den Palästinensern. Diese Erkenntnis hätte in der Folgezeit sein Verhältnis zum Staat Israel radikal verändert.
Heute ist Braverman ein entschiedener Gegner des politischen Zionismus und ein ebenso entschiedener Befürworter der BDS-Bewegung gegenüber Israel.
Pastor Thomas Lieberum von der Vereinigten ev. Gemeinde Bremen-Neustadt begrüßte die Anwesenden und den Referenten sehr herzlich. Gerade in dieser Gemeinde sei es wichtig, zu den beiden Geschwisterreligionen, dem Judentum und dem Islam, auf den vielfältigsten Ebenen enge Kontakte zu unterhalten, um so Animositäten und gegenseitige Abgrenzungen zu überwinden. Es sei immer schwierig, eine Glaubensgemeinschaft von außen zu kritisieren. Wenn ein jüdischer Bürger aus den USA einen kritischen Blick auf Israel werfen würde, sei das allemal glaubhafter.
Christian Kercher übersetzte souverän und charmant. Claus Walischewski vom Israeli Committee Against House Demolitions (ICAHD) stellte den Referenten des Abends vor. Detlef Griesche von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft (DPG) moderierte die Veranstaltung.
Die Veranstalter des Abends waren: AK Nahost Bremen, biz Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung, Bremer Friedensforum, Deutsch-Palästinensche Gesellschaft Bremen e. V., ICHAD (Israelisches Komitee gegen Hauszerstörungen), Kairos Palästina Solidaritätsnetz Gruppe Bremen.
Sönke Hundt