Die Deutsche Welle hat am 30. August 2018 einen sehr ausführlichen, sehr differenzierten und also sehr lesenswerten Überblicksartikel über die gesamte BDS-Problematik gebracht.
Der Anlass: die jüngsten Auseinandersetzungenmit um die Ruhrtriennale in Bochum und das Berliner Pop-Kultur-Festival. Es kommen mit sorgfältig zitierten Äußerungen zu Wort: der Astrophysiker Stephen Hawkings, die Antisemitismus-Erklärung des Deutschen Bundestages, der neue Antisemitismusbeauftragten Felix Klein, der offenen Brief von 40 meist links gerichteten jüdischen Organisationen aus aller Welt, der ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland Avi Primor, der israelischen Ministerpräsidenten Bejamin Netanyahu, sein Minister Gilad Erdan, die israelische und jetzt in Deutschland lebende Jüdin Iris Hefets, die in Israel geborenen und in Deutschland aufgewachsene Nirit Sommerfeld, Barak Obama, der israelisch-argentinische und jetzt in Berlin lebende Star-Dirigenten Daniel Barenboi und Helmut Teltschik, der ehemalige enge Berater von Helmut Kohl. Teltschik wird zitiert: „Aber das kann ja nicht heißen, dass man, um dem Vorwurf des Antisemitismus zu entgehen, alles für gut und richtig hält, was vor allem die jetzige israelische Regierung entscheidet“, fährt Teltschik fort. Es könne „uns nicht egal sein, welche Entscheidungen die israelische Regierung trifft“, ergänzt er – auch aus ureigenstem Interesse: „Die Region des Nahen und Mittleren Osten ist von einer Brisanz, die unmittelbare Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit auch in Europa hat.“
Hier einige Auszüge aus dem Artikel der Deutschen Welle. Verfasser: Matthias von Hein.
„BDS gegen Israel: Umstrittener Boykott – und Gegenboykott
Eine Boykott-Kampagne für die Rechte der Palästinenser polarisiert. Weil sie die Frage aufwirft, wo Kritik an Israel aufhört und wo Antisemitismus beginnt.
Wie politisch darf Kunst, dürfen Künstler sein? Dass sich über diesen Fragen ein Kulturereignis in ein Minenfeld verwandeln kann, haben in diesem Sommer die Ruhrtriennale in Bochum und das Berliner Pop-Kultur-Festival gezeigt. In Bochum entzündete sich eine erbitterte Kontroverse um die Band „Young Fathers“, weil die drei Hip-Hopper offen mit der israelkritischen Bewegung „Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS) sympathisieren.
In Berlin hagelte es Künstler-Absagen aus aller Welt, weil die israelische Botschaft zu den finanziellen Unterstützern des Festivals zählt. Auch hier hatte die internationale Aktivisten-Kampagne BDS ihre Finger im Spiel.
Das pro-palästinensische Netzwerk setzt sich für einen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Boykott Israels ein und brandmarkt das Land im Nahostkonflikt als Menschenrechtsverletzer. Zwar kann die BDS-Kampagne nichts für das Lob, das sie auch von der palästinensischen Terrororganisation Hamas erhält. Aber es verkompliziert den Fall. Denn im Zentrum der BDS-Debatte steht die Frage: Wann schlägt Israel-Kritik in Judenhass um? Deutschland, das Land der Täter, tut sich mit der Antwort besonders schwer.“ […]
„Nach langsamen Anlauf entfaltet BDS inzwischen spürbare Wirkung: 2014 zog der größte niederländische Pensionsverwalter PGGM zweistellige Millionensummen aus israelischen Banken ab. Und schon 2011 war eine Tochter der Deutschen Bahn aus der Planung für eine 1,2 Milliarden teure Neubaustrecke zwischen Jerusalem und Tel Aviv ausgestiegen: Die Strecke sollte teilweise über besetztes Gebiet führen. Der Trinkwassersprudelhersteller ‚SodaStream‘ mit Sitz in Tel Aviv hat seine Produktion 2015 aus dem Westjordanland abgezogen, wodurch allerdings Hunderte Palästinenser ihre Jobs verloren.“ […]
„Der Auftritt als Menschenrechts-Kampagne macht BDS tatsächlich auch für viele Juden akzeptabel. Zuletzt hatten sich Mitte Juli über 40 meist links gerichtete jüdische Organisationen aus aller Welt in einem offenen Brief gegen die Vermischung von Israelkritik und Antisemitismus gewandt – und dabei speziell die BDS-Kampagne in Schutz genommen.
Avi Primor, ehemals israelischer Botschafter in Deutschland, gibt sich auf die Frage, ob BDS antisemitisch sei, nachdenklich. In Deutschland gebe es wegen der deutschen Vergangenheit eine „bestimmte Empfindlichkeit“ beim Thema Antisemitismus, sagt der Ex-Diplomat im DW-Gespräch. „Das ist verständlich. Und ich werde das bestimmt nicht kritisieren. Aber für mich ist das Leitmotiv der BDS-Bewegung Gerechtigkeit für die Palästinenser und ein Ende der Besatzung.“ Zwar gebe es laute antisemitische Stimmen in den Reihen der BDS, stellt Primor fest. Aber: „Das ist jedoch weder die offizielle Politik der Bewegung, noch die Meinung der Mehrheit ihrer Mitglieder“.
Mit BDS ist ein Kampf um Deutungshoheit und moralische Überlegenheit entbrannt, der die israelische Regierung nervös macht. 2015 bezeichnete Premierminister Benjamin Netanyahu BDS als „größte aktuelle Bedrohung Israels“ und warnte sein Kabinett: „Wir sind mitten in einem Kampf, der gegen den Staat Israel geführt wird, (durch) eine internationale Kampagne, um seinen Namen zu beschmutzen.“ Der Warnung folgten Taten. Unter anderem wurde das mit dem Kampf gegen BDS betraute Ministerium für Strategische Angelegenheiten großzügig mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet. Minister Gilad Erdan erklärte, man gehe jetzt „von der Defensive zur Offensive“ über.
Gilad Erdan (picture-alliance/dpa)“
Dazu passt die Einladung zu dieser Podiumsdiskussion:
DIG und DPG im Podium
Die Friedrich-Neumann Stiftung lädt ein zu einer Podiumsdiskussion, an der die beiden Präsidenten der Deutsch-Israelischen und der Deutsch-Palästinensische Gesellschaften teilnehmen.
Donnerstag, 20. September 2018, VHS Bonn, um 18:30 Uhr
Anmeldungen sind erforderlich: https://shop.freiheit.org/#!/Veranstaltung/E7DRO
Akteure, Positionen, Hemmnisse – Zur Zukunft des Nahost-Friedensprozesses