Der Druck auf das Management vom Edelkaufhaus KaDeWe in Berlin war dann wohl doch zu groß geworden. Es teilte jedenfalls am Sonntag über Facebook und Twitter mit, dass es seine ursprüngliche Entscheidung, Produkte aus den von Israel besetzten Gebieten (es handelte sich um acht Weine der Marke „Gamla“ von den Golan-Höhen) aus dem Sortiment zu nehmen, revidiert habe. Man habe „hausintern zu rasch und unsensibel gehandelt“. Das Unternehmen sprach ausdrücklich sein Bedauern darüber aus, dass es „durch dieses falsche Verhalten seitens der KaDeWe-Group zu Missverständnissen“ gekommen sei.
Wie die israelische Tageszeitung Haaretz am 22. November berichtete („German Department Store Backtracks“), war die neue Entscheidung getroffen worden, kurz nachdem Ministerpräsident Benjamin Netanyahu das Unternehmen für sein Verhalten scharf verurteilt hatte. In seiner Stellungnahme hatte er darauf hingewiesen, dass das Kaufhaus noch in den 30er Jahren in jüdischem Besitz gewesen und von den Nazis enteignet worden war. Netanyahu hat darüber hinaus, so Haaretz, direkt die deutsche Regierung aufgefordert zu intervenieren und erklärt: „Wir protestieren vehement gegen diesen Schritt (des Kaufhauses, S.H.), der moralisch, praktisch und historisch unakzeptabel ist. Wir erwarten von der deutschen Regierung (…), in diesem schweren Fall tätig zu werden.“
Das ist dann wohl auch geschehen. In der Zwischenzeit hatte auch schon die Bild-Zeitung gegen die ursprüngliche KaDeWe-Entscheidung polemisiert und gegen den Beschluss der EU-Kommission getextet: „Es ist eine Lex Israel! Eine Lex Anti-Israel. Europa hätte genug damit zu tun, Juden besser zu schützen und Antisemitismus zu bekämpfen, als Israel-Feinden ein Mittel zum Produkt-Boykott an die Hand zu geben.“
Warum dieses internationale Aufregung um acht Weine von den Golan-Höhen im Sortiment eines Kaufhauses? Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland, hat dafür ganz sachlich und unaufgeregt die folgende Antwort gegeben:
„Also, wenn sie merken, wie heftig die Reaktion in Israel gegen die Maßnahme ist, ist es nicht, weil man davon ausgeht, dass das, was heute entschieden wurde, Israel wirklich schadet. Davon geht niemand aus. Man spricht, als wäre das sehr, sehr wichtig, aber in Wirklichkeit ist es eine Nebensächlichkeit. Dem stimmen alle zu, hinter den Kulissen natürlich.
Aber man fürchtet, dass das ein Ansatzpunkt sein könnte. Heute werden – nicht boykottiert – aber sagen wir Produkte aus den besetzten Gebieten anders behandelt als die Produkte aus Israel. Morgen kann sich das erweitern, auf Israel selber. Das fürchtet man, und daher diese Reaktion. Ich seh noch nicht, dass die Europäer wirklich so weit gegen uns gehen wollen. Glaube ich nicht. Aber wer weiß, wie die Sache sich entwickelt. Das erklärt diese heftige Reaktion in Israel.“
Avi Primor ist vom ARD-Korrespondenten Richard C. Schneider interviewt worden. Das Interview ist sehenswert und noch in der ARD-Mediathek enthalten.
Sönke Hundt