Waffendeals? Nur mit Merkel!

Militärpakt zwischen Berlin und Jerusalem basiert auf engem Personalgeflecht. Thyssen-Krupp soll für U-Boot-Lieferung Politiker geschmiert haben

Von Knut Mellenthin
 
Zwischen dem deutschen Konzern Thyssen-Krupp und Personen aus dem Umfeld des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu soll Schmiergeld geflossen sein. Ein gewichtiger Unterschied zwischen beiden Ländern: In Israel liegt die Untersuchung der Vorgänge in den Händen des Generalstaatsanwalts und der Polizei, meldete Reuters am 23. November. Die Opposition ist auf den Barrikaden und stellt bohrende Nachfragen. In Deutschland ermittelt einstweilen nur Thyssen-Krupp gegen sich selbst. Die Oppositionsparteien im Bundestag verhalten sich, als ginge die Geschichte sie nichts an.

Dabei sind Vorwürfe gegen die Aktiengesellschaft wegen des Verdachts auf Korruption und illegale Kartellabsprachen nichts Neues. 2011 musste Thyssen-Krupp Praktiken seiner im Schiffbau tätigen Tochterfirma HDW prüfen. Die Werft hatte angeblich über 90 Millionen Euro an ein südkoreanisches Unternehmen gezahlt, um den Zuschlag für zwei Aufträge über insgesamt 2,5 Milliarden Euro zu erhalten. Es ging unter anderem, wie auch jetzt im Falle Israels, um den Bau von U-Booten. 2012 trennte sich der Konzern von drei seiner sechs Vorstandsmitglieder. Auslöser waren, neben Kartellabsprachen und Milliardenverlusten beim Bau von Stahlwerken in den USA und Brasilien, erneut Bestechungsvorwürfe. 2013 kündigte der Vorstand an, entschieden und konsequent gegen Korruption unter seinen leitenden Angestellten vorzugehen. Im August 2015 berichtete das Handelsblatt erneut von »jahrelangen Schmiergeldzahlungen« vor allem im Zusammenhang mit Rüstungsgeschäften. Erwähnt wurden Deals mit Griechenland, der Türkei, Südkorea, Pakistan und Indonesien.

Bei den Vorgängen, die jetzt in Israel untersucht werden, geht es hauptsächlich um die Bestellung von drei U-Booten bei Thyssen-Krupp. Umstritten ist aber auch die Vereinbarung über die Lieferung von vier Korvetten, die im Mai 2015 unterzeichnet wurde. Offiziell sollen die Kriegsschiffe, deren erstes voraussichtlich 2020 fertig sein wird, zum Schutz der Erdgasförderung vor der Ostküste des Mittelmeers eingesetzt werden. In Israel wird beanstandet, dass der Auftrag ohne internationale Ausschreibung an den deutschen Konzern vergeben wurde. Grundsätzlich wird der Nutzen aber nicht angezweifelt.

Bei den drei U-Booten ist das ganz anders. Netanjahu wird vorgeworfen, dass er das Geschäft nahezu im Alleingang, nur unterstützt vom Nationalen Sicherheitsrat, abgeschlossen habe, als er Deutschland im Februar besuchte. Der Regierungschef handelte damit gegen den erklärten Willen des damaligen Verteidigungsministers Mosche Jaalon. Auch die militärische Führung wurde von Netanjahu übergangen. Jaalon reichte am 20. Mai seinen Rücktritt ein, den er mit »schwierigen Meinungsverschiedenheiten in moralischen und professionellen Angelegenheiten« begründete.

Tel Aviv hatte bereits in der Vergangenheit sechs deutsche U-Boote bestellt, von denen fünf ausgeliefert sind. Das sechste soll voraussichtlich im nächsten Jahr an die israelische Marine übergeben werden. Es ist seit Jahren zur Gewohnheit geworden, dass die Bundesregierung ein Drittel der Kosten für alle von Israel bestellten Kriegsschiffe aus dem BRD-Haushalt deckt. Da die anfänglichen Vereinbarungen sogar noch großzügiger waren, hat Israel nur rund die Hälfte der Kosten für die sechs U-Boote selbst zahlen müssen. Das wird zwar mit der »deutschen Verantwortung für die Sicherheit des jüdischen Staates« moralisch begründet, verschafft aber zugleich Thyssen-Krupp einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil vor allen ausländischen Konkurrenten.

Die sechs in Deutschland gebauten U-Boote haben technische Voraussetzungen, um als Träger von Atomwaffen zu dienen. Ob sie aber wirklich nuklear ausgerüstet sind, ist unbekannt. Offizieller Standpunkt der Bundesregierung: Das gehe sie nichts an, sie stelle deshalb auch keine Fragen. Es ist umstritten, ob das einen Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag bedeutet, der seit 1970 in Kraft ist.

Netanjahus Argumente für die Bestellung von drei weiteren U-Booten: Sie sollen in etwa zehn Jahren einige der vorhandenen, bis dahin aber »veralteten« Unterwasserschiffe ablösen. Außerdem sei zweifelhaft, ob Angela Merkel nach der Bundestagswahl 2017 noch Kanzlerin ist. Nur mit ihr im Amt seien jedoch die günstigen Zahlungsbedingungen gesichert. Die Kritiker halten dagegen, dass die israelische Haushaltslage stark angespannt sei. Daher sei es nötig, bei den Militärausgaben genau und gründlich über die Prioritäten nachzudenken. Besonders hervorgehoben werden dabei die Raketenabwehr und die geplante Beschaffung neuer Kampfflugzeuge.

Außer seiner Eigenmächtigkeit werfen die Kritiker dem Premier eine Personalie vor: Sein langjähriger Anwalt, Freund und Berater David Schimron vertritt zugleich den Repräsentanten von Thyssen-Krupp in Israel, Miki Ganor. Dieser trug wesentlich dazu bei, die Bestellung der drei neuen U-Boote einzufädeln und durchzusetzen.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 01.12.2016

 
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