Unter BDS-Verdacht: Der neue McCarthyismus

von Micha Brumlik
Nach wochenlangen politischen Turbulenzen trat Mitte Juni der Direktor des Jüdischen Museums Berlin, Peter Schäfer, von seinem Amt zurück. Seit Jahren hatte es um das Haus und seine Leitung immer wieder Streit gegeben – wegen Schäfers vermeintlicher Nähe zur BDS-Bewegung, der Einladung eines hohen Vertreters des iranischen Regimes oder auch der Jerusalem-Ausstellung des Hauses, die im Mai dieses Jahres auslief. Das Fass zum Überlaufen brachte aber ein vom Museum geteilter Tweet der „taz“. Der dazugehörige Text kritisierte den Bundestagsbeschluss vom 17. Mai, wonach der BDS eine antisemitische Bewegung sei.[1] Vor allem der Zentralrat der Juden in Deutschland empörte sich daraufhin, das Jüdische Museum sei scheinbar „gänzlich außer Kontrolle geraten“. Unter diesen Umständen müsse man darüber nachdenken, ob die Bezeichnung „jüdisch“ für das Museum noch angemessen sei.

Das Haus selbst bemühte sich zwar eilig um Schadensbegrenzung: Es habe sich nicht gegen den Bundestagsbeschluss positioniert, sondern nur auf einen Diskussionsbeitrag hingewiesen. Doch es half nichts: Am Ende war der Druck zu groß, und Schäfer musste seinen Hut nehmen.

Dieser Vorgang ist in der Tat skandalös – allerdings aus völlig anderen Gründen, als der Zentralrat der Juden anführt. Denn was wir hier erleben, ist nichts anderes als die Neu- und Wiedergeburt einer spezifischen Form des McCarthyismus. McCarthyismus – so der in diesem Fall treffende Eintrag bei Wikipedia – ist ein für die demagogische Kommunistenjagd in den USA der frühen 1950er Jahre benutzter Begriff, „bei der die hysterischen Ängste der Bevölkerung ausgenutzt worden seien, um Unschuldige oder relativ harmlose Andersdenkende zu verfolgen; er wird assoziiert mit Verschwörungstheorien und einer ‚Herrschaft des Terrors’“. Und ganz ähnlich werden derzeit jene verfolgt, die auch nur in den Verdacht geraten, eine „falsche“ Meinung zu vertreten oder einer bestimmten Haltung auch nur nahezustehen – nämlich der des BDS-Umfeldes.
Der Verfall liberaler Öffentlichkeit

Der Vorwurf, jemand „stehe“ einer Politik, einer Haltung, einer Meinung „nahe“, ist schnell erhoben und kaum belegpflichtig. Es war ironischerweise der inzwischen zurückgetretene Direktor selbst, der vor gut zwei Jahren – politisch ungeschickt – ebenfalls derart rigide vorging. Im Juli 2017 sollte der palästinensische, in den USA lehrende Professor Sa’ed Athsan einen Vortrag zum Thema „Beeing queer in Palestine“ („Queer sein in Palästina“) halten.[2] Allerdings wurde der Vortrag kurz zuvor abgesagt, weil der Referent im Verdacht stand, dem BDS nahezustehen – was aber nie hieb- und stichfest belegt wurde. Peter Schäfer begründete die Entscheidung damit, dass sich Sa’ed Atshan bei Veranstaltungen in den USA nicht deutlich genug vom BDS distanziert habe: „Ich habe den Vortrag im Einvernehmen mit dem Referenten bei uns im Haus abgesagt – er fand ja dann andernorts statt –, weil ich befürchtete, dass er zu einer Pro-und-Contra-BDS-Veranstaltung umfunktioniert werden könnte“, begründete Schäfer seine Entscheidung später.[3]
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der vollständige Artikel hier: https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2019/august/unter-bds-verdacht-der-neue-mccarthyismus

Blätter für deutsche und internationale Politik August 2019

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