»Bank boykottiert Juden – widerlich!«

Einer jüdischen Vereinigung wurde das Konto gekündigt. Begründung: Kritik an Israel. Ein Gespräch mit Iris Hefets
Peter Wolter
 
Die Bank für Sozialwirtschaft, BFS, hat Ihrem Verein »Eine jüdische Stimme für Gerechtigkeit in Nahost« das Konto gekündigt. Mit welcher Begründung?

Zunächst wurde uns einfach gekündigt, ohne jede Begründung. Dann haben vor allem unsere Unterstützer bei der Bank Druck gemacht, es gab ein Treffen, nachdem die Sprecherin des Instituts von Protesten überflutet worden war. Uns wurde dabei klar gesagt, dass der BFS unsere Unterstützung für die BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions, dabei geht es wegen der Palästinapolitik um wirtschaftlichen Druck auf Israel, jW) nicht passt. Anstoß war die Beschwerde eines Mitarbeiters der Jerusalem Post. Der Vorstandsvorsitzende der Bank sagte, wir stellten damit das Existenzrecht Israels in Frage.
 
Ihnen als jüdischer Vereinigung so etwas vorzuwerfen, klingt ein wenig bizarr …
Wir waren darüber auch sehr verwundert. Bei dem Gespräch saßen auf unserer Seite zwei Israelis – uns gegenüber zwei Deutsche, nichtjüdisch. Und die beiden warfen uns vor, gegen das Existenzrecht Israels zu sein! Ich bitte Sie: Ich habe 36 Jahre dort gelebt, meine ganze Familie ist dort! Wie kann ich gegen Israel sein? Ich habe dann nachgefragt, ob sie mir erklären könnten, wie diese Argumentationskette von BDS bis zur Vernichtung Israels überhaupt entstanden ist. Sie konnten es nicht erklären, sondern behaupteten einfach, sie hätten es so recherchiert, Ziel der BDS-Kampagne sei die Destabilisierung Israels. Als ich ihnen vorwarf, ihre Argumente seien doch rein politisch motiviert, stritten sie das ab.
 
Ist eine solche Kündigung nach deutschem Recht denn möglich? Gehen Sie juristisch dagegen vor?
Sie ist möglich, die BFS ist ja eine Privatbank und hat einen entsprechenden Passus in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es müssen für eine Kündigung keine Gründe angegeben werden – gleichwohl ist ein solches Verhalten eine Diskriminierung, ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Vielleicht könnte man das juristisch anfechten, es geht uns aber um die politische Arbeit, und dafür ist die Kündigung auch eine Steilvorlage: Viele Menschen, die von der BDS-Kampagne bis heute nichts wussten, wissen es jetzt. Politisch hat uns die Bank auch geholfen: Wir können sagen, eine deutsche Bank boykottiert Juden, und das ist widerlich und darf nicht sein. Es ist einfach ein Unding, dass eine deutsche Bank in Deutschland einer jüdischen Organisation mit dem Vorwurf, sie sei antisemitisch, das Konto verweigert. Unverschämt! Wir rufen dagegen zum Boykott israelischen Waren und Institutionen auf. Die von der Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser profitieren, die sollen boykottiert werden.
 
Von der BFS hat bisher kaum jemand gehört – wer ist denn diese Bank? Wer sind ihre Aktionäre oder Gründer?
(lacht) Dass die junge Welt von dieser Bank noch nichts gehört hat, wundert mich nicht: Sie wird nämlich im wesentlichen von Kirchen, Sozialorganisationen usw. getragen. Die Wohlfahrtsorganisation des Zentralrats der Juden ist mit 0,7 Prozent beteiligt.
 
Die Aktivitäten Ihres Vereins sind der israelischen Regierung und ihren hierzulande tätigen Lobbygruppen sicherlich ein Dorn im Auge. Ist Ihnen schon mal Ähnliches widerfahren?
Natürlich wissen wir, dass unsere kritische Position zur Besatzungspolitik der israelischen Regierung und ihren Parteigängern nicht genehm ist. Das äußert sich darin, dass wir zu bestimmten Veranstaltungen gar nicht erst eingeladen oder von der Gästeliste gestrichen werden. Wir werden offen attackiert.
 
Bekommen Sie Unterstützung?
Sehr viel und teilweise sehr überraschend. Immer wieder bekommen wir Zuspruch mit dem Hinweis: Ihr als Juden dürft das sagen, wir als Deutsche nicht. Wir hatten zum Beispiel 2009, als Israel das Gaza-Gebiet angriff, eine Zeitungsanzeige geschaltet – daraufhin haben wir auch Spenden von Juden bekommen, die aus Angst vor den Reaktionen ihrer jüdischen Gemeinde lieber anonym bleiben wollten. Für manchen aus unserer Mitte ist diese Gemeinde nämlich auch gleichzeitig Arbeitgeber.

Iris Hefets ist Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins »Eine jüdische Stimme für Gerechtigkeit in Nahost«. Sie war am 23. November 2016 in Bremen zu einem sehr interessanten Vortrag in der Villa Ichon. Bericht hier.

Quelle (mit freundlicher Genehmigung): junge Welt v. 08.12.2016

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