Offener Brief an Bodo Ramelow

Bodo Ramelow auf einem Plakat aus dem letzten Wahlkampf

Lieber Bodo,
in Deinem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“ vom 23. Oktober 2015 hast Du Dich während Deiner Reise in Israel engagiert zu den Sorgen und Nöten Israels geäußert und äußersten Wert darauf gelegt, vor allem ausgewogen zu sein – als Staatsmann und Ministerpräsident, der Du jetzt bist. Du hast aber leider ganz demonstrativ und ganz einseitig auf jeden Besuch bei den Palästinensern verzichtet. Wiltrud Rösch-Metzler von Pax Christi meinte, ich sollte Dir mal für Deine Meinungsbildung einen sehr interessanten Artikel (in deutscher Übersetzung) aus der „Washington Post“ v. 23.10.15 schicken. Hier begründen zwei Professoren von den Universitäten Harvard und Chicago ganz plausibel, warum sie – als Zionisten – in Zukunft die inzwischen weltweite Boykott-Bewegung unterstützen werden.
Mit sozialistischen Grüßen
Sönke Hundt

PS: Wir haben uns übrigens mal kennen gelernt, als Du als Wahlkampfleiter für die WASG unseren Wahlkampf hier in Bremen unterstützt hast. Dieser Brief an Dich ist ein offener Brief und wird auf http://www.nahost-forum-bremen.de veröffentlicht. Deine eventuelle Antwort natürlich auch.

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Das Interview von Bodo Ramelow („Ramelow warnt vor einseitigen Schuldzuweisungen an Israel“ mit der „Thüringer Allgemeinen“ in Auszügen:

Sie fahren ausschließlich nach Israel, es ist kein Besuch in Ramallah bei den Palästinensern geplant: Das ist nicht das normale Besuchsprogramm eines deutschen Linken.
Es ist das Besuchsprogramm eines Thüringer Ministerpräsidenten. Ich fahre als Vertreter eines Landes nach Israel, in dem sich die Gedenkstätten für das KZ Buchenwald und dessen Außenstellen befinden – und der Gedenkort in Erfurt, wo die Firma „Topf & Söhne“ die Öfen und die Lüftungstechnik für die physische Vernichtung von Millionen Juden herstellten. Ich besuche deshalb nächste Woche Yad Vashem und ein Kibbuz, das ein Überlebender von Buchenwald gegründet hat. Ich stelle mich der Verantwortung, die sich daraus für Thüringen ergibt – und dies im 50. Jahr der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel. Das würde ich ungern vermischen mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt, der ja leider gerade wieder eskaliert.

Wolfgang Gehrke, der Chefaußenpolitiker Ihrer Partei, sagt zu Unruhen in Israel und der Westbank: „Die Verantwortung liegt ohne Abstriche bei der Netanjahu-Regierung.“ Einverstanden?
Ich kommentiere nicht Äußerungen von Vertretern meiner Partei. Ich fahre, wie gesagt, als Thüringer Ministerpräsident.

Dann frage ich mal so: Wollen Sie nicht bewusst ein Zeichen setzen, wenn Sie als erster linker Ministerpräsident Ihre erste Auslandsreise nach Israel unternehmen?
Ich bin natürlich sehr besorgt darüber, was gerade in Israel und im Westjordanland geschieht. Ich habe auf meinen früheren Reisen Angriffe von beiden Seiten auf die jeweils andere Glaubenskultur erlebt. Das ist nicht akzeptabel, so oder so.

(…)

Angela Merkel hat dort 2008 gesagt, das Existenzrecht Israels gehöre zur deutschen Staatsräson. Richtig?
Das hat auch schon Gregor Gysi gesagt. Und ich sage das sowieso, als Mitglied des Stiftungsrats der Leo-Baeck-Stiftung und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Sagt das auch die gerade zur Gysi-Nachfolgerin gewählte Sahra Wagenknecht?
Warum sollte sie nicht?

Als 2010 Israels Staatspräsident Peres vor dem Bundestag redete, blieben Wagenknecht und eine andere Linke-Abgeordnete als einzige demonstrativ sitzen.
Ich habe damals dazu meinen Kommentar abgegeben. Das reicht.
Sie sagten damals, das Verhalten von Wagenknecht sei „sehr unhöflich und dumm“.
Nochmals: Ich werde meinen damaligen Kommentar nicht kommentieren.

(…)

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